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Gemeinsame Sicherheit statt Konfrontation! Für eine faire Ukraine-Berichterstattung der Medien!


Am 31. Mai 2014 (teilweise aber auch schon am 30. Mai bzw. erst Anfang Juni) fanden in zahlreichen bundesdeutschen Städten lokale Aktionen der Friedensbewegung zum Ukraine-Konflikt statt. Im Folgenden dokumentieren wir drei Reden, die in Frankfurt am Main und in Berlin gehalten wurden. Weitere Reden gibt es hier: Reden von Bernd Trautvetter, Tobias Pflüger und Andreas Grünwald.Zur Pressemitteilung über die gesamten Aktionen geht es hier: Gegen Schwarz-Weiß-Malerei im Ukraine-Konflikt
Im Folgenden die Reden von:


"Mir geht es nicht um eine pro-russische oder pro-ukrainische Parteinahme"

Rede von Willi van Ooyen auf der Kundgebung am 31. Mai in Frankfurt a.M. *

Die Waffen nieder in der Ukraine!

Entmilitarisierung des Konflikts ist das Gebot der Stunde - Gemeinsame Sicherheit statt Konfrontation!

Mit vielen Menschen teilen wir die Sorge um den Frieden in der Ukraine und in Europa. Der Zank zwischen dem Westen und Russland um die Zukunft der Menschen und des Landes an der Nahtstelle zwischen West und Ost droht aus dem Ruder zu laufen. Im Interesse der Ukraine und ganz Europas dürfen wir nicht zulassen, dass die alten Feindbilder ein Ende der Gewalt und eine Lösung des Konflikts torpedieren.

In der Friedensbewegung haben wir in den 70er Jahren – nach der KSZE - bereits über ein „Gemeinsames Haus Europa“ debattiert. Alle Völker und Staaten sollten ein Zimmer haben, inklusive einer gemeinsamen Teeküche und einer Kaffeebar, so etwas wie eine Wohngemeinschaft Europa. Statt eines gemeinsamen Hauses gibt es neue Spaltungen. Wieder steht man sich feindlich gegenüber. Jetzt an der Grenze Russlands, in der Ukraine. Die Ukraine, Moldawien, Belo-Russland, die Balkanstaaten insgesamt und auch Russland gehören zu Europa.

Manches an der Politik der EU und einzelner Mitgliedstaaten lässt allerdings befürchten, dass dies einigen nicht klar ist. Wenn ich einzelne französische Stimmen höre, habe ich den Verdacht, dass man sich nachträglich für die Beresina rächen will; in bundesdeutschen reaktionären Kreisen gilt das möglicherweise für Stalingrad.

Mir geht es nicht um eine pro-russische oder pro-ukrainische Parteinahme. Es geht mir um einen Umgang von uns mit sozialen Problemen und demokratischen Interessen der Menschen in der Ukraine. Diese werden dann gern als Beziehungen zwischen Blöcken, Nationen, Nationalitäten oder Ethnien dargestellt. Dieser Logik der Konfrontationslinien haben wir uns als Friedensbewegung immer entgegengestellt.

Kritik an undemokratischen Zuständen im heutigen Russland ist das Eine und wird von vielen Friedensbewegten geteilt. Aber die arrogante Selbstgerechtigkeit, mit der Putin im Westen zur Inkarnation des Bösen und Russland zur Gefahr für westliche Freiheit und Sicherheit erklärt werden, ist lebensgefährlich. Die schlichte und ahistorische Reduktion der Konfliktparteien auf „pro-russische“ und „pro-westliche“ Kräfte ist unverantwortlich und hat mit der sozialen Wirklichkeit der Menschen in der Ukraine und in Europa nichts zu tun.

Der innerukrainische Konflikt begann mit dem Protest auf dem Maidan gegen Armut und Arbeitslosigkeit, gegen das sich selbst bereichernde Oligarchensystem und mit dem Ruf nach Presse- und Versammlungsfreiheit. Heute herrscht auf beiden Seiten der antirussischen und der pro-russischen Kräfte das Gesetz des “Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ und zwingt die Menschen in die Zerreisprobe zwischen Anschluss an EU und NATO oder an Russland.

Die Perspektive einer bündnisfreien Ukraine mit guten Beziehungen zu Russland und zu Europa geht im rhetorischen und politischen Schlachtgetümmel des Zanks um die Zukunft der Ukraine unter. Die Menschen mit ihren vielfaltigen Bindungen in der Region und ihrem Wunsch nach Frieden und sozialer Sicherheit sind nur noch Spielball so genannter übergeordneter „nationaler“ Interessen.

Die Schärfe des neuen Ost-West-Konflikts ist nur zu verstehen, wenn man über die stetige Osterweiterung der NATO bis an die Grenzen der heutigen russischen Föderation spricht. Erinnern wir uns daran, wie oft Russland seit dem Zerfall der Sowjetunion und der Auflösung der Warschauer Vertragsorganisation angemahnt hat, erbrachte militärische Vorleistungen zu honorieren und seine legitimen Sicherheitsinteressen zu respektieren!

Doch das mächtigste Militärbündnis der Welt wurde zwischen 1990 und 2009 auf 28 Mitglieder erweitert und bereitet weitere Mitgliedschaften in Osteuropa und an den Grenzen der GUS vor. Auch wenn Russland heute nicht unbeteiligt ist an der Zuspitzung der Gefahr für die Spaltung der Ukraine und Europas, darf um des Friedens willen der treibende Anteil der NATO und der EU nicht länger tabuisiert werden.

Die Friedensbewegung hier muss neben den Forderungen des sofortigen Rückzuges der Bundeswehr aus Afghanistan und allen Kriegsgebieten wieder die grundsätzlichen Forderungen nach Abzug aller Truppen von fremdem Territorium und das heißt hier in Hessen die Schließung des US-Headquarters in Wiesbaden auch aktionsmäßig voranbringen. Wir müssen schon jetzt die Schließung der NSA-Anlagen durchsetzen.

Deutschland als mächtiges NATO- und EU-Mitglied ist seiner proklamierten „Verantwortung für den Frieden in der Welt“ in keiner Weise gerecht geworden. Kein Politiker von CDU, CSU, SPD oder Grünen hat die Ausdehnung nach Osten kritisiert. Im Gegenteil versuchen sie die Konflikte weiter anzuheizen. Kein deutscher Minister hat das europäische „Assoziierungsabkommen“ mit der Ukraine kritisch infrage gestellt; keine Regierung hat ein offenes Ohr gezeigt für die vielen Warnungen. In den Medien werden Kritiker der herrschenden Politik vielmehr lächerlich gemacht, mit Häme überzogen und zum alten Eisen erklärt.

Deshalb demonstrieren wir heute mit der bundesweiten Friedensbewegung in vielen Städten unseres Landes.

Hier und heute fordern wir von der deutschen Regierung, dem Parlament und den Medien:
  • Nutzen Sie alle Möglichkeiten, um die Gewalt in der Ukraine und die Spannungen mit Russland abzubauen.
  • Fordern Sie die Entwaffnung der Kiewer Militärs und faschistisch unterwanderten Paramilitärs genauso, wie Sie die Entwaffnung der Separatisten fordern!
  • Null Toleranz gegenüber Rechtsextremisten und Faschisten!
  • Keine Waffenlieferungen in die Region!
  • Fordern Sie statt NATO-Osterweiterung vertrauensbildende Maßnahmen, wie eine Europäische Sicherheitskonferenz, die Erweiterung der Kompetenzen der OSCE und ein stärkeres diplomatisches Engagement.
  • Strikte Einhaltung und Verteidigung des völkerrechtlichen Gewaltverbots und
  • umfassende Abrüstung gehört endlich auf die Tagesordnung!
* Willi van Ooyen ist Landtagsabgeordneter (die Linke) in Hessen und im Sprecherkreis des Bundesausschusses Friedensratschlag.


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Das ARD-Hauptstadtbüro berichtet "einseitig, parteiisch, unwahr oder halbwahr"

Rede von Eckart Spoo bei der Kundgebung am 31. Mai in Berlin ("Ukraine: Stoppt Eskalation und drohenden Krieg") **

Mein Name ist Eckart Spoo, ich bin Journalist, Mitherausgeber der Zweiwochenschrift Ossietzky.

Wir befinden uns vor dem Hauptstadt-Büro der ARD, der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Ich wende mich an die hier tätigen Journalistinnen und Journalisten und an die Verantwortlichen dieser Anstalten, namentlich an Kai Gniffke, den Chefredakteur. Jeden Abend, Herr Gniffke, möchten Sie uns in unseren Wohnzimmern mit Ihren Sendungen Tagesschau und Tagesthemen besuchen. Heute machen wir es umgekehrt: Wir besuchen Sie, um uns zu beschweren. Wir sind nämlich mit Ihren Nachrichtensendungen überhaupt nicht zufrieden. Was uns schon seit Wochen und Monaten besonders ärgert, ist Ihre Berichterstattung über die Ukraine.

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten erhalten von uns Milliardenbeträge (siebeneinhalb Milliarden im Jahr), damit Sie uns zutreffend und umfassend informieren. Aber die Informationen, die Sie uns aus der Ukraine liefern, sind einseitig, parteiisch, unwahr oder halbwahr, was noch gefährlicher ist.

Wir haben solche Erfahrungen schon in früheren Kriegen gemacht, zum Beispiel vor 15 Jahren im Bombenkrieg der NATO gegen Jugoslawien und später im Irak und in Afghanistan. Erst anderthalb Jahre nach dem sogenannten Kosovo-Krieg brachte die ARD eine Sendung des Westdeutschen Rundfunks mit dem Titel „Es begann mit einer Lüge“. Da wurde dann nicht nur eine Lüge eingestanden, sondern ein dickes Bündel von Lügen. Es wurde klar, daß wir Zuhörer und Zuschauerinnen während des ganzen Krieges und schon vorher und noch lange nachher belogen und betrogen worden waren. Die ARD und andere Medien hatten kritiklos die Kriegspropaganda der Bundesregierung und der NATO übernommen und verbreitet. Herr Gniffke, wir möchten bitteschön nicht wieder anderthalb Jahre auf die Wahrheit warten müssen.

Wir sind auf zutreffende, umfassende Berichterstattung der Medien angewiesen, wir müssen zuverlässig informiert sein, wenn wir demokratisch mitreden, mitentscheiden wollen. Wenn aber neben der geifernden Springer-Presse auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten uns irreführen, kann Demokratie nicht gedeihen.

Ein besonders übles Beispiel haben Sie uns Anfang Mai geliefert beim Mord an mehr als 40 Menschen im Gewerkschaftshaus in Odessa. Es gab eindeutiges Bildmaterial. Es war klar, wie das Gebäude mit sog. Molotow-Cocktails in Brand gesetzt worden war, wie die brennenden und erstickenden Menschen gehindert worden waren, sich zu retten, und wer das getan hatte. Sie aber verschleierten das Verbrechen mit den Worten, da sei ein Gebäude „in Brand geraten“ – als hätte jemand vergessen, vor dem Einschlafen seine Zigarette auszudrücken oder als wäre eine Sicherung durchgebrannt. „In Brand geraten“ – solche Verschleierung ist publizistische Beihilfe zum Massaker.

In den Medien setzte sich dann die Sprachregelung durch, der Fall sei noch nicht geklärt. Aber wenn da wirklich noch Klärungsbedarf bestanden hätte, wäre das kein Grund gewesen, auf weitere Berichterstattung zu verzichten – im Gegenteil, dann hätten Sie eben zur Klärung beitragen müssen. Recherche nennt man sowas, was man eigentlich von Journalisten erwartet. Was taten Sie stattdessen? Ebenso wie die Bild-Zeitung, dieses Spitzenprodukt des deutschen Journalismus, gaben auch Sie, die ARD, ausgerechnet Arsenij Jasenjuk das Wort, dem Putschpremier. Bild ließ überhaupt niemand anderen zu Wort kommen als Jasenjuk, der prompt Moskau für das Massaker verantwortlich machte. Moskau muß ja an allem schuld sein. Auf drei Sätze von Jasenjuk beschränkte sich die gesamte Berichterstattung der Bild-Zeitung am 5. Mai über das grauenvolle Geschehen in Odessa.

Herr Gniffke, hat die ARD wirklich keine eigenen Recherchen unternommen? Nein? Dann sollten Sie sich schämen!

