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Aktionismus am Golf

Auf einem Gipfel im saudi-arabischen Dschidda suchen Politiker und wichtige Ölförderstaaten gegen den rasanten Preisanstieg vorzugehen. Vermutlich vergebens

Von Rainer Rupp *

Mit Spannung blickt die Welt auf den Ölgipfel in Dschidda. Am Sonntag treffen sich in der saudi-arabischen Stadt Vertreter großer Ölförderstaaten, Spitzenpolitiker und die Abgesandten der Energiemultis, um über die rasant gestiegenen Preise für den fossilen Rohstoff zu beraten. Auf Einladung der saudischen Machthaber werden in der Millionenstadt am Roten Meer sowohl der US-Energieminister Samuel Bodman als auch der chinesische Vizepräsident Xi Jinping erwartet. Der bundesdeutsche Wirtschaftsminister Michael Glos hatte seine Teilnahme ebenso angekündigt, wie die Chefs der Ölkonzerne BP oder Chevron Texaco.

Erklärtes Ziel des Treffens ist es, den seit Jahresbeginn extrem gestiegenen Ölpreis wieder in den Griff zu bekommen. Der gilt nicht nur als wichtigster Inflationstreiber, sondern droht zugleich das globale Wirtschaftswachstum zu ersticken. Innerhalb von fünf Jahren ist der Preis pro Faß Öl (159 Liter) von 25 US-Dollar auf über das Fünffache gestiegen. Das führte zu einer massiven Umverteilung von Reichtum aus den Verbraucherländern in die Förderländer, wovon insbesondere Rußland profitiert hat, das inzwischen zum größten Ölproduzenten aufgestiegen ist.

Nachfrage gedeckt

Rußland, Saudi-Arabien und andere große Ölstaaten bewegen sich mit ihrer Förderung an der Grenze der Kapazitäten. Erst gegen Ende des Jahres soll in zusätzlichen neuen Feldern, z.B. in Brasilien, die Arbeit aufgenommen werden. Angebot und Nachfrage scheinen zwar trotz der Preisexplosion ausgeglichen, aber genau das wird von den USA bestritten. Wiederholt ist US-Präsident George W. Bush in diesem Jahr persönlich bei den Saudi-Prinzen vorstellig geworden, um sie zu einer erhöhten Förderung zu animieren und den Anstieg des Ölpreises zu bremsen. Der hat sich seit Anfang 2008 um 40 Prozent auf bis zu 140 Dollar pro Faß erhöht. Die Saudis, unterstützt von den anderen Mitgliedern der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), haben jedoch Bush jedes Mal beschieden, daß die USA die Ursachen für die Preisexplosion zu Hause zu suchen hätten. Da die gesamte Nachfrage nach Öl durch die Produktion gedeckt werde, könnten die Preissteigerungen nicht auf ein Marktungleichgewicht zurückgeführt werden, argumentierten die Vertreter der Ölscheichs. Diese könne nur Ergebnis einer künstlichen Verknappung durch großangelegte Spekulationen mit Warentermingeschäften der führenden US- und europäischen Finanzkonzerne und Hedgefonds sein.

In der OPEC-Erklärung vom 13. Juni dieses Jahres heißt es z.B., daß andere Faktoren, wie die Schwäche des Dollars, politische Spannungen und die Spekulation das Öl verteuern würden. »Das derzeitige Preisniveau widerspiegelt nicht die Realitäten von Angebot und Nachfrage.«

Die Fakten geben der OPEC recht. Im ihrem jüngsten »World Oil Market Report« vom 10. Juni berichtet auch die Internationale Energieagentur IEA von einem Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage im ersten Quartal. Und: »Es wird erwartet, daß die globale Nachfrage nach Öl im Jahr 2008 durchschnittlich 86,8 Millionen b/d (Barrel pro Tag) betragen wird« – der werde entsprochen. Denn »das globale Ölangebot (sei) im Mai durch zusätzliche OPEC-Produktion um 490 Tausend b/d gestiegen und (werde) im Jahresdurchschnitt 86,6 Millionen b/d betragen«.

Spekulationsblase

Allerdings wären da noch die »anderen« Gründe für die hohen Ölpreise. Allen voran der gesunkene Wert des US-Dollars gegenüber anderen Währungen. Da der größte Teil des Öls immer noch in der US-Währung fakturiert wird, haben die ölfördernden Länder natürlich versucht, diesen Verlust durch eine entsprechende Preiserhöhung zu kompensieren. Laut der Washington Times vom 11. Juni berechneten US-Wirtschaftswissenschaftler, daß der Wechselkursverfall des US-Dollars nur für etwa 18 Prozent der Ölpreissteigerung verantwortlich sei. Daher konzentriert sich inzwischen auch in den USA die Suche nach den Verantwortlichen auf die Spekulanten, die sowohl von politischen Unsicherheiten als auch von der Angst vor dem »Peak-Oil«, daß der Zenit der Ölproduktion bereits überschritten ist, profitieren.

Für Geschäftemacher wie den Multimilliardär George Soros stellt die Ölpreisentwicklung ganz selbstverständlich »eine Blase« dar, also das Resultat von Spekulation. Um dies zu verstehen, braucht man sich auf dem Finanzmarkt nur die riesige Menge von hochspekulativen Angeboten für Warentermingeschäfte und von Rohstoff-Hedgefonds für Öl und Lebensmittelrohstoffe (REis, Mais, Stärke, Soja etc.) anzusehen. Die US-Luftfahrtgesellschaften, denen wegen der immensen Treibstoffkosten der Bankrott droht, haben inzwischen bei der US-Commodity Futures Regulatory Commission (CFRC) Klage eingereicht. Die CFRC hat die Aufgabe, den großangelegten Mißbrauch von Warentermingeschäften durch Zocker zu verhindern. Allerdings wurden der Kommission unlängst die Zähne gezogen. Ende 2007 wurden spekulative Ölkontrakte im großen Stil wieder möglich, Anfang 2008 auch für Lebensmittelrohstoffe.

Experten gehen inzwischen davon aus, daß auf Grund von Angebot und Nachfrage der Ölpreis zwischen 80 und 90 Dollar liegen müßte. Alles darüber hinaus sei Spekulation. US-Finanzkonzerne verkünden jedoch Prognosen über Faßpreise von 150 bis 200 Dollar – womöglich eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

* Aus: junge Welt, 21. Juni 2008


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