Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Chronik Afghanistan

November 2009


Sonntag, 1. November, bis Sonntag, 8. November
  • Bei zwei Bombenanschlägen im Süden Afghanistans sind zwei Soldaten der internationalen Truppe getötet worden. Bei einem der Opfer handelte es sich nach US-Militärangaben vom 1. Nov. um einen US-Soldaten, bei dem zweiten um einen Briten, wie das Verteidigungsministerium in London mitteilte. Beide Anschläge ereignete sich am Vortag (31. Okt.).
  • Der afghanische Präsidentschaftskandidat Abdullah Abdullah hat am 1. Nov. seinen Boykott der Stichwahl am 7. November erklärt. Die Voraussetzungen für eine transparente Abstimmung seien nicht gegeben, sagte der Herausforderer von Amtsinhaber Hamid Karsai. Er rief auch die Bevölkerung auf, die Entscheidung der Wahlkommission für die Stichwahl nicht zu akzeptieren. Die Regierung Karsais habe schon seit Mai kein legitimes Mandat mehr, kritisierte der Politiker.
  • Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bedauert die Entscheidung des afghanischen Präsidentschaftskandidaten Abdullah Abdullah, nicht an der Stichwahl in seinem Land teilzunehmen. Jetzt gehe es darum, dass der Wahlvorgang «streng nach Recht und Gesetz zu Ende geführt wird», sagte Westerwelle am 1. Nov. beim Bundeskongress der Jungen Liberalen (Julis) in Saarbrücken. Afghanistan brauche eine Regierung, die «in vollem Umfang demokratisch und auch rechtsstaatlich legitimiert» sei, betonte der Außenminister. Deshalb rufe er alle auf, «besonnen auf diese neue Lage zu reagieren.» Westerwelle betonte: «Wir werden alles unterstützen, was diesen demokratischen Prozess auch voranbringt.»
  • Die afghanische Regierung hat als Vorsichtmaßnahme gegen eine Ausbreitung der Schweinegrippe die Schließung aller Schulen für drei Wochen angeordnet. Die Maßnahme gelte ab dem 2. Nov., teilte das Bildungsministerium in Kabul am 1. Nov. mit. Die Schließung sei erforderlich, "um die Gesundheit unserer lieben Mitbürger zu schützen". Am 28. Okt. war in Afghanistan der erste Todesfall durch eine Infektion mit dem Schweinegrippe-Virus A (H1N1) bekannt geworden.
  • Die Unabhängige Wahlkommission (IEC) in Afghanistan hat am 2. Nov. Amtsinhaber Hamid Karsai zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Zuvor hatte die Kommission die für den 7. Nov. geplante Stichwahl um das Präsidentenamt abgesagt. Nach dem Rückzug von Herausforderer Abdullah Abdullah werde die zweite Wahlrunde nicht stattfinden, sagten zwei Quellen aus der Kommission der Nachrichtenagentur AFP in Kabul. Mit dem Rückzug Abdullahs war Karsai als einziger Anwärter auf das Amt übriggeblieben.
  • Nach der abgesagten Stichwahl in Afghanistan hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) Präsident Hamid Karsai zur Zusammenarbeit mit seinen politischen Gegnern aufgefordert. "Wir erwarten, dass der afghanische Präsident sich bemüht, die verschiedenen Lager zusammenzuführen", sagte Westerwelle am 2. Nov. bei einem Besuch in Paris. Karsai müsse versuchen, "Präsident, aller Afghanen zu sein". Die Herausforderungen an ihn seien "immens".
  • US-Präsident Barack Obama hat am 2. Nov. zunächst einen Kommentar zum tumultartigen Ende der Präsidentenwahl in Afghanistan abgelehnt. Gefragt, wie er auf die Nachricht reagiert habe, sagte Obama nach einem Treffen mit Wirtschaftsberatern, in den nächsten Wochen werde er sicher noch einen Kommentar haben. In dem Treffen jetzt sei es um die Schaffung von Arbeitsplätzen gegangen.
  • Die NATO hat dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai weitere Unterstützung bei der Stabilisierung des Landes versprochen. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte am 2. Nov. in Brüssel, die NATO werde weiterhin der afghanischen Regierung und dem afghanischen Volk helfen, eine sicherere Zukunft aufzubauen. Dazu gehöre auch die Ermutigung zu besserer Regierungsführung und Bekämpfung der Korruption. Die NATO-geführte Schutztruppe ISAF hat derzeit rund 71 000 Soldaten in Afghanistan stationiert.
  • Die Bundesregierung hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums keinen Einfluss auf den NATO-Bericht über den folgenschweren Luftangriff in Afghanistan genommen. «Wir haben überhaupt nie in den Untersuchungsauftrag eingegriffen», sagte ein Ministeriumssprecher am 2. Nov. in Berlin. Er wies damit einen anderslautenden «Spiegel»-Bericht zurück. Die SPD forderte den neuen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf, zu den möglichen Fehlern des deutschen Oberst Georg Klein beim Luftangriff Stellung zu nehmen. Die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen will in den kommenden zwei Wochen klären, ob gegen Klein «ein Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung» vorliegt. Ein Kreis von Bundestags-Abgeordneten hat seit dem 2. Nov. Einsicht in den geheimen Bericht.
  • Nach der Ausrufung von Hamid Karsai zum Sieger der Präsidentschaftswahl in Afghanistan hat US-Präsident Barack Obama vom Amtsinhaber ein energisches Vorgehen gegen die Korruption gefordert. Er habe Karsai in einem Telefongespräch persönlich gratuliert, erklärte Obama am 2. Nov. in Washington. Zugleich habe er ihn aufgefordert, "deutlich mehr zu unternehmen, um die Korruption zu beseitigen". Dabei werde er Karsai nicht an Worten, sondern an Taten messen.
    Der britische Premierminister Gordon Brown forderte Karsai auf, ein Programm für die Einheit Afghanistans aufzulegen und die Korruption zu bekämpfen. Er habe darüber mit Karsai am Telefon gesprochen, sagte Brown vor dem britischen Unterhaus.
    UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der zu einem nicht angekündigten Besuch nach Afghanistan gereist war, begrüßte die Entscheidung der Wahlkommission und gratulierte Karsai zur zweiten Amtszeit.
    Die Bundesregierung bedauerte den Rückzug Abdullahs. "Wir hätten uns gewünscht, dass er antritt", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin vor der Verkündung von Karsais Wahlsieg. Das Ziel müsse sein, in Afghanistan eine "legitime Regierung" als Ansprechpartner zu haben.
  • In der Nähe des Hauptquartiers der pakistanischen Armee hat ein Selbstmordattentäter am 2. Nov. Dutzende Menschen mit in den Tod gerissen. Nach Polizeiangaben wurden bei dem Attentat vor einem Einkaufszentrum in Rawalpindi mindestens 35 Menschen getötet und mehr als 60 verletzt. Laut Darstellung eines Polizeisprechers steuerte der Attentäter auf einem Motorrad auf eine Schlange von Arbeitern zu, die vor einer Bank für ihre Gehälter anstanden, und zündete den Sprengsatz. Es ist der zweite schwere Anschlag in Pakistan in nur einer Woche. Am 28. Okt. war die Großstadt Peshawar im Nordwesten Pakistans von einem schweren Autobombenanschlag erschüttert worden, bei dem mehr als 130 Menschen starben.
