Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Das ist nicht solide, das ist Misswirtschaft"

Linke weiter gegen militarisierte Außenpolitik: Vertragsstrafe für Rüstungskonzern hätte ein Viertel der Summe für Kindergelderhöhung abgedeckt. Gespräch mit Gesine Lötzsch *


Gesine Lötzsch ist Abgeordnete der Fraktion Die Linke und Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag.

Als Vorsitzende des Haushaltsausschusses haben Sie das Nein Ihrer Fraktion zur Anschaffung von 186 Militärhubschraubern der Typen NH90, MH90 und »Tiger« mit den Worten begründet, es sei verantwortungslos, der Bundeswehr mehr Geld zu versprechen, ohne die unhaltbaren Zustände in ihr zu beenden. Finden Sie es mit Blick auf Ihr Parteiprogramm gut oder schlecht, wenn die Armee aufgrund technischer Mängel nicht überall einsatzfähig ist?

Die Linke war immer gegen eine Interventionsarmee. Folgerichtig haben wir uns im Haushaltsausschuss natürlich gegen eine Vertragsanpassung bei der Beschaffung der Hubschrauber ausgesprochen. Der Skandal ist doch, dass das Verteidigungsministerium Steuergelder aus dem Fenster wirft und gleichzeitig der Finanzminister erklärt, dass er bereit ist, noch mehr Geld in dieses Fass ohne Boden zu stecken. Beim »Tiger« beträgt die Kostensteigerung 10,6 Prozent und beim NH 90 sogar 19,45 Prozent. Das ganze Paket kostet mehr als acht Milliarden Euro. Dafür bekommt die Bundeswehr Hubschrauber, die nur sehr bedingt einsetzbar sind.

Wieviel weniger müsste nach Ihrer Einschätzung für die Ausrüstung einer reinen Verteidigungsarmee ausgegeben werden?

Das ist natürlich schwer zu berechnen. Der Hubschrauber »Tiger« zum Beispiel war nicht für den Auslandseinsatz ausgelegt. Deshalb wurden für den mörderischen Afghanistan-Krieg extra Triebwerke bestellt, die auch in hochgelegenen und heißen Gegenden funktionieren. Bei vielen Waffensystemen ist nicht ohne weiteres zu sagen, ob sie ausschließlich der Landesverteidigung dienen oder auch für Auslandseinsätze geeignet sind. In den Haushaltsberatungen 2014 haben wir Kürzungsvorschläge für die Bundeswehr in Höhe von 3,2 Milliarden Euro gemacht.

Oskar Lafontaine hat beim Erfurter Programmparteitag statt einer Interventionsarmee ein ziviles »Willy-Brandt-Korps« für internationale Katastrophenhilfe vorgeschlagen. Spielt es noch eine Rolle in der innerparteilichen Debatte?

Ja, unsere Fraktion diskutiert zur Zeit einen Antrag zum »Willy-Brandt-Korps«.

Sie bemängeln unter anderem, dass das Verteidigungsministerium im aktuellen Fall auf Vertragsstrafen für die Rüstungskonzerne verzichtet hat. Wird damit nicht der Eindruck erweckt, die Anschaffung der Hubschrauber an sich sei unbedingt nötig?

Nein, ich bin der Meinung, dass es keinen Grund gibt, Airbus die Vertragsstrafe einfach zu erlassen. Wir brauchen dieses Geld. Ich frage mich, warum der Finanzminister solche Geschenke an Airbus akzeptiert. Derselbe Finanzminister erzählt uns immer wieder, dass er in Europa Vorbild sein muss, wenn es um eine solide Haushaltspolitik geht. Was er da macht, beziehungsweise zulässt, ist nicht solide, das ist Misswirtschaft.

In welcher Größenordnung hätten sich solche Vertragsstrafen bewegen können?

Es geht um rund 100 Millionen Euro. Mit dem Betrag könnten wir schon ein Viertel der Kindergelderhöhung für das nächste Jahr bezahlen. Wenn unsere Abrüstungsvorschläge angenommen werden würden, dann könnten wir das Kindergeld natürlich ganz anders anheben.

Sie haben eine neue Führungskultur, Transparenz, Integrität und politische Verantwortung als Bedingungen für Geldzuwendungen an das Heer genannt. Was verstehen Sie darunter?

Ich habe die vernichtende Kritik der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG aufgegriffen. Die kommt zu dem Schluss, dass beim Management von Rüstungsprojekten Führungskultur, Transparenz, Integrität und politische Verantwortung fehlen. Jede andere Organisation würde nach einer solchen Kritik aufgelöst werden. Wenn Die Linke die Bundeswehr in gleicher Weise kritisiert, dann wir das als Polemik abgetan. Wenn aber die Vorwürfe von der KPMG kommen, dann müsste jedem klar sein, dass es sehr schlecht um die Bundeswehr bestellt ist. Ich glaube, dass der Druck einiger Politiker auf die Bundeswehr sehr groß ist, High-Tech-Schrott von Airbus zu kaufen. Als Linke werden wir die Regierung immer wieder dafür kritisieren, dass sie die Außenpolitik militarisiert. Wir werden aber auch immer wieder kritisieren, dass diese Militarisierung letztendlich nur den Rüstungskonzernen unverdient die Steuergelder in die Taschen spült.

Interview: Claudia Wangerin

* Aus: junge Welt, Freitag, 6. März 2015


Zurück zur Rüstungs- und Rüstungsexport-Seite

Zur Rüstungs- und Rüstungsexport-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Bundeswehr-Seite

Zur Bundeswehr-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage