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Osteuropa rüstet auf

Militärausgaben in Ukraine, Russland, Polen, baltischen Staaten deutlich gestiegen / Rüstungsbudgets der NATO-Länder sinken oder stagnieren / USA bleiben Rüstungsweltmeister / Weltweit 1,7 Billionen Euro im Jahr 2014 im Todesgeschäft ausgegeben *

Die Ukraine-Krise lässt die Militärausgaben in Osteuropa laut einer neuen Studie in die Höhe schnellen. Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag mitteilte, steigen die Aufwendungen vor allem in den Konfliktstaaten Ukraine und Russland sowie den baltischen Ländern Estland, Lettland und Litauen deutlich an. Auch in Polen ist demnach ein starker Zuwachs zu beobachten, der teils aber auf langfristige Pläne zur Modernisierung der Streitkräfte zurückzuführen sei. Für die westlichen NATO-Staaten meldete Sipri überwiegend Rückgänge oder Stagnation.

In der Ukraine betrugen die Ausgabensteigerungen dem Institut zufolge im Vergleich der Jahre 2013 und 2014 geschätzte 23 Prozent. Da die tatsächlichen Kosten des andauernden Konflikts aber schwer zu ermitteln seien, sei der Anstieg wahrscheinlich höher. Für das laufende Jahr rechnet Sipri mit einer Verdopplung der Ausgaben. Etwa die Hälfte davon dürfte demnach in Gehälter oder Pensionen fließen, der überwiegende Rest von »systematischer Korruption« verschlungen werden.

Russland belegt laut der Untersuchung mit seinen Militärausgaben weiterhin den dritten Platz weltweit nach den USA und China. Im vergangenen Jahr stiegen die Aufwendungen demnach um 8,1 Prozent an - eine Folge sowohl der Ukraine-Krise als auch längerfristiger Modernisierungspläne. Für das Jahr 2015 sagt Sipri einen Anstieg der russischen Militärausgaben um rund 15 Prozent voraus. Die schwere Wirtschafts- und Währungskrise im Land könne dem aber entgegenwirken.

Für Polen errechnete Sipri einen Anstieg um 13 Prozent im Jahr 2014. Im laufenden Jahr wird mit einem weiteren Zuwachs um 20 Prozent gerechnet, womit das Land das Nato-Ziel erreichen dürfte, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Verteidigungssektor auszugeben. In Litauen rechnen die Forscher nach einem Anstieg um sechs Prozent sogar mit einem Zuwachs von weiteren 50 Prozent im Jahr 2015. Für Estland sagt Sipri 7,3 Prozent voraus und für Lettland 15 Prozent.

Insgesamt betrugen die Militärausgaben weltweit laut der Studie im vergangenen Jahr rund 1,8 Billionen Dollar (gut 1,7 Billionen Euro) - ein Rückgang um 0,4 Prozent im Jahresvergleich. Davon entfielen demnach 34 Prozent auf die USA, zwölf Prozent auf China und 4,8 Prozent auf Russland. Deutschland belegte den Angaben zufolge nach Saudi-Arabien, Frankreich, Großbritannien und Indien mit geschätzten 46,5 Milliarden Euro beziehungsweise einem Anteil von 2,6 Prozent den achten Platz.

In den USA sanken die Militärausgaben der Untersuchung zufolge auf Jahressicht um 6,5 Prozent auf 610 Milliarden Dollar. Seit dem Höchststand im Jahr 2010 beträgt der Rückgang demnach 20 Prozent, allerdings liegen die Ausgaben noch immer 45 Prozent über dem Niveau vor den Anschlägen von 11. September 2001. In den europäischen Nato-Staaten stagnierten oder fielen die Ausgaben laut den Angaben zuletzt, es wird aber vielfach wieder mit Zuwächsen gerechnet, auch in Deutschland.

Teils deutliche Ausgabensteigerungen verzeichnete Sipri in den meisten anderen Erdteilen. So stiegen die Aufwendungen in Asien und Ozeanien binnen eines Jahres um fünf Prozent, allein um 20 Prozent in Afghanistan. Ein Zuwachs von gut fünf Prozent wurde auch für den arabischen Raum berechnet - mit 17 Prozent in Saudi-Arabien sowie je 15 Prozent im Libanon und im Irak. Ein Plus von fast sechs Prozent gab es laut Sipri in Afrika, eine Stagnation im wirtschaftlich kriselnden Südamerika.

* Aus: neues deutschland (online), Montag, 13. April 2015


Sehschwächen

Olaf Standke über den jüngsten SIPRI-Rüstungsbericht **

Allein in Afrika gibt es laut Weltgesundheitsorganisation sechs Millionen sehschwache Menschen, die arbeiten würden, wenn sie sich denn eine Brille leisten könnten. So aber entgeht den Volkswirtschaften dieser ohnehin armen Länder eine jährliche Wertschöpfung von 125 Milliarden US-Dollar, in etwa so viel, wie die reichen Staaten für Entwicklungshilfe ausgeben. Zahlen, die man im Hinterkopf haben sollte, wenn man den jüngsten Report des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes SIPRI liest.

So gut es ist, dass die weltweiten Militärausgaben 2014 das dritte Jahr in Folge leicht gesunken sind - mit 1,78 Billionen US-Dollar wird aber noch immer deutlich mehr Geld für Rüstung und Soldaten ausgegeben als zu Ende des Kalten Krieges in den späten 80er Jahren oder Mitte der 90er Jahre, als die Welt noch auf eine Friedensdividende hoffte.

Doch statt wenigstens wie angestrebt 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Entwicklungshilfe fließen zu lassen, wird weiter ein Vielfaches für Militär und Krieg verpulvert. Das trifft auch auf Deutschland zu, selbst wenn man die Rüstungsvorgaben der NATO zur Zeit verfehlt. Dabei könnten nachhaltige sozioökonomische Unterstützung zur Erfüllung der sogenannten Millenniumsziele und eine bessere finanzielle Ausstattung der zivilen Krisenprävention viele Konflikte eindämmen oder bestenfalls erst gar nicht ausbrechen lassen.

** Aus: neues deutschland (online), Montag, 13. April 2015 (Kommentar)


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