    Das Einkaufszentrum in Rawalpindi nahe der Hauptstadt Islamabad beherbergt neben der Bank und Geschäften auch ein Luxushotel. Nicht weit entfernt befindet sich das Hauptquartier der pakistanischen Streitkräfte. Dort hatten erst Anfang Oktober islamistische Rebellen das Quartier gestürmt. Bei Kämpfen und einer Geiselnahme waren mindestens 19 Menschen getötet worden.
  • Aus Furcht vor Anschlägen wollen die Vereinten Nationen alle internationalen Mitarbeiter aus dem Nordwesten Pakistans abziehen. Eine UN-Sprecherin sagteam 2. Nov., die Beschäftigten in der Nordwest-Grenzprovinz und in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan würden »unverzüglich« versetzt. Ende Oktober hatte bereits das Welternährungsprogramm die Verteilung von Lebensmittelhilfen im Nordwesten Pakistans eingestellt. Zuvor waren bei einem Anschlag auf den Sitz der UN-Organisation in Islamabad fünf Mitarbeiter ums Leben gekommen. Bei einer Serie von Anschlägen starben in Pakistan in den vergangenen zwei Jahren fast 2400 Menschen. Die meisten Attentate werden der Taliban-Organisation Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) zugeschrieben.
  • Aus Süd-Waziristan, wo derzeit 30 000 pakistanische Soldaten in einer Großoffensive gegen Taliban- Kämpfer vorgehen, meldete die pakistanische Armee am 2. Nov. einen weiteren Erfolg: Die Taliban-Hochburg Kanigurram sei eingenommen und »komplett von Terroristen befreit« worden, erklärte ein Armeesprecher. »Jedes Haus« sei durchsucht und das Gebiet von Minen und Bomben befreit worden. Erst vor gut einer Woche hatte die Armee das Heimatdorf Kotkai des gesuchten TTP-Führers Hakimullah Mehsud nach erbitterten Kämpfen eingenommen.
  • Die neue Bundesregierung will das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr zunächst unverändert verlängern und erst nach der für Anfang 2010 geplanten internationalen Afghanistan-Konferenz über eine Truppenaufstockung entscheiden. Das berichtete die in Halle erscheinende "Mitteldeutsche Zeitung" am 3. Nov. unter Berufung auf die politische Führung des Bundesverteidigungsministeriums. Die Mandatsobergrenze für den Einsatz am Hindukusch liegt derzeit bei 4500 Soldaten.
  • Die Taliban verbuchen die Absage der Stichwahl in Afghanistan als Erfolg ihrer Einschüchterungskampagne. «Unsere tapferen Mudschahedin haben es geschafft, den gesamten Prozess zu stören», hieß es in einer am 3. Nov. im Internet veröffentlichten Erklärung.
  • Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich im Interview zu den Kämpfen in Afghanistan geäußert. Er zeigte Verständnis dafür, dass die Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan ihren Einsatz als Krieg ansehen. In Teilen Afghanistans gebe es fraglos kriegsähnliche Zustände, sagte er der "Bild"-Zeitung am 3. Nov. Viele Soldaten würden den Einsatz in Afghanistan als einen Krieg der Taliban gegen die Soldaten der internationalen Gemeinschaft empfinden, so Guttenberg weiter.
  • Einen Tag nach der Verkündung seiner Wiederwahl hat der afghanische Präsident Hamid Karsai den radikalislamischen Taliban die Hand ausgestreckt. "Wir rufen unsere Brüder der Taliban auf, nach Hause zurückzukehren und ihr Land anzunehmen", sagte Karsai am 3. Nov. Zugleich versprach er ein hartes Vorgehen gegen die Korruption. "Afghanistan ist von der Korruption diffamiert worden. Unsere Regierung ist von der Korruption diffamiert worden", sagte er. "Wir werden uns mit allen möglichen Mitteln bemühen, diesen Makel zu entfernen."
  • Die Taliban haben das von Afghanistans Präsident Hamid Karsai gemachte Gesprächsangebot zurückgewiesen. Bei Karsais Aufruf handele es sich um "leere Worte", sagte der Taliban-Sprecher Jussuf Ahmadi am 3. Nov. in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP in Kabul. Karsai habe derartige Erklärungen schon öfter abgegeben. "Wir messen diesem Friedensangebot von Karsai keinen Wert bei, weil wir wissen, dass dies leere Worte sind", sagte der Sprecher. Karsai sei eine "Marionette" und auch seine Regierung bestehe aus Marionetten. Der afghanische Präsident habe nicht die Autorität, eine derartige Entscheidung zu treffen.
  • Im Norden Afghanistans sind erneut Bundeswehrsoldaten angegriffen worden. Wie die Bundeswehr am 3. Nov. in Kundus mitteilte, wurden deutsche und belgische Soldaten der NATO-Truppe ISAF rund 15 Kilometer westlich des Lagers des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) in Kundus mehrfach von Aufständischen mit Handwaffen und Panzerabwehrwaffen beschossen. Die Soldaten erwiderten das Feuer. Der Angriff ereignete sich den Angaben zufolge bereits am 2. Nov., verletzt wurde niemand.
  • Bundesaußenminister Guido Westerwelle ist bei seinem Antrittsbesuch bei der NATO mit der Forderung nach mehr Soldaten für Afghanistan konfrontiert worden. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte nach dem Treffen am 3. Nov. vor Journalisten in Brüssel: «Wann immer ich Politiker aus NATO-Staaten treffe, spreche ich mit ihnen über Soldaten, denn wir brauchen weitere Beiträge für unseren Einsatz in Afghanistan.»
    Er habe besonders «die Notwendigkeit zusätzlicher Ausbilder» für die afghanischen Sicherheitskräfte hervorgehoben, sagte Rasmussen. Westerwelle erklärte mit Blick auf die im Dezember anstehende Erneuerung des Bundeswehr-Mandats für Afghanistan: «Wir haben jetzt eine Mandatsdiskussion ja vor uns. Der werde ich jetzt von dieser Stelle aus nicht vorgreifen.»
  • SPD und Linke sehen die Bundeswehr durch den NATO-Bericht über den Angriff auf Tanklaster in Afghanistan belastet. "Aus dem Bericht geht hervor, dass eine akute Gefahrensituation konstruiert wurde, die so nicht vorhanden war", sagte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold der Berliner "Tageszeitung" (Ausgabe vom 4. Nov.). Dies habe zu Fehlentscheidungen in Zusammenhang mit dem Luftangriff Mitte September geführt, bei dem zahlreiche Menschen getötet worden waren, darunter nach unterschiedlichen Berichten auch unbeteiligte Zivilisten.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem US-Kongress in Washington zu einem gemeinsamen Vorgehen in Afghanistan aufgerufen. "Erfolgreich werden wir sein, wenn wir ... jeden Schritt gemeinsam gehen", sagte Merkel am 3. Nov. in ihrer Rede vor beiden Kammern des Kongresses. Ziel für Afghanistan müsse eine "Übergabestrategie in Verantwortung" sein. Dabei bleibe die NATO der Eckpfeiler der gemeinsamen Sicherheit.
  • Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, lehnt eine Aufstockung des Truppenkontingents der Bundeswehr in Afghanistan ab. "Für die Anhebung der Mandatsobergrenze sehe ich im Moment keine Notwendigkeit", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (4. Nov.). Das richtige Vorgehen sei, einmal wirklich zu bilanzieren, "wo wir in Afghanistan stehen - und zwar ohne Schönfärbung". Auf Grundlage dieser Erkenntnisse müssten die Schlussfolgerungen gezogen werden. Das gelte nicht nur für den militärischen, sondern insbesondere für den zivilen Einsatz. Die Defizite nach acht Jahren Präsenz in Afghanistan seien groß, und die Bilanz sehe "insgesamt nicht sehr gut" aus, sagte Kirsch. Die Bundesregierung will das Mandat, das eine Obergrenze von 4500 Soldaten vorsieht, dem Bericht zufolge bis zum 13. Dezember zunächst unverändert verlängern. Nach der geplanten internationalen Afghanistan-Konferenz soll dann die Anhebung der Obergrenze im Rahmen eines neuen Mandats geprüft werden.
  • In dem NATO-Bericht zur Aufklärung des von dem deutschen Oberst Georg Klein angeordneten Luftangriffs auf zwei entführte Tanklastwagen in Afghanistan werden offenbar schwere Vorwürfe gegen die Bundeswehr erhoben. Das berichtet die "Kölnische Rundschau" am 4. Nov. unter Berufung auf den als geheim eingestuften Bericht. So hätten sich die US-Piloten der angeforderten Kampfflugzeuge fünf Mal versichert, ob sie die beiden entführten Tanklastzüge tatsächlich bombardieren sollen, obwohl wichtige Einsatzregeln für diesen Befehl nicht eingehalten würden. Weiter wird in dem NATO-Bericht laut "Kölnischer Rundschau" darauf hingewiesen, es hätten sich zum Zeitpunkt des Angriffs weder Bodentruppen bei den Tanklastzügen aufgehalten, noch sei vor der Bombardierung das Hauptquartier der internationalen ISAF-Truppe eingeschaltet worden. Auch sei eine "Gefahr im Verzug", mit der Klein seine Anforderung begründet hatte, nicht nachvollziehbar gewesen, da die benzinbeladenen Lkw auf einer Sandbank am Ufer des Kundus-Flusses festsaßen.
    Darüber hinaus fiel der ISAF-Führung laut Bericht auf, dass ein afghanischer Nachrichtenermittler außergewöhnlich häufig, nahezu im Minutenabstand, betont habe, dass sich ausschließlich Terroristen an den Tanklastzügen aufhielten.
    Besonders scharfe Kritik übt die NATO laut "Kölnischer Rundschau" an der Kommunikation des Bundesverteidigungsministeriums. Es sei unverständlich, dass der damalige Minister Franz Josef Jung (CDU) und die Bundeswehr-Führung wider besseres Wissen noch zwei Tage nach dem Luftschlag erklärt hätten, dass es keine zivilen Opfer gegeben habe.
  • Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sieht den von dem deutschen Oberst Georg Klein angeordneten Luftangriff auf zwei entführte Tanklastwagen in Afghanistan offenbar kritischer als sein Vorgänger Franz Josef Jung (CDU). Nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung" (Ausgabe vom 5. Nov.) geht die politische Spitze des Ministeriums nun auf Distanz zur Version von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Jung, wonach Klein "militärisch angemessen" reagiert habe. Laut dem Blatt wird Guttenberg am 5. Nov. die Obleute der Bundestagsfraktionen im Verteidigungsausschuss über seine Sicht unterrichten.
  • Beim Angriff einer unbemannten US-Drohne auf ein pakistanisches Stammesgebiet an der Grenze zu Afghanistan sind nach pakistanischen Militärangaben mindestens vier radikalislamische Aufständische getötet worden. Die Drohne habe mitten in der Nacht zwei Raketen auf die Häuser eines örtlichen Stammesführers im Dorf Norak abgefeuert, sagte ein ranghoher Militärvertreter am 5. Nov. der Nachrichtenagentur AFP. Drei weitere Kämpfer seien bei den Angriffen verletzt worden. Laut einem Sicherheitsbeamten wurden die Häuser und das dazu gehörende Gelände von Taliban-Kämpfern genutzt.
    Norak liegt in Nord-Waziristan, einer Bastion der Taliban. Da das Gebiet für Journalisten unzugänglich ist, lassen sich die Angaben der Armee nur schwer überprüfen. Vor rund drei Wochen startete die pakistanische Armee im benachbarten Süd-Waziristan eine Bodenoffensive gegen die dort lebenden Taliban.
  • NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat Bedingungen für das weitere Engagement der Allianz in Afghanistan gestellt. Präsident Hamid Karsai müsse für eine "starke und glaubwürdige Regierung" sorgen und entschieden gegen Korruption kämpfen, sagte Rasmussen am 5. Nov. der Nachrichtenagentur AFP in Brüssel. "Wir werden so lange wie nötig in Afghanistan bleiben, aber sicher nicht für immer", betonte er. Derzeit stehen rund 71.000 Soldaten am Hindukusch unter NATO-Kommando.
  • Der französische Außenminister Bernard Kouchner hat den deutschen Einsatz in Afghanistan scharf kritisiert. Die deutschen Soldaten seien "nicht dort, um zu kämpfen", sagte er in einem Gespräch mit ausländischen Journalisten, das am 5. Nov. unter anderem von der "New York Times" und der "Financial Times" veröffentlicht wurde. Zudem warf er den NATO-Verbündeten Deutschland und USA eine mangelnde Abstimmung mit Frankreich in Afghanistan vor. Die NATO funktioniere in Afghanistan "überhaupt nicht", sagte Kouchner den Angaben zufolge.
  • Wegen des von ihm angeordneten Luftangriffs auf zwei entführte Tanklastwagen in Afghanistan gerät der deutsche Oberst Georg Klein zunehmend unter Druck. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, schloss ein Strafverfahren gegen Klein nicht mehr aus. Auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sieht den Einsatzbefehl inzwischen offenbar kritisch.
    Die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen wird voraussichtlich am Freitag ( Nov.) ihren Bericht zu dem Luftangriff vorlegen. Das Vorprüfungsverfahren liege "in den letzten Zügen", sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein der Nachrichtenagentur AFP. Nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung" und der "Mitteldeutschen Zeitung" wird ein Strafverfahren immer wahrscheinlicher. Wie die LVZ unter Berufung auf Dresdner Justizkreise berichtet, deutet "manches" darauf hin, dass die Dresdner Staatsanwaltschaft gegen Klein ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung von Zivilisten einleiten könnte.
  • Das Verteidigungsministerium in Berlin hat die Kritik des französischen Außenministers Bernard Kouchner am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zurückgewiesen. "Es geht in Afghanistan um mehr, als ums Kämpfen", sagte ein Sprecher des Ministeriums am 5. Nov. auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. Für die Bundeswehr komme es darauf an, dass in dem Land der "vernetzte Ansatz" in Abstimmung mit der NATO umgesetzt werde. Dies umfasse neben der Herstellung der Sicherheit auch Aufgaben wie den Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte oder die Regierungsführung in Afghanistan. Dies sei unverändert die Richtschnur für das NATO-Engagement.
  • Angesichts der angespannten Lage in Afghanistan bringen die Vereinten Nationen vorübergehend 600 Mitarbeiter an sichereren Orten innerhalb und außerhalb des Landes unter. UN-Sprecher Aleem Siddique sagte am 5. Nov., die Maßnahme solle mehrere Wochen dauern. Am 28. Oktober waren bei einem Anschlag auf die UN-Mission in Kabul fünf UN-Mitarbeiter getötet worden. Es war der folgenschwerste Angriff auf eine UN-Einrichtung in dem rund 50-jährigen Engagement der Weltorganisation in Afghanistan.
  • Der deutsche NATO-Befehlshaber der Truppen in Afghanistan, General Egon Ramms, hat den Abzug hunderter ausländischer UN-Mitarbeiter aus Afghanistan kritisiert. Er sei "nicht sehr zufrieden" mit der Entscheidung der UN-Mission in Afghanistan (UNAMA), sagte Ramms am 5. Nov. im Kommandobunker in Innich nahe der Grenze Deutschlands zu den Niederlanden. Indem das Personal abgezogen werde, könnten die "erforderlichen Fortschritte" nicht erzielt werden. UNAMA-Chef Kai Eide hatte den Abzug von rund 600 der 1100 internationalen Beschäftigten nach dem Anschlag auf ein UN-Gästehaus in Kabul angeordnet, bei dem Ende Oktober fünf ausländische UN-Mitarbeiter und zwei Polizisten getötet wurden. Die Zusammenarbeit zwischen den Militärs und der UN-Mission sei für die Entwicklung Afghanistans wichtig, unterstrich General Ramms. "Wiederaufbau und Sicherheit hängen voneinander ab." Der NATO-Befehlshaber beklagte den Rückgang der Akzeptanz des Einsatz bei der afghanischen Bevölkerung. "Die Uhr läuft gegen uns", fügte Ramms hinzu. Vor vier Jahren habe die Unterstützung durch die Afghanen bei 80 Prozent gelegen, nun sei sie auf 52 Prozent zurückgegangen.
  • Mit seinem Befehl zur Bombardierung zweier Tanklastzüge in Afghanistan hat ein deutscher Bundeswehr-Oberst nach Ansicht von NATO-Ermittlern gegen Befehle und Dienstanweisungen verstoßen. Dies gehe aus dem noch geheimen Untersuchungsbericht hervor, sagten hochrangige NATO-Offiziere am 5. Nov. der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Brüssel. Vor allem hätte Bundeswehr-Oberst Georg Klein nicht selbst die Bombardierung durch US-Kampfjets anordnen dürfen. Die Entscheidung zur Bombardierung hätte nur der Kommandeur der Afghanistan-Schutztruppe ISAF, US-General Stanley McChrystal, treffen dürfen. Klein hätte ohne Rücksprache mit McChrystal Waffengewalt lediglich bei einer direkten Gefährdung seiner Soldaten einsetzen dürfen: «Er war in diesem Fall nicht für den Befehl zuständig.»
    Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen am 6. Nov. in Berlin über den Untersuchungsbericht informieren. Er wird sich auch erstmals öffentlich zu dem Luftangriff äußern. Das Verteidigungsministerium dementierte am Abend des 6. Nov. einen Zeitungsbericht, wonach sich Guttenberg dabei von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan distanzieren werde. Der Vier-Sterne-General hatte in der vorigen Woche erklärt, er sehe die Bundeswehr durch den NATO-Bericht entlastet und habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass Oberst Georg Klein militärisch angemessen gehandelt habe. Die Opposition hält diese Bewertung nach Einsicht in den Bericht für unzulässig.
  • Ein Psychiater des amerikanischen Heeres hat auf dem größten Militärstützpunkt der USA in Fort Hood zwölf Menschen erschossen und 31 verletzt. Er erlitt bei einem Schusswechsel mit Sicherheitskräften schwere Verletzungen und befindet sich unter Bewachung im Krankenhaus des Stützpunktes, teilte der Kommandeur des in Fort Hood stationierten III. Heereskorps, Generalleutnant Bob Cone, am 5. Nov. mit.
    Ein Kollege des mutmaßlichen Täters, der pensionierte Oberst Terry Lee, sagte im Fernsehsender Fox, Hasan habe gehofft, dass Obama die Truppen aus Afghanistan und dem Irak zurückholt. Er habe sich oft mit Kameraden gestritten, die für die Einsätze gewesen seien. Gegen eine Versetzung in die Konfliktgebiete habe er gekämpft.
    US-Präsident Barack Obama sprach von einem «entsetzlichen Ausbruch der Gewalt», dessen Hintergründe rückhaltlos aufgeklärt würden. «Wir werden sicherstellen, dass jede einzelne Frage zu diesem schrecklichen Zwischenfall beantwortet wird», sagte Obama.
  • Der britische Premierminister Gordon Brown hat die afghanische Regierung der Korruption beschuldigt und dringende Reformen angemahnt. «Ich bin nicht bereit, die Leben britischer Männer und Frauen in Gefahr zu bringen für eine Regierung, die nichts gegen Korruption unternimmt», sagte Brown am 6. Nov.
    Ein Erfolg in Afghanistan sei entscheidend für die Sicherheit Großbritanniens, und London lasse sich von keinerlei Maßnahmen abbringen, die für diese Sicherheit nötig seien. Doch wenn Präsident Hamid Karsai nichts unternehme, werde er die internationale Unterstützung verlieren. Diese hänge von seinem Verhalten in fünf Schlüsselbereichen ab: «Sicherheit, Regierungsführung, Versöhnung, wirtschaftliche Entwicklung und Dialog mit Afghanistans Nachbarn». Sollte die Regierung in Kabul diese fünf Prüfungen nicht bestehen, «wird sie nicht nur ihr eigenes Volk im Stich gelassen haben, sie hat dann auch ihr Recht auf internationale Unterstützung verwirkt», sagte Brown.
  • Im Westen Afghanistans werden seit Mittwoch (4. Nov.) zwei NATO-Soldaten vermisst. Die beiden Soldaten seien bei einem routinemäßigen Nachschubeinsatz verschwunden, teilte die NATO-geführte Afghanistan-Truppe ISAF am 6. Nov. in Kabul mit. Internationale und afghanische Einheiten hätten eine Suchaktion gestartet. Die Nationalität der Soldaten war zunächst nicht bekannt.
  • Die beiden im Westen Afghanistans vermissten NATO-Soldaten sind offenbar ertrunken. Die Leichen der Soldaten seien aber noch nicht gefunden worden, sagte ein Verantwortlicher der Polizei aus der Provinz Badghis am 6. Nov. der Nachrichtenagentur AFP. Demnach hatte die NATO am Mittwoch aus der Luft Material für einen entlegenen NATO-Stützpunkt abgeworfen. Einige der Packstücke seien in einen nahegelegenen Fluss gefallen. Die Soldaten seien bei dem Versuch ertrunken, diese zu bergen.
  • Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Wiederwahl des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai trotz der chaotischen Umstände anerkannt. In einer Erklärung vom Abend des 6. Nov. fordert der Sicherheitsrat Karsai eindringlich auf, gegen Korruption und Rauschgifthandel vorzugehen. Er müsse sich für die nationale Einheit und die Verbesserung der Sicherheitslage einsetzen.
  • Die von der Bundeswehr angeordneten Luftangriffe auf zwei entführte Tanklastwagen in Afghanistan sind nach Ansicht von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) "militärisch angemessen" gewesen. Er hege keine Zweifel an der Einschätzung von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, "nämlich dass die Militärschläge und die Luftschläge vor dem Gesamtbedrohungshintergrund als militärisch angemessen zu sehen sind", sagte Guttenberg am 6.Nov. in Berlin. Daneben führte er einen "wichtigen politischen Punkt" an, wonach der NATO-Untersuchungsbericht Verfahrensfehler festgestellt habe. Darüber müsse gesprochen werden, sagte Guttenberg. (Hier geht es zum ganzen Mittschnitt der Pressekonferenz.)
