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Exxon Mobil und Chavez treiben Ölpreis auf Rekordhöhe

Nach allem zu urteilen, bleiben die Rekordölpreise und die Supergewinne der Ölexportländer im Höhenflug

Von Oleg Mitjajew *

Die USA - der weltgrößte Ölimporteur - "erhitzen" eigenständig die Ölpreise durch Konflikte mit den großen Rohstoffexporteuren, die sie als "politisch unzuverlässig" verschreien. In dieser Woche haben sich die Preise für das "schwarze Gold" wegen der Rechtsstreitereien zwischen dem US-Ölgiganten Exxon Mobil und Venezuela um den so genannten "Chavez-Aufschlag" von drei bis vier Dollar je Barrel erhöht.

Vor ein paar Wochen gingen die Ölpreise für Verbraucher akzeptable 86 Dollar je Barrel zurück. Jetzt betragen sie wieder 93 bis 94 Dollar je Barrel. Nach Ansicht von Ölhändlern ist der Preis etwa um 3,5 Dollar dank dem "Chavez-Aufschlag" gestiegen. Gemeint ist ein Gerichtsprozess zwischen der weltgrößten Ölgesellschaft Exxon Mobil und der PDVSA, der staatlichen Ölgesellschaft von Venezuela.

Die eigentliche Ursache des Konflikts ist die bereits seit zwei Jahren dauernde Verstaatlichung der Öl- und Gasindustrie in Venezuela. Seitdem sinken die Anteile der westlichen Konzerne an ihren Vorkommen in diesem Land beträchtlich, während ein Großteil der Einnahmen aus dem geförderten Rohstoff zugunsten des Staats umverteilt wird. Mehrere ausländische Gesellschaften, zum Beispiel die französische Total, haben die neuen Bedingungen akzeptiert: Bei den heutigen superhohen Öl- und Gaspreisen bleibe die Erdölgewinnung in Venezuela trotzdem ein gewinnbringendes Geschäft. Übrigens bekam Total von der venezolanischen Regierung für die Verringerung seines Anteils am Projekt sogar als Entschädigung rund 830 Millionen Dollar.

Wie die Praktiken in der Welt zeigen, ist das der allgemeine Trend. In Zeiten, da die Preise für Naturressourcen stark ansteigen, verstärkt der Staat in der Regel seine Kontrolle über den Rohstoffsektor und die Einnahmen.

Doch die Amerikaner von Exxon Mobil blieben stur. Im vergangenen Jahr zwangen die venezolanischen Behörden den US-Konzern, das Land zu verlassen. Daraufhin erhob Exxon Mobil Klagen gegen die venezolanische Regierung in Gestalt des Staatskonzerns PDVSA vor gleichzeitig mehreren Gerichten der Alten und der Neuen Welt, um eine vollständige und gerechte Entschädigung für das ihr weggenommene Projekt zu bekommen. In der vergangenen Woche erließen die Gerichte die Vorschrift, weltweit die Aktiva der PDVSA in einem Gesamtwert von zwölf Milliarden Dollar einzufrieren: als Kautionsmaßnahme vor der künftigen Gerichtsverhandlung über die Entschädigung.

PDVSA ist ein mächtiger und reicher Konzern mit Eigentum in der ganzen Welt für rund 90 Milliarden Dollar. Im Falle von Gerichtsbeschlüssen wird er und ganz Venezuela Riesenverluste einstreichen müssen. Deshalb reagierten die venezolanischen Behörden blitzschnell. Präsident Hugo Chavez erklärte sofort, er werde die Lieferung des ganzes Erdöls aus Venezuela an die USA stoppen. Sollte diese Drohung Wirklichkeit werden, wären die Folgen für die US-Wirtschaft verheerend. Bekanntlich importieren die USA täglich rund zehn Millionen Barrel am Tag. Dieser Import aus Venezuela steht in der Ölbilanz der USA an bedeutender vierter Position, es sind rund 1,2 Millionen Barrel. Dem Umfang nach sind nur die Rohstofflieferungen aus Kanada, Saudi-Arabien und Mexiko größer.

Freilich muss gesagt werden, dass dieser Schritt für die Wirtschaft von Venezuela katastrophal wäre. Das Land liefert praktisch sein ganzes Öl an die USA und hat keine Möglichkeit, seine Ölströme auf andere Kontinente umzuorientieren.

Deshalb hat Chavez seine Drohung nur teilweise verwirklicht. Am Dienstag wurde bekannt gegeben, nur die an allen Problemen "schuldige" Exxon Mobil bekomme kein venezolanisches Erdöl mehr. Bisher erhält sie von Venezuela 90 000 bis 170 000 Barrel am Tag. Eine solche Drosselung wird weder Exxon Mobil noch den Brennstoffverbrauchern in den USA ernste Verluste bringen. Zudem haben andere OPEC-Länder versprochen, den USA beim möglichen Ölmangel zu helfen.

Dennoch wird der juristische Krieg zwischen Exxon Mobil und PDVSA nicht so bald zu Ende sein, sich sogar noch verstärken - folglich wird sich der "Chavez-Aufschlag" auf die Ölpreise noch lange erhalten.

Die wenig flexible US-Politik gegenüber den Erdöl fördernden Ländern, deren Regimes sie für "unzuverlässig" halten, schlägt zunehmend auf die Vereinigten Staaten zurück und zieht die Ölverteuerung nach sich. Die US-Regierung zum Beispiel tut alles Mögliche, damit sich ihre Konzerne, ja auch die der anderen Staaten nicht an den Ölprojekten in Iran beteiligen, was die Spannungen auf dem weltweiten Ölmarkt ebenfalls verschärft.

Deshalb sagen die Analysten der Bank Goldman Sachs, die sich durch ihre Prophezeiung über Ölpreise von 100 Dollar je Barrel bekannt wurden (die Preise erreichten diesen Stand am 3. Januar 2008), dass die Rezession in den USA die Ölpreise in keiner Weise herunterdrücken werde und diese Preise in einem Jahr 105 Dollar je Barrel betragen würden. Deshalb können die Erdöl fördernden Länder, darunter auch Russland, mit einer Fortsetzung der im vorigen Jahr gemachten Rekorderlöse aus dem Export von "schwarzem Gold" rechnen.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 16. Februar 2008



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