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"Plan B" und Paranoia-Rap

Zur links-rechts-Schwäche auf den neuen Montagsdemos *

Auch in dieser Woche haben sich wieder »Montagsdemonstranten« für »den Frieden« versammelt. 1000 hat die Polizei vor dem Brandenburger Tor in Berlin gezählt, nach jW-Schätzung dürften es knapp 1500 Teilnehmer gewesen sein. Viele dieser Demonstranten sind politisch nicht zuzuordnen. Vorherrschend scheint der Wunsch, »Gemeinsamkeiten« über politische Lager hinweg zu finden. So erfuhr eine kapitalismuskritische Rede Pedram Shahyars am Montag einigen Zuspruch, bis der frühere ATTAC-Vorstand sich dazu bekannte, noch zwischen links und rechts zu unterscheiden. Umgehend wurde er ausgebuht von Leuten, die diesen Orientierungssinn für ein Handicap halten.

»Weder rechts noch links« lautet das Credo der Veranstalter, die folgerichtig auch Rattenfängern wie Jürgen Elsässer eine Bühne bereiteten (jW berichtete). Auch die Forderung, den »Plan B« eines gewissen Andreas Popp umzusetzen, war am Montag nach wie vor präsent.

Popp, Goldhändler und selbsternannter »Erfolgsautor«, galt einst beim Sender ntv als Wirtschaftsfachmann, zog sich dann jedoch ins »sichere« Kanada zurück. Gegen den bevorstehenden Zusammenbruch der deutschen »Ochlokratie« (»Pöbelherrschaft«) empfiehlt er »Notvorräte, Heizmaterial und ein Trinkwasserreservoir«. Außerdem: Auslandsimmobilien und Edelmetallvorräte, zum Beispiel – ganz uneigennützig – Gold. Nun hat Popp das Wagnis der Rückkehr aus dem Exil auf sich genommen. Am 21. April konnte er seine Theorien bereits auf der Bühne der neuen »Montagsdemo« in Berlin verkünden.

Popps »Plan B« läßt sich auf der »Wissensmanufaktur«-Webseite abrufen. Da »fließt« und »kreist« das Geld, der Staat muß »entschuldet« werden, auch der »Erfinder dieser Methode« wird namentlich gewürdigt: Es ist niemand Geringeres als der 1883 in Würzburg geborene Gottfried Feder, eines der ersten Mitglieder der »Deutschen Arbeiterpartei« (DAP), später NSDAP. Feder gilt als Verfasser des demagogischen Parteiprogramms mit seiner grotesken Trennung zwischen »schaffendem«, produktivem deutschen, und »raffendem«, jüdisch-spekulativen Kapital. Letzteres könne abgeschafft werden, ohne den Kapitalismus an sich zu überwinden, behaupteten die Nazis. Eine von Feder 1919 vorgelegte Schrift inspirierte die deutschen Faschisten zu ihrer Parole von der »Brechung der Zinsknechtschaft«. Hitler würdigte Feders Einfluß ausdrücklich in »Mein Kampf«.

»Heute wird dieser große Wirtschaftstheoretiker leider noch immer mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht«, bedauern die Autoren Popp und Rico Albrecht im »Plan B« beinahe herzerweichend. Zu Unrecht? In Verbindung? Als Nazi der allerersten Stunde wurde Feder 1927 »wirtschaftspolitischer Sprecher« der NSDAP, 1933 Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Bis zu seinem friedlichen Tod 1941 stand der glühende Antisemit hinter dem Programm der Judenvernichtung.

Den Soundtrack zum »Plan B« hat eine Rapcombo namens Die Bandbreite mit dem gleichnamigen Song komponiert. Auch diese leidlich musikalischen Paranoiker traten bei der Berliner »Montagsdemo« am 21. April auf. »Wir brauchen Alternativen / in diesen Tagen / die können wir euch liefern / ihr braucht uns nur zu fragen«, heißt es in dem Song, die Band verweist direkt auf Popp, Albrecht und die »Wissensmanufaktur«. Im Youtube-Video tollen Hunde und Kinder über eine Wiese, Bandbreite-Sänger Wojna trägt ein »faires T-Shirt«. Zwischendurch schafft Gott auf der Erde noch ein Paradies, irgendein »Potential« entspringt »aus einem warmen Schoß«. »Nichts ist alternativlos / es gibt immer nen Plan B«. Er sei »links«, rief Wojna am Ostermontag ins staunende Publikum.

Ist das schon zu quer für die Querfront? Darüber wird man nachdenken müssen. Erschöpfend gewürdigt werden die Verdienste der Bandbreite um das Aufzeigen von Alternativen auf einem Album des Rappers Moritz Wilken alias grim104 von Ende 2013. Im Song »Cro Hafti Herzl« erkennen Wojna und ein Verschwörungsrapper namens Kilez More »Die Wahrheit / Doch verunglücken unglücklich / Auf dem Weg zur Arbeit.« grim104: »Die Wahrheit kennen nur / Youtube-Besucher wie du, ah«.

* Aus: junge welt, Mittwoch, 7. Mai 2014

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