  • Der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, Oberst Ulrich Kirsch, hat die Kampfhandlungen in Afghanistan gegenüber der "Bild"-Zeitung" als Krieg bezeichnet. Die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen, die Unterlagen zum Bombenangriff auf zwei Tanklaster im Norden Afghanistans mit zahlreichen getöteten Zivilisten der Bundesanwaltschaft zu übergeben, sei ein Beleg dafür, dass am Hindukusch Krieg herrsche, sagte Kirsch der Ausgabe des Blatts vom 7. Nov. Dieses zitierte ihn mit den Worten: "Die Justiz zeigt, worum es hier geht: Um einen nicht-internationalen bewaffneten Konflikt, also um Krieg".
  • Der grüne Bundestagsabgeordnete und frühere UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, hat das Vorgehen von Bundeswehr-Oberst Georg Klein bei dem Luftangriff am 4. September nahe Kundus kritisiert. "Die Lage verlangte nicht nach einem Akt der Selbstverteidigung", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 7. Nov.). Klein habe genug "Zeit gehabt", um die Situation anders zu lösen. "Man hätte zivile Opfer vermeiden können." Der Nato-Befehlshaber für Afghanistan, Stanley McChrystal, habe vor dem Zwischenfall angeordnet, dass Luftschläge bei Gefahr für Zivilisten unterbleiben sollten, so Koenigs. Klein habe die "Tragweite" der Anordnung "nicht erkannt".
  • Afghanistan hat empört Vorwürfe des Westens gegen Präsident Hamid Karsai zurückgewiesen, wonach dieser nicht genug gegen die Korruption im Land unternimmt. Solche Aussagen "widersprechen den anerkannten internationalen Normen", erklärte das Außenministerium in Kabul am 7. Nov. Zudem werde mit den Vorwürfen die afghanische Souveränität verletzt. In den vergangenen Tagen hatten unter anderem Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) , US-Präsident Barack Obama, der britische Regierungschef Gordon Brown und UN-Missions-Chef Kai Eide von Karsai verlangt, härter gegen Korruption und Vetternwirtschaft vorzugehen.
  • Der Sicherheitsberater des Weißen Hauses, General James Jones, hat sich kritisch zu Forderungen von US-Militärs nach einer Entsendung weiterer 40 000 Soldaten nach Afghanistan geäußert. «Generäle fordern immer zusätzliche Truppen», so Jones in einem Gespräch mit dem Magazin «Spiegel» (7. Nov.).
    «Ich bin überzeugt, dass wir die Probleme vor Ort nicht allein durch den Einsatz von Militär lösen.» Es gebe keine Obergrenze, die das Problem lösen würde. «Wir könnten 200 000 Soldaten dort im Einsatz haben, und das Land wird sie aufsaugen, wie es das in der Vergangenheit schon getan hat.» Stattdessen brachte Obamas oberster Sicherheitsberater eine Übertragung von Verantwortung auf afghanische Institutionen und einen Rückzug der NATO-Streitkräfte ins Gespräch.
    «Unser Ziel muss es sein, in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Regierungsapparat baldmöglichst Verantwortung an die Afghanen zu übertragen», sagte er. Diese Rückübertragung von Verantwortung solle «innerhalb kürzest möglicher Zeit» erfolgen. Auf die Frage, wie lange die US-Truppen in Afghanistan bleiben sollen, sagte er: «Ich weiß nicht genau, wie lange. Aber ich weiß, dass unser Präsident und andere Regierungschefs darauf drängen, alles zu unternehmen, dass die Afghanen Verantwortung übernehmen.»
    In der Bedrohungsanalyse des Sicherheitsberaters spielen nicht die Taliban, sondern das Terrornetz El Kaida, das laut dem Bericht vor allem aus Pakistan heraus operiert, die wichtigste Rolle: «Unser Ziel ist es, das El-Kaida-Netzwerk zu besiegen und zu zerstören. El Kaida ist die größte Gefahr für Amerika und für Europa, denn diese Leute schrecken vor nichts zurück.»
  • Bei einem NATO-Angriff im Westen Afghanistans sind nach Regierungsangaben sieben einheimische Soldaten und Polizisten getötet worden. Das Verteidigungsministerium in Kabul erklärte am 7. Nov., in der Provinz Badghis sei versehentlich ein gemeinsamer Stützpunkt der Koalitionstruppen und afghanischer Sicherheitskräfte getroffen worden. Bei den Todesopfern handelt es sich demnach um vier afghanische Soldaten und drei Polizisten. Der Angriff habe sich am Vortag (6. Nov.) im Bezirk Marghab ereignet, sagte ein Ministeriumssprecher. 16 Sicherheitskräfte seien verletzt worden.
  • Union und FDP wollen eine zentrale Gerichtsbarkeit für Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz aufbauen. Politiker von Union und FDP begründeten das Vorhaben mit Problemen, die zuletzt im Zusammenhang mit dem umstrittenen Luftangriff auf Tanklaster in Afghanistan deutlich geworden seien. Das Verfahren wegen des Luftangriffs in Afghanistan belege, dass die deutsche Justiz schlecht aufgestellt sei. "Wir brauchen dringend eine zentral zuständige Staatsanwaltschaft und Gerichtsbarkeit für Auslandseinsätze der Bundeswehr", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg van Essen, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Ausgabe vom 7. Nov.). Diese solle am Sitz des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam angesiedelt werden.
    Auch der Unions-Sicherheitsexperte Hans-Peter Uhl (CSU) sagte der Zeitung, es werde rasch eine zentrale Zuständigkeit für Strafverfahren gegen Soldaten geben. "Die heutige Rechtslage ist eine Zumutung für die Soldaten", argumentierte der CSU-Politiker.
  • Ein Selbstmordattentäter hat am 8. Nov. auf einem belebten Markt im Nordwesten Pakistans mindestens zwölf Menschen mit in den Tod gerissen. Der Anschlag richtete sich offenbar gegen den Bürgermeister der Stadt Adazai, der sich im Kampf gegen die Taliban engagierte, wie die Polizei mitteilte. Unter den Todesopfern war demnach ein kleines Mädchen, rund 25 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Bürgermeister Abdul Malik hatte die Taliban früher unterstützt, dann aber die Seiten gewechselt. Seitdem seien mehrere Anschläge auf ihn verübt worden, erklärte ein Polizeisprecher in Peshawar.
  • In Südafghanistan sind erneut zwei britische Soldaten getötet worden. Sie fielen Explosionen in der Provinz Helmand am 7. und 8. Nov. zum Opfer, wie das Verteidigungsministerium in London mitteilte. Die Zahl der im Afghanistan-Einsatz ums Leben gekommenen britischen Soldaten ist damit auf 232 gestiegen. Großbritannien stellt mit 9.000 Soldaten nach den USA das zweitgrößte Kontingent für die internationalen Truppen am Hindukusch. Im Oktober hat die Regierung die Entsendung von 500 weiteren zugesagt.
