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Kein "Faust" am Peenestrom

SPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern jubelt über Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien

Von René Heilig *

Schnellboote für Saudi-Arabien? In Mecklenburg-Vorpommern hebt Jubel an, denn die Peene-Werft in Wolgast könnte beteiligt sein.

Die Waffenindustrie boomt. Groß- und Mittelmächte kaufen und verkaufen Todeswerkzeug massenweise. Die USA, China, Russland, Großbritannien, Japan, Frankreich, Indien rüsten wie von Sinnen. Auch für die Staaten der Golfregion scheint es kein Halten zu geben. Saudi-Arabien hat einen Rüstungsetat von rund 43 Milliarden Dollar. Das sind rund 32 Milliarden Euro.

Für 1,4 Milliarden Euro werden deutsche Werften Patrouillenboote an die saudischen Despoten verkaufen. Die geplante Lieferung der rund 100 Schnellboote, die zum Gutteil von der Lürssen-Werft gebaut werden sollen, hat bei einigen Politikern in Mecklenburg-Vorpommern geradezu eine euphorische Stimmung ausgelöst. Ein paar Krumen vom Gewinnkuchen werden schon abfallen, hofft man. Schließlich gehört die Peene-Werft in Wolgast zur Lürssen-Gruppe.

Es gehört nicht viel hellseherische Fähigkeit dazu, der vorpommerschen Werft eine gewisse Expertise beim Bau von schnellen Kriegsschiffen zuzubilligen. Schon zu DDR-Zeiten baute man kleine wendige Marineboote namens »Iltis«, »Wiesel«, »Libelle«. Später kamen größere Balcom-Einheiten hinzu, über deren Qualität sich die Bundespolizei bis heute freut.

Dass die Machthaber in Saudi-Arabien neben Panzern und Sturmgewehren auch Interesse an Schiffen haben, zumal dann, wenn die Lieferungen von deutscher Seite mit Hermes-Bürgschaften – also Steuermitteln – abgesichert werden, ist seit etwa einem Jahr bekannt. In Berlin wie in Schwerin. Damals wetterten führende SPD-Politiker gegen diesen Deal, der den deutschen Rüstungsexportrichtlinien widerspricht. Die sind seit der ersten rot-grünen Bundesregierung bindend. Oder sollten es zumindest sein.

Nun, in der großen Koalition, haben Sigmar Gabriel und Genossen die Seiten gewechselt. Als Vizekanzler und Wirtschaftsminister ist der SPD-Chef Mitglied des Bundessicherheitsrates. Er hätte es mit in der Hand, das Geschäft mit den Saudi-Schnellbooten (und andere) zu verhindern. Warum macht er es nicht?

Es stimmt, sagt Gabriel: »Unrechtsregimen sollte man keine Waffen verkaufen.« Doch Patrouillenboote darf man liefern. Damit könnten die saudischen Machthaber »nicht die eigene Bevölkerung unterdrücken«.

Dieses Argument wird den Schweriner Landeschef und SPD-Kollegen Erwin Sellering erfreuen. Der hatte diesen Rüstungsexport einst auch für »problematisch« gehalten. Doch wies er schon vor einem Jahr darauf hin, dass solche Lieferungen nach Saudi-Arabien grundsätzlich der Zustimmung des Bundessicherheitsrates unterliegen. Die Landesregierung selbst verfüge »über keine eigenständigen Erkenntnisse zur Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien« und habe auch nicht die Mittel, solche zu gewinnen. Folglich, so teilte der SPD-Mann im März 2013 mit, habe man »bisher keine Beschlüsse zur Bewertung dieser Situation gefasst und beabsichtigt auch nicht, dies zu tun«. Sellering hält Wort.

Der Chef der SPD-Landtagsfraktion, Norbert Nieszery, gab dieser Tage kund, man sei »vor allem im Interesse der Beschäftigten der Peene-Werft sehr erfreut« über den Deal. Die noch vor kurzem insolvente Werft werde »über einen längeren Zeitraum ausgelastet sein und sichere Arbeitsplätze bieten«.

Peter Ritter, friedenspolitischer Sprecher der Linksfraktion, hat mit einem Zitat aus Goethes »Faust« geantwortet. »Nichts besseres weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen, als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten, weit, in der Türkei die Völker aufeinanderschlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten, dann kehrt man abends froh nach Haus, und segnet Fried und Friedenszeiten …«

»Faust« in Wolgast? Dazu fehlt ganz offenbar die Bühne. Dort fragt man sich wie Hamlet: »Sein oder Nichtsein?« Und die Landesregierung? Die handelt in Bezug auf Werfteneigner im Land ohnehin nur frei nach Shakespeare: »Was ihr wollt.«

* Aus: neues deutschland, Montag, 10. Februar 2014


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