Vielleicht erschien Ihnen der Fall nicht so wichtig. Aber was erscheint Ihnen überhaupt wichtig? Der Terror gegen linke Parteien und Abgeordnete in Kiew – was haben Sie darüber berichtet? Die offen faschistischen Kräfte, die sich auf dem Maidan mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten durchsetzten – offenbar kein Thema, das Sie sonderlich interessiert hätte. Die Gründe, warum sich nach dem Putsch in Kiew 90 Prozent der Menschen in der Ostukraine für Autonomie entschieden – hätte man den Gründen nicht mal nachgehen müssen? Sie verbreiteten allerlei Andeutungen über russische Einmischung – aber als die zuständige Direktorin des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, offen ausplauderte, für den Umsturz in der Ukraine seien aus Washingon fünf Milliarden Dollar geflossen, wäre es da nicht dringend notwendig gewesen, aufzuklären, wofür diese immense Summe ausgegeben worden ist? Haben Sie sich jemals dafür interessiert, wer hinter dem Ukrainian Crisis Media Center (UCMC) steckt, das im Kiewer Hotel Ukraina die dort untergebrachten Journalisten aus aller Welt mit Gesprächspartnern, Informanten, Desinformanten versorgt? Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, wenn Sie im vergangenen Winter dem deutschen Publikum Abend für Abend den Boxer Klitschko als Held und Erlöser präsentierten? Und vorher jahrelang Julia Timoschenko als die heilige Unschuld vom Lande? Wer oder was hat Sie zur Beteiligung an solchen Kampagnen veranlaßt, die mit Aufklärung, mit kritischem Journalismus nichts zu tun hatten?

Jetzt beteiligen Sie sich am Gerede vom „runden Tisch“ – obwohl der „runde Tisch“ gar nicht rund ist, denn die Putschisten in Kiew verweigern den Vertretern der nach Autonomie strebenden Ost-Regionen den Zutritt. In Nachrichtensendungen mehrerer ARD-Anstalten hörte ich dann: Die Vertreter der Separatisten nehmen nicht teil. Das ist üble Irreführung der Öffentlichkeit, üble Kriegspropaganda. Wenn eine der beiden Konfliktparteien nicht zu Verhandlungen zugelassen wird, dann dienen diese Verhandlungen nicht dem friedlichen Interessenausgleich, sondern der Vorbereitung einer sog. militärischen Lösung, also zur Vorbereitung des Krieges, den westukrainische Einheiten jetzt schon mit Panzern und Kampfhubschraubern in der Ostukraine führen. Ähnlich parteiisch, ebenso unwahr, Herr Gniffke, war Ihre Berichterstattung über die Friedenskonferenz in Genf, die beiden Konfliktparteien auferlegte: „Alle illegalen bewaffneten Gruppen müssen entwaffnet werden.“ Sie haben das verfälscht zu einer einseitigen Aufforderung an ostukrainische Gruppen.

Herr Gniffke, schämen Sie sich solcher Methoden!

Das Bundesverfassungsgericht hat vor einigen Wochen festgestellt, daß die Politiker der großen Parteien zu starken Einfluß auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben. Es wird höchste Zeit, daß die Medien demokratisiert werden. Hören Sie auf mit der Regierungspropaganda! Hören Sie sofort auf mit der Kriegspropaganda, Herr Gniffke!

Und jetzt gehen wir zum Kanzleramt.

** Ansprache vor dem ARD-Hauptstadtbüro während der Demonstratioin der Friedensbewegung in Berlin am 31. Mai 2014.


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Kriegsvorbereitungen an den russischen Grenzen sind das Letzte, was wir in Deutschland und in Europa brauchen!

