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"Die neue Vermessung der Welt"

Kampf um Ressourcen zwischen Sicherheitspolitik und ökologischer Zerstörung

Von Susanne Götze *

"Blut für Öl" hieß die Losung der Friedensbewegung während des Irakkrieges. Seitdem bestimmen Debatten über geostrategische Interessen die Medien- und Politikagenda. Dem Thema hat sich auch Sascha Müller-Kraenner in seinem letzte Woche erschienenden Buch angenommen. Er versucht, Umweltschutz, Ressourcenknappheit und Sicherheitspolitik als Einheit zu denken.

Der Krieg um die letzten Ressourcen dieser Erde hat schon lange begonnen. Jede Nation muss sich im Angesicht der dahinschmelzenden Öl-, Gas- und Kohlevorräte fragen, wie sie ihren Energiebedarf in Zukunft decken will - und wie weit sie dafür geht. Für den Autor des Buches >Energiesicherheit - Die neue Vermessung der Welt<, Sascha Müller-Kraenner, sind militärische Lösungen nicht nur aus menschenrechtlicher Sicht verwerflich, sondern auch wirtschaftspolitisch eine Sackgasse. Das beweise der Irakkrieg. Dieses militärische Desaster habe mittlerweile in weiten Teilen des außenpolitischen Establishments der USA zu einem Umdenken geführt, meint der Autor. Das Öl wurde so teuer erkauft, dass der Glaube an die zentrale Rolle militärischer Stärke verloren gegangen sei.

Müller-Kraenner weiß, wovon er redet, denn er lebt in Washington und arbeitet für die amerikanische Umweltorganisation The Nature Conservancy. Sein Buch vermittelt ein Bild vom internationalen Kräftespiel um die knapper werdenden Ressourcen und von ökologischen Gefahren durch die Gier nach Energie. Dabei wird er nicht müde, seine Botschaft immer wieder zwischen die Zeilen zu streuen: >Energie ist eine Waffe. Und die wichtigste Waffe gegen die Waffe Energie ist eine nachhaltige Umgestaltung der Energiepolitik.< Für den Umweltschützer geht es dabei um internationale Zusammenarbeit und Kooperationsabkommen, sprich um die >Verrechtlichung bestehender wirtschaftlicher Konkurrenz<. Außerdem sollten die Staaten auf alternative Energien setzten und ihre Versorgung aus vielfältigen Quellen beziehen, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. Das Buch vermittelt weniger investigative Neuigkeiten, wie es der Leser bei diesem Thema gewöhnt ist, sondern einen breiten Überblick über die energiepolitischen Interessenlage der Großmächte USA, Russland, China und Europa. Dabei steht Russland als bedeutender Rohstofflieferant mit unabschätzbaren Potenzialen im Vordergrund. Der Autor begibt sich auf die Reise in die abgelegensten Gebiete Sibiriens und zeigt auf, unter welchen ökologisch katastrophalen Bedingungen das Land Öl und Gas an Stellen fördert, die noch vor Jahrzehnten als technisch unerschließbar galten. >Wir können heute nicht wissen, ob Russland seine Lieferverträge zukünftig wirklich alle einhalten wird, denn das Land hat kaum einen Überblick über Art und Größe seiner Rohstoffquellen<, erläuterte Müller-Kraenner am Donnerstag auf seiner Buchvorstellung. Dass der Autor sich nicht mit wilden Spekulationen abgibt, sondern sachlich an das Thema herangeht, ist angesichts der häufigen medialen Stimmungsmache sehr angenehm. Dafür erfährt man andererseits aber auch nichts Brandneues, denn dass Diplomatie immer mehr Gold wert ist als militärische Intervention oder nur eine Vielfalt der Energiequellen die Zukunft vieler Länder sichern kann, hat keinen Neuigkeitswert. Das mag auch an den verwendeten Quellen des Autor liegen. Seine Informationen bezog Müller-Kraenner aus Zeitungsberichten und Daten der Internationalen Energieagentur (IEA). Die Qualität des Buches besteht aber vor allem darin, dass erstmals eine umfassend objektive Darstellung der Zusammenhänge zwischen zunehmender Knappheit von Ressourcen, sicherheitspolitischen Interessen und ökologischer Zerstörung vorliegt, die zudem noch verständlich und spannend geschrieben ist.

Sascha Müller-Kraenner: Energiesicherheit. Die neue Vermessung der Welt, Kunstmann-Verlag: München 2007, 240 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 19.90 EUR (ISBN 978-3-88897-470-0)

* Aus: Neues Deutschland, 12. März 2007


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