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Die Welt schwimmt im Öl

Eine Förderung erfordert aber häufig erhebliche Umweltbelastungen

Von John Dyer, Boston *

Ein am Montag in den USA veröffentlichter Wirtschaftsbericht behauptet: Die ganze Welt schwimm auf Öl. Die Reserven seien eine Sache. Aber eine Produktion im großen Stil eine andere, heißt es weiter.

Durch die weltweiten Reserven an Schieferöl steigen die Ressourcen an Öl um zehn Prozent. Die Gasreserven steigen dank Schiefergas sogar um 48 Prozent. Doch die US-Energieinformationsbehörde EIA warnt vor Goldgräberstimmung.

Viele Länder können die USA nun zum Vorbild nehmen. Nach Meinung der amerikanischen Energiebehörde Energy Information Administration EIA können sie den Aufschwung wiederholen, den Schieferöl und Schiefergas den Vereinigten Staaten beschert haben. Inklusive der kontroversen Diskussionen.

Der am Montag vorgestellte Bericht besagt, dass die weltweiten Reserven an Schieferöl um mehr als zehn Prozent größer sind, als noch 2011 angenommen. Beim Schiefergas sind es gar zusätzliche 48 Prozent. In 41 Ländern sind 345 Milliarden Barrel ungenutztes Schieferöl vorhanden, sowie 206,7 Billionen Kubikmeter Schiefergas. Der Bericht bezeichnet diese Reserven als »technisch förderbar«. Unter Einsatz der umstrittenen Fördermethode Fracking könnten sie also gefördert werden.

»In den USA sind 30 Prozent des geförderten Öls Schieferöl, 40 Prozent des geförderten Gases ist Schiefergas«, erklärt Adam Sieminski von der EIA. »Daher ist auch das Interesse in anderen Ländern an diesen Ressourcen immer größer geworden. Unser Bericht verdeutlicht das internationale Potential dieser Rohstoffe.«

Sieminski erklärte jedoch auch, dass die technische Fördermöglichkeit noch nicht bedeutet, dass die Förderung auch wirtschaftlichen Sinn mache. Durch das Fracking, die Erschaffung einer Infrastruktur für den Transport und die Raffinierung steigt der Preis ebenso wie die Bedenken wegen des Umgangs hinsichtlich der Umwelt. »Es ist noch nicht klar, bei welchem Anteil der Ressourcen eine Förderung wirtschaftlich Sinn macht«, ergänzt Sieminski.

Auch der in New York ansässige Marktforscher der Credit Suisse Jan Stuart ist skeptisch. »Die Reserven sind eine Sache. Aber eine Produktion im großen Stil eine andere. Das muss in vielen Teilen der Welt nicht ebenso gut funktionieren, wie in den USA.« Sogar in den Vereinigten Staaten, wo das Fracking eine weit verbreitete Unterstützung erfährt, haben es manche Bundesstaaten wegen Umweltbedenken verboten. Luft- und Wasserverschmutzung werden ebenso angeführt wie die CO2-Emissionen.

Beim Fracking wird eine Mischung aus Wasser, Chemikalien und Sand in den Untergrund eingeführt, um dadurch das Öl beziehungsweise Gas zu lösen. Für viele Amerikaner gilt es als willkommene Methode, um einerseits viel Geld zu verdienen und andererseits von Energielieferungen aus dem Ausland unabhängig zu werden.

In Teilen North Dakotas, Pennsylvanias und von Texas wurde durch das Fracking ein wirtschaftlicher Aufschwung eingeleitet. Staaten oder Regionen, in den es verboten ist, haben hingegen ökonomische Probleme, so zum Beispiel das Umland von New York. Die durch das Fracking gesunkenen Erdgaspreise haben dem gesamten Land dabei geholfen, die wirtschaftliche Krise zu überstehen.

Die Internationale Energieagentur glaubt, dass die USA innerhalb von fünf Jahren vom weltweit größten Ölimporteur zum Nettoexporteur werden können. Dies ist jedoch nur eine der Veränderungen des weltweiten Gleichgewichts. Polen hat laut dem EIA-Bericht bereits 43 Testbohrlöcher gesetzt, Argentinien, China, Großbritannien Mexiko, Russland, Saudi-Arabien und die Türkei haben mit der Erschließung begonnen oder stehen davor.

Die größten Reserven an Schieferöl hat Russland mit 75 Milliarden Barrel, gefolgt von den USA und China. China weist mit 31,6 Billionen Kubikmetern den größten Vorrat an Schiefergas auf.

Der Bericht der amerikanischen Behörde weist auch darauf hin, dass zuviel Goldgräberstimmung zu einem Überangebot an Energie führen könnte. Auch die Risiken für die Umwelt wären groß.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 12. Juni 2013


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