Rede von Matthias Jochheim, IPPNW, in Frankfurt a.M. ***

Liebe Kriegsgegnerinnen, liebe Friedensfreunde,

wenige hundert Kilometer östlich von unserer Demonstration hier sind in einem großen europäischen Land bürgerkriegsartige Kämpfe entbrannt. Viele in Deutschland sind sich der enormen Gefahren sehr bewußt, die aus der Konfrontation in der Ukraine für den Frieden in ganz Europa und auch global drohen. Gerade deswegen stehen wir heute hier, um einen Beitrag zu leisten für eine Rückkehr zur Vernunft, zu den Mitteln gewaltloser Diplomatie, zum Bewußtsein der gemeinsamen Interessen der Menschen in Europa an friedlichem Zusammenleben und gemeinsamer Bewältigung der großen Probleme, denen wir grenzüberschreitend konfrontiert sind:
  • der ökonomischen Krise in den meisten Ländern des Kontinents mit ihren schweren Folgen für die Mehrheit der Bevölkerung nicht nur in Griechenland und Spanien,
  • den immer häufigeren Umweltkatastrophen auf Grund der ungebremsten, durch Abgase provozierten Klimaveränderungen,
  • dem Massenelend in vielen Ländern Afrikas und Asiens und einer unmenschlichen Abschottungspolitik gegenüber den Flüchtlingen. Man schätzt, dass in den letzten 30 Jahren etwa 20.000 Menschen allein durch Fluchtversuche über das Mittelmeer ihr Leben verloren haben- nicht zuletzt durch die rigiden, militärischen Abschottungsmaßnahmen der Europäischen Union, Stichwort Frontex.
Es gibt eine Fülle von Aufgaben, denen sich die europäischen Regierungen widmen sollten und müssen, gerade auf dem eigenen Terrain. Destabiliserung von Nachbarländern, massive Einmischung in deren innere Angelegenheiten gehört nicht zu der humanen und demokratischen Politik, die wir verlangen.

Was können wir tun?

Der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann hat ein sehr sinnvolles Bild geprägt, als er sagte: „Wer mit dem Finger auf andere zeigt, zeigt mit drei Fingern auf sich selbst zurück.“ Russland wird Einmischung in die ukrainische Politik und der Anschluss der Krim an die russische Föderation vorgeworfen – aber welche Mächte haben am putschartigen Sturz des legal gewählten Präsidenten Janukowitsch tatkräftig mitgewirkt, in Kooperation mit einer explizit faschistischen Partei, genannt „Swoboda“, die übrigens an die Traditionen von ukrainischen Verbündeten Nazi-Deutschlands anknüpft. Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke machte darauf aufmerksam, daß die »Denkfabrik« von Swoboda den Namen »Joseph-Goebbels-Forschungszentrum für Politik« trage - das also ist einer der Bündnispartner für die Förderung westlicher Werte in der Ukraine! Diese Partei pflegt kollegiale Beziehungen zur deutschen NPD, und gehört zu der geistigen Verwandtschaft des „Rechten Sektors“, den gut trainierten Gewalttätern, denen unter anderem die Brandschatzung des Gewerkschaftshauses in Kiew mit mindestens 47 Todesopfern zur Last gelegt wird.

Von solchen Verbrechen und ihren Hintergründen erfährt das Publikum des deutschen Fernsehens wenig. Dort war nur von einer „Katastrophe“ die Rede - über die Täter ist nur abseits des Mainstreams Genaueres zu erfahren. Und hier liegt eine wesentliche friedenspolitische Aufgabe für die Aktiven gegen den Krieg: sich die Mühe zu machen, dem verfälschten Bild, das uns die hiesigen Massenmedien unterjubeln wollen, authentische Informationen entgegenzustellen. Da werden dann aus den angeblichen OSZE-Beobachtern, die in Slawjansk festgesetzt wurden, real westliche, mehrheitlich deutsche Offiziere, die auf Einladung des Kiewer Putschregimes in Zivil die Situation im Aufstandsgebiet erforschten – die OSZE wußte garnichts von dieser Mission.

Wir haben in den Medien immerhin einige versierte und an der Wahrheitsfindung ernsthaft interessierten Verbündete, die die Kanäle zwar keineswegs beherrschen, aber doch in Nischen aufzufinden sind: Zu ihnen gehört die frühere ARD-Korrespondentin in Moskau, Gabriele Krone-Schmalz, die in hervorragender Weise die mediale Desinformation beschreibt. Für uns als Friedens-Engagierte besonders wichtig: sie benennt zum Beispiel den § 7 des geplanten Assoziierungsabkommens EU-Ukraine, der eine intensivierte militärische Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern vorsieht - im Mainstream schlicht nicht erwähnt.

Ihre Beispiele für die völlig parteiische, propagandistisch-antirussische Sprechweise der ARD-Kommentatoren, und deren Verzicht auf saubere, beide Seiten des Konflikts beleuchtende Recherche sind überzeugend. Es ist wohltuend eine so unbestechliche Beobachterin wie Frau Krone-Schmalz zu hören, die sich auch mit dem Schreckgespenst des „Anti-Amerikanismus“ auseinandersetzt, und feststellt, dass es nichts mit Ressentiments gegen die USA zu tun hat, wenn nach den Kriegen der letzten Jahrzehnte, und nach Abu Ghraib und Guantanamo die Werteführerschaft der US-Regierung nicht mehr sehr glaubwürdig ist. Mit Recht sorgt sich Frau Krone-Schmalz um die Zukunft der Demokratie, wenn die Medien sich weiter in Richtung von Propaganda-Instrumenten der jeweiligen Machtelite entwickeln.

Es ist schwieriger, aber noch nicht unmöglich, wirklich unabhängige Informationen und Meinungen zu erfahren. Über das Internet können wir die kritischen Kommentare des früheren Kanzleramtsministers Albrecht Müller verfolgen, der sich als Sozialdemokrat aktuell besonders betroffen mit dem Handeln und den Positionen von Außenminister Steinmeier befasst. Er fragt: „Kann man Steinmeier trauen?“ und kommt mit guten Argumenten zu dem Schluss, dass der Außenminister keine ehrliche Strategie für Frieden in der Ukraine betreibt, sondern zu den Vorbereitern des Putsches gehört hat, und keinerlei Anstrengungen für eine Aussöhnung der Konfliktparteien erkennen läßt. Es verwundert dann nicht, dass Steinmeier gemeinsam mit Gauck und von der Leyen bei der Münchener sogenannten Sicherheitskonferenz für die stärkere Bereitschaft Deutschlands sprach, weltweit militärisch zu intervenieren. Gemeinsame Militär-Manöver mit ukrainischen Truppen und Flottenverbänden unweit der russischen Grenzen sind ja schließlich auch Teil des geplanten Abkommens zwischen EU und Ukraine.

Als Kriegsgegner sagen wir hier und heute laut und deutlich:
Kriegsvorbereitungen an den russischen Grenzen sind das Letzte, was wir in Deutschland und in Europa brauchen!

Es gilt immer noch das Wort von Thomas Mann: Kriege werden aus der Unfähigkeit begonnen, die wirklichen Probleme der Staaten und der Gesellschaften sinnvoll anzugehen.

Aber: Es gibt heute neben den riesigen Gefahren auch Hoffnungszeichen: Großbritanien und die USA haben ihren schon geplanten direkten Krieg gegen Syrien vorläufig abgesagt, wegen der gewachsenen Ablehnung eines weiteren Krieges in der Bevölkerung und auch in den Parlamenten dort. Die Menschen auch in den USA sind der Kriege müde. Die Umfragen zeigen: auch in Deutschland will die klare Mehrheit keinen neuen kalten - und erst recht keinen heißen -Krieg.

„Wir weigern uns, Feinde zu sein“ – das ist unsere Parole. Wir stehen hier bei der Vertretung der Ukraine in Frankfurt, die auch für die Betreuung zahlreicher Ukrainer bei uns und in anderen deutschen Städten zuständig ist. Wir wünschen Ihnen und uns, dass die an Ressourcen reiche Ukraine ihre schwere ökonomische Krise überwinden kann; dass die verschiedenen Bevölkerungsgruppen einen Weg des gewaltlosen, demokratischen Dialogs finden, und die ökonomische Entwicklung nicht nur nach den Interessen der sogenannten „Oligarchen“ - im westlichen Raum auch „Investoren“ genannt - vorangetrieben wird. Denn eine Unterwerfung unter die neoliberalen Regeln der EU-Kommission verspricht der Mehrheit der Bevölkerung wenig Gutes, siehe Spanien und Griechenland.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit der Ukraine mit EU und Russland – so sollte die Perspektive aussehen!

Militärische Blockfreiheit für die Ukraine – und für uns Schluss mit Expansion und Kriegspolitik der NATO!

*** Rede auf der Kundgebung "Die Waffen nieder! Für Frieden in der Ukraine!" am 31. Mai 2014 in Frankfurt a.M.


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