  • Bei einer Militäraktion von afghanischen und US-Spezialeinheiten in unmittelbarer Nähe des Bundeswehrstandorts in Nordafghanistan sind offenbar weit mehr als hundert Taliban-Kämpfer getötet worden. Eine Sprecherin der US-Armee sagte "Spiegel Online" am 8. Nov., dass die am Wochenende (7./8. Nov.) von afghanischen Politikern genannte Zahl von 133 getöteten Taliban "sehr nahe" an den Erkenntnissen der US-Armee liege. Sie bestätigte ebenfalls, dass bei der "großflächigen Operation" über fünf Tage lang Luftangriffe geflogen wurden.
    Dem Bericht zufolge war es der bisher massivste Einsatz gegen die radikalen Islamisten im Einsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan. Ziel war die Tötung hochrangiger Taliban-Führer rund um die Ortschaft Gul Tepa. Der Gouverneur von Kundus, Omar, bezeichnete den Einsatz als "ersten richtigen Schlag gegen die Taliban". Dieser sei nur möglich gewesen, "weil uns die USA endlich beim Kampf gegen die Taliban geholfen haben".
    Angeführt wurde der Einsatz von US-Eliteeinheiten, die im Rahmen der Anti-Terror-Mission "Operation Enduring Freedom" (OEF) agieren und nicht unter dem Mandat der Nato-Schutztruppe Isaf stehen. Die Bundeswehr war nach Informationen von "Spiegel Online" zwar von den USA vorab über den Einsatz informiert, hielt sich aber aus den Angriffen heraus. Der deutsche General Jürgen Setzer, der das Regionalkommando Nord und alle deutschen Truppen führt, lehnte demnach eine Beteiligung ab.
  • Bundesaußenminister Guido Westerwelle will noch in diesem Jahr nach Afghanistan reisen. Das kündigte er am 8. Nov. bei der Aufzeichnung der ARD-Sendung «Beckmann» an. Auf eine entsprechende Frage antwortete Westerwelle nach Angaben der Redaktion: «Man kann davon ausgehen.»
    Westerwelle fordert von der afghanischen Regierung mehr Korruptionsbekämpfung. «Wir können nicht so tun, als sei alles in einem idealen Zustand - überhaupt nicht, ganz im Gegenteil», sagte er.
    Eine konkrete Jahreszahl für einen möglichen Truppenabzug wollte Westerwelle nicht nennen. Auch wenn er die Bedenken in der deutschen Bevölkerung hinsichtlich des Afghanistan-Einsatzes «sehr gut verstehen» könne, sei es seine Aufgabe, «dass keine kopflosen, undurchdachten Entscheidungen gefällt werden, die unsere eigene Sicherheit in Europa verringern». Zum jetzigen Zeitpunkt sei ein militärischer Rückzug keine Alternative: «Am selben Tag, im selben Monat würden die Taliban wieder die Macht haben», sagte der Minister. Afghanistan «würde das große Rückzugsgebiet des Terrorismus. Das ist die eigentliche Gefahr für uns und Europa.»
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat nach internationaler Kritik die Weltgemeinschaft mitverantwortlich für die Korruption in seinem Land gemacht. Die Projekte der Geberländer seien schlecht strukturiert und ihre Umsetzung von Bestechung begleitet, sagte er am 8. Nov. in einem Interview des US-Senders PBS. Zuletzt hatte ihn auch der UN-Sicherheit zu einem entschlossenen Vorgehen gegen Korruption und Drogenhandel aufgerufen. «Wir werden ihn (Karsai) weiterhin drängen, seine Versprechen einzuhalten», sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.
    Karsai erklärte in dem PBS-Interview, er hoffe, dass die Probleme in Afghanistan gemeinsam angegangen werden könnten. Wer mit Korruption zu tun habe, werde in seiner Regierung keinen Platz finden, betonte der Präsident. Dennoch reagierte die Regierung in Kabul verärgert auf internationale Kritik. Das Außenministerium warf Afghanistan-Chef Kai Eide am 7. Nov. vor, er habe seine Autorität überschritten und gegen internationale Normen verstoßen, indem er die Korruption gebrandmarkt habe. In den vergangenen Tagen hätten sich «politische und diplomatische Zirkel und Propagandaagenturen aus bestimmten Ländern in die inneren Angelegenheiten Afghanistans eingemischt und damit die nationale Souveränität verletzt.»
  • In Großbritannien bröckelt der Rückhalt für den Afghanistan-Einsatz. Angesichts von inzwischen 231 getöteten britischen Soldaten hält die Mehrheit der Briten den Kampf gegen die Taliban für aussichtslos. Sie wünscht sich eine Rückkehr der 9000 am Hindukusch stationierten Soldaten. Mit der «Independent on Sunday» rückte am 8. Nov. erstmal eine große nationale Zeitung von dem umstrittenen Einsatz öffentlich ab. In einer BBC-Umfrage meinten fast zwei Drittel der befragten Briten, der Krieg sei nicht mehr zu gewinnen.
  • Der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow hat den USA von einer Truppenverstärkung in Afghanistan abgeraten und stattdessen einen vollständigen Truppenabzug empfohlen. Afghanistan brauche keine weiteren Soldaten, sagte Gorbatschow am 8. Nov. in einem Interview mit dem Nachrichtensender CNN. Stattdessen sollten die USA den Dialog mit Kabul intensivieren. In Gorbatschows Amtszeit von 1985 bis 1991 fiel der Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan im Jahr 1989. Auch er habe damals über eine Truppenverstärkung am Hindukusch nachgedacht, sagte Gorbatschow. "Wir haben darüber diskutiert, das ist sehr lange her. Aber wir haben uns dagegen entschieden." Die Erfahrungen der Sowjetunion sollten berücksichtigt werden, sagte Gorbatschow. Die US-Regierung berät derzeit in Washington mit der Militärführung über eine Aufstockung ihrer Truppen in Afghanistan.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat bei der Regierungsbildung ein entschlossenes Vorgehen gegen Korruption versprochen. In der neuen Regierung werde es "keinen Platz" für korrupte Mitarbeiter geben, sagte Karsai dem US-Fernsehsender PBS in einem Interview am 8. Nov. Zugleich wies er Korruptionsvorwürfe gegen seinen Bruder Ahmed Wali Karsai zurück. Er habe die USA und die Europäer nach Beweisen gefragt, und nie eine Antwort bekommen.
Montag, 9. November, bis Sonntag 15. November
  • Bei Kämpfen im Norden von Afghanistan sind nach NATO-Angaben mindestens 130 Aufständische getötet worden. An dem Einsatz in der Provinz Kundus waren laut dem Verteidigungsbündnis rund 700 afghanische und etwa 50 internationale Soldaten beteiligt. Mindestens acht Kommandeure der Taliban seien bei den Kämpfen in den vergangenen sechs Tagen getötet worden, teilte die NATO am 9. Nov. mit.
    Deutsche Soldaten waren nach Angaben aus Berlin nicht an dem Einsatz beteiligt. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte, es handele sich um eine Operation unter afghanischer Führung mit US-Beteiligung unter dem Mandat Operation Enduring Freedom. Die internationale Schutztruppe ISAF sei informiert worden, sei aber nicht beteiligt. Die Provinz Kundus an der Grenze zu Tadschikistan gehört zum Haupteinsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan, die sich dort an der NATO-Mission ISAF beteiligt.
  • In einer vertraulichen Botschaft an den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai hat die britische Regierung weit deutlicher und klarer als je zuvor eine Machtbeteiligung der Taliban gefordert. Am 9. Nov. veröffentlichte die Onlineausgabe des Hamburger Magazins stern einen Bericht über ein Memo der britische Regierung. Darin werden die Existenz der sogenannten Quetta Schura anerkannt eine Versöhnung und ein Friedensschluss mit diesem in Pakistan ansässigen obersten Führungszirkel der Taliban gefordert. Bislang wurde nur gefordert, dass eine mögliche Amnestie nur für die "Fußsoldaten" und lokale Kommandeure gelten soll. Laut Memo soll der afghanische Geheimdienst NDS den Taliban-Kommandeuren ein Ende der Kampfhandlungen anbieten, wenn die Taliban im Gegenzug die Waffen schweigen lassen. Einziges Ausschlusskriterium für die Versöhnung sind für die Briten die Verbindungen der Taliban zu al Kaida. Sie müssten gekappt werden.
    Allerdings hatte die Taliban-Führung in den vergangenen Monaten ohnehin begonnen, sich von dem Terrornetzwerk zu distanzieren. Auch Pakistan soll in den Kurswechsel mit einbezogen werden: Laut britischem Memo soll dem Land nun ein weitreichendes Vetorecht für afghanische Belange eingeräumt werden. Stabilität in Afghanistan werde sich nur erreichen lassen, "wenn Afghanistans Nachbarn die Gewissheit haben, dass Afghanistan sich nicht mit einem ihrer Feinde verbünden wird", heißt es laut stern.de. Damit dürfte Indien gemeint sein, Pakistans Erzfeind. Karsai hat in den vergangenen Jahren damit begonnen, intensive Beziehungen zu Indien aufzubauen.
    Der neue Ansatz ist auf einen Zeitraum von zwei Jahren angelegt, er sieht zudem Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption und Drogenhandel sowie zur Wirtschaftsförderung vor. Für das Ziel, eine Verhandlungslösung mit der obersten Talibanführung zu erreichen, wird in dem Papier laut stern.de dagegen keine Frist genannt.
  • US-Außenministerin Hillary Clinton hat von Afghanistans Präsident Hamid Karsai ein entschlossenes Vorgehen gegen Korruption verlangt. Karsai müsse die Korruption in seinem Land "ausmerzen", sagte Clinton am 9. Nov. nach einem Treffen mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) in Berlin. Voraussetzung für jedes Engagement Deutschlands und der USA zur Stabilisierung des Landes sei ein "noch größeres Engagement" von afghanischer Seite im Kampf gegen die Korruption.
    Neue amerikanische Anforderungen an die Bundeswehr in Afghanistan wurden während des Besuchs nicht laut. Clinton bedankte sich nochmals ausdrücklich für die deutsche Unterstützung. Derzeit sind in Afghanistan etwa 4200 deutsche Soldaten im Einsatz. Westerwelle sagte, zunächst müsse jetzt eine gemeinsame Strategie ausgearbeitet werden. Erst dann gehe es um die Frage, «wie das alles umgesetzt wird». Zudem werde der deutsche Beitrag zum Aufbau der afghanischen Polizei international sehr geschätzt. - Clinton war anlässlich der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des Mauerfalls nach Berlin gereist.
  • Die Streitkräfte in Afghanistan haben nicht nur mit den Taliban zu kämpfen - auch die Schweinegrippe macht den Truppen immer stärker zu schaffen. Wie das afghanische Gesundheitsministerium am 9. Nov. erklärte, sind von 779 registrierten Grippekranken 710 Soldaten. Nach Angaben von Gesundheitsminister Amin Fatemi gehören 320 Patienten zu den internationalen Truppen, 390 zur einheimischen Armee. Unter den bisher elf Schweinegrippe-Toten in dem Land sei auch ein afghanischer Soldat.
    Anfang November hatte die Regierung beschlossen, Schulen und Universitäten für drei Wochen zu schließen. Wer Fieber hat, soll zu Hause bleiben. Bei milderen Symptomen der Krankheit sind die Betroffenen gehalten, in der Öffentlichkeit eine Maske zu tragen.
  • US-Präsident Barack Obama hat sich angeblich entschieden, Zehntausende zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Das berichtete der US-Sender CBS am Abend des 9. Npovember unter Berufung auf «informierte Kreise». Demnach plant Obama die Stationierung einer «großen Zahl» weiterer Soldaten, die «fast», aber «nicht ganz» dem Umfang entspreche, die der US-Kommandeur in Afghanistan, Stanley McChrystal, angefordert habe. Der General will 40 000 zusätzliche Soldaten. Zur Zeit sind in dem Land 68 000 Amerikaner stationiert.
  • Japan hat der afghanischen Regierung umgerechnet 3,4 Milliarden Euro für den Wiederaufbau des Landes zugesagt. Das Geld solle über einen Zeitraum von fünf Jahren ab 2010 ausbezahlt werden, bestätigte das Außenministerium in Tokio am 10. Nov. einen Bericht der Nachrichtenagentur Jiji Press. Die Zahlungen würden voraussichtlich über internationale Organisationen wie das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) abgewickelt. Das Geld soll demnach vor allem für die Wiedereingliederung von früheren Taliban-Kämpfern in die Gesellschaft und den Wiederaufbau der Hauptstadt Kabul verwendet werden.
    Unbestätigten Medienberichten zufolge will Japan auch Afghanistans Nachbarland Pakistan mit umgerechnet 1,4 Milliarden Euro unter die Arme greifen. Die Regierung von Japans neuem Ministerpräsidenten Yukio Hatoyama hatte nach dem Amtsantritt im September angekündigt, sie werde die logistische Unterstützung mit Tankschiffen für die NATO und US-geführten Militäreinsätze in Afghanistan beenden. Im Gegenzug versprach Hatoyama mehr Entwicklungshilfe für Afghanistan. Am 14. Nov. wird US-Präsident Barack Obama zu einem Staatsbesuch in Japan erwartet.
  • Die Bundeswehr hat mit der Schweinegrippe-Impfung ihrer Soldaten in Afghanistan begonnen. An den Standorten Feysabad, Masar-i-Sharif und Kundus seien am Wochenende (7./8. Nov.) große Teile der Truppe geimpft worden, erklärte der Sanitätsdienst am 10. Nov. in München. Alleine in Feysabad seien bereits mehr als 300 von insgesamt rund 500 Personen behandelt worden. Die Impfung sei sehr gut angenommen worden, erklärte ein Oberstabsarzt vor Ort.
  • US-Außenministerin Hillary Clinton setzt auf Deutschlands Unterstützung für eine neue Afghanistan-Strategie der USA. Es müsse verhindert werden, "dass Afghanistan wieder eine Zuflucht für Terroristen wird", sagte Clinton am 10. Nov. auf MDR INFO. "Wir hoffen, Deutschland wird dabei sein, denn es ist in unser aller Sicherheitsinteresse", sagte Clinton. Die Aufständischen suchten "nur eine Gelegenheit, Deutschen, Amerikanern, Briten oder Franzosen Schaden zuzufügen". Die US-Chefdiplomatin würdigte zugleich den Beitrag Deutschlands in Afghanistan. "Deutschland hat nicht nur Truppen geschickt - und Verluste und Opfer bei diesen Truppen hinnehmen müssen. Deutschland hat auch zivile und finanzielle Unterstützung geleistet", sagte Clinton. Deutschland habe zudem die "Erfahrung und Expertise" für die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte. "Es gibt also eine Reihe von Möglichkeiten, wie Deutschland mitmachen kann", führte die US-Außenministerin aus.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am 10. Nov. in einer Regierungserklärung im Bundestag, der Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan müsse "in eine neue Phase" geführt werden. Der "Kampfeinsatz" in Afghanistan fordere Deutschland "in ganz besonderer Weise". Mit den Bündnispartnern, der afghanischen Regierung und den Ländern der Region solle Anfang kommenden Jahres bei der geplanten Afghanistan-Konferenz besprochen werden, "wie und mit welchen konkreten Schritten" eine neue Phase gestaltet werden könne. "Wir wollen eine Übergabestrategie in Verantwortung festlegen", sagte Merkel. Von der Regierung in Kabul werde unter anderem eine gute Regierungsführung erwartet. (Hier geht es zur ganzen Rede von Merkel.)
  • NATO- und afghanische Soldaten haben bei einer gemeinsamen Razzia in der südafghanischen Stadt Kandahar 250 Tonnen an Material zum Bau von Bomben sichergestellt. Wie die NATO am 10. Nov. mitteilte, wurden bei dem Einsatz am 8. Nov. unter anderem 226 Tonnen Ammoniumnitrat-Dünger sichergestellt, der oft zum Bau von Bomben benutzt wird. Zudem wurden 5.000 Teile gefunden, die offenbar dem Bau von Bomben dienen sollten, die am Straßenrand versteckt werden. 15 Verdächtige wurden festgenommen. In einem nahen Lagerhaus wurden weitere 4.000 Düngersäcke zu je 45 Kilogramm gefunden.
    Ein vom Fernsehsender Al Dschasira ausgestrahltes Video zeigte unterdessen Aufständische in Ostafghanistan, die über Munition und Minen mit US-Kennzeichnung verfügten. «Es scheint US-Ausrüstung zu sein», sagte ein NATO-Sprecher. Laut Al Dschasira brachten die Aufständischen die Ausrüstung nach Angriffen auf zwei Außenposten in ihre Gewalt. Rund 200 Aufständische hatten am 3. Oktober gemeinsame Stützpunkte der US- und der afghanischen Streitkräfte in der Provinz Nuristan angegriffen. Die US-Streitkräfte gaben den Stützpunkt später auf, erklärten jedoch, sie hätten keine Munition zurückgelassen. (AP, 10.11.2009)
  • Der neue Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat Kontinuität in der deutschen Außenpolitik zugesichert. In seiner ersten Rede vor dem Bundestag als Ressortchef hob Westerwelle am 10. Nov. jedoch hervor, dass "Kontinuität nicht verwechselt werden darf mit Ideenlosigkeit". Die neue Regierung setze den Weg der Friedenspolitik und eines wertegeleiteten Kurses fort. Auch stehe Schwarz-Gelb wie die Regierungen zuvor für eine Einbindung Deutschlands in die Völkergemeinschaft. Westerwelle bekräftigte in seiner Antrittsrede vor dem Parlament, dass er sich dafür einsetzen wolle, dass in den deutsch-polnischen Beziehungen eine ebenso enge Freundschaft wie im deutsch-französischen Verhältnis möglich werde. Daher habe ihn seine erste Auslandsreise nach Polen geführt. Er wolle zudem, dass in Europa für die kleinen Staaten "gleiche Augenhöhe, Respekt" gelte. Dabei solle auch die Sprache so gewählt werden, "dass sich niemand in unseren Nachbarländer beleidigt oder gekränkt fühlen muss", sagte er. Er bot der Opposition zudem eine faire Zusammenarbeit bei Themen wie Afghanistan an.
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) dringt auf klare Zeit- und Zielvorgaben für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in Afghanistan an die einheimischen Sicherheitskräfte. "In Afghanistan sind wir noch nicht am Ziel", räumte Guttenberg am 10. Nov. im Bundestag ein, fügte aber hinzu: "Wir können unser Ziel der Übergabe der Verantwortung in Afghanistan erreichen." Dafür habe die Ausbildung der afghanischen Soldaten und Polizisten weiterhin eine Schlüsselrolle. Des Weiteren hat zu Guttenberg eindringlich vor einer Verharmlosung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan gewarnt. Die Soldaten stünden häufig in zum Teil intensiven Gefechten. Gefahr, Verwundung und auch Tod seien allgegenwärtig. «Das dürfen wir nicht mit bürokratischen Formeln weichzeichnen», forderte Guttenberg. «Ich plädiere dafür zu sagen, was ist. Und die Menschen in unserem Lande können mehr Wahrheit vertragen, als wir uns bisweilen trauen ihnen zuzutrauen.» «In Teilen von Afghanistan herrscht für mich ohne Zweifel ein Zustand, ... der in der Sprache des Völkerrechts durchaus als ein nicht internationaler bewaffneter Konflikt beschrieben werden kann», sagte Guttenberg in seiner ersten Rede als Verteidigungsminister vor dem Bundestag. Kriege könnten laut Völkerrecht zwar nur zwischen Staaten geführt werden. Die Soldaten verlangten aber zurecht, dass ihr Einsatz realistisch beschrieben werde - ohne jede Beschönigung, aber auch ohne jede Übertreibung. «Und ich kann deshalb gut verstehen, dass unsere Soldaten angesichts der kriegsähnlichen Situation ... von Krieg sprechen», sagte der CSU-Politiker.
  • Die Bundeswehr soll nach dem Willen von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) noch stärker zu einer Einsatzarmee umgewandelt werden. Vorschläge dafür soll eine Kommission bis Ende nächsten Jahres erarbeiten, kündigte Guttenberg am 10. Nov. im Bundestag an. «Die Bundeswehr befindet sich in Einsätzen, und es werden nicht ihre letzten sein», unterstrich Guttenberg. Schließlich könne das Schutzverständnis nicht an den eigenen Landegrenzen enden. Das hätten schon die Missionen auf dem Balkan gezeigt, wo deutsche Soldaten in Bosnien ihren Beitrag zum Ende eines grauenvollen Bürgerkrieges geleistet und im Kosovo zur friedlichen Schaffung eines eigenständigen Staates beigetragen hätten.
  • Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat sich für eine internationale Afghanistan-Konferenz ausgesprochen. Diese müsse «sehr klare Ziele» und auch klare Zeitvorgaben setzen, sagte er am 11. Nov. im ARD-«Morgenmagazin». «Aus dieser Konferenz heraus wird man dann wahrscheinlich neue Schlüsse ziehen müssen. Aber wir beteiligen uns weiter an diesem Einsatz, und das nicht zu knapp.» Guttenberg wollte die Entsendung weiterer Bundeswehrsoldaten an den Hindukusch nicht kategorisch ausschließen. «Wenn wir die Zielsetzungen neu justieren müssen nach einer solchen Afghanistan-Konferenz, dann werden wir über unsere eigene Ausstattung und unsere eigenen Möglichkeiten auch neu nachzudenken haben.» Wichtig sei jetzt, was die Amerikaner tun. «Da will ich erst mal verstanden haben, was das konzeptionell bedeutet.»
    In einem Interview des Magazins «Stern», worüber Agenturen am 11. Nov. berichteten, machte Guttenberg deutlich, dass die Frage eines Abzugs aus Afghanistan politisch immer bedeutender werde, sollten sich dort die Verhältnisse nicht verbessern. «Die Sankt-Nimