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Anfang vom Ende des Ölzeitalters

Experten des ASPO-Netzwerks warnen: Erdölförderung hat seit 2004 abgenommen

Von Fabian Lambeck *

Hat die Erdölförderung ihr Maximum bereits erreicht? Auf der Jahrestagung der deutschen ASPO-Sektion plädierten Experten für einen schnellen Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter.

»Peak Oil«, so nennen Experten den Zeitpunkt, an dem die weltweite Ölförderung ihren Höhepunkt erreicht und nicht mehr weiter gesteigert werden kann. Egal, was die Ölkonzerne unternehmen: Die Fördergeschwindigkeit lässt sich nicht weiter erhöhen, obwohl die Nachfrage wächst. Für die Industriegesellschaft bedeutet »Peak Oil« auch den Anfang vom Ende eines Zeitalters. »Der ökonomische Wohlstand des letzten Jahrhunderts wurde angetrieben durch billige Energie. Die Basis hierzu war das Öl«, wie der Geologe Colin Campbell in seinem Buch »Ölwechsel« betont. Campbell gründete im Jahr 2000 mit der Association for the Study of Peak Oil and Gas (ASPO) ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern und Geologen, das sich mit den Folgen vom »Peak Oil« auseinandersetzt. Nun lud die deutsche ASPO-Sektion am Dienstag (19. Mai) zu ihrem Jahrestreffen nach Berlin. Unter dem Motto »Der Abstieg vom Peak Oil« kamen Fachleute verschiedenster Disziplinen in der Berliner Friedrichstadtkirche zusammen.

Angesichts schwankender Fördermengen und weltweiter Lagerstätten ist es nahezu unmöglich, den genauen »Peak Oil« zu bestimmen. Doch der schwedische Physiker und ASPO-Präsident, Kjell Aleklett, wies am Dienstag (19. Mai) darauf hin, dass die Ölgesellschaften schon heute große Probleme hätten, die »Fördermengen überhaupt nur stabil zu halten«. Das sei daran abzulesen, dass die Firmen »tiefer und tiefer« bohren müssten. Letztendlich sei auch der Untergang der Ölbohrplattform »Deepwater Horizon« im Golf von Mexiko eine direkte Folge dieses Trends. Unterstützung bekam der schwedische Physiker vom Erdölgeologen Wolfgang Blendinger. Der an der TU Clausthal lehrende Professor zeigte sich skeptisch gegenüber Meldungen, wonach vor Brasilien oder Afrika neue Lagerstätten entdeckt worden seien. Diese Neufunde hätten eines gemeinsam, so Blendinger, sie seinen »unkonventionelle Lagerstätten«. Somit also »schwer erreichbar« und »teuer bis extrem teuer zu erschließen«. Hinzu komme, dass es Jahrzehnte dauern würde, diese Ölfelder zu erschließen, betonte Blendinger. Zumal sich die unkonventionellen Lagerstätten nur rentierten, wenn der Ölpreis bei 100 Dollar und mehr liegen würde. Derzeit pendelt der Preis für ein Barrel Öl (159 Liter) zwischen 70 und 80 Dollar.

Blendinger resümierte, dass es bei den Meldungen über spektakuläre Neufunde wohl darum gehe, »die Öffentlichkeit zu beruhigen«. Sie seien »Teil eines Verdrängungsprozesses der Realität«. Der Geologe ist sich sicher, dass die Erdölförderung seit dem Jahr 2004 tatsächlich abgenommen habe. Liegt der »Peak Oil« also bereits hinter uns?

Dabei war die Menschheit nie abhängiger vom »schwarzen Gold« als heute: Düngemittel, Treibstoffe, PVC-Plastik - ohne Erdöl geht nichts mehr. Doch wie kann die Industriegesellschaft auf das nahende Ende des Ölzeitalters reagieren? Erdgas ist kein nachhaltiger Ersatz, darin sind sich die ASPO-Experten einig. Vielmehr fordert man die »schnelle Abkehr aus der Abhängigkeit fossiler Rohstoffe«.

Der Politikwissenschaftler Elmar Altvater verwies am Dienstag (19. Mai) auf einen noch von der George-Bush-Administration in Auftrag gegebenen Report, der zu dem Schluss kommt, »dass wir mindestens zehn Jahre Vorlauf benötigen, um angemessen auf Peak Oil zu reagieren«. Sollten wir aber den kritischen Punkt bereits überschritten haben, dann »müssten wir mit dem Gesellschaftsumbau sofort beginnen«, so Altvater. Bislang sei jedoch noch nichts geschehen. Warnend heißt es dazu bei ASPO: »Je später wir uns auf dieses Ereignis einstellen, desto chaotischer wird dieser Übergang sein.«

* Aus: Neues Deutschland, 20. Mai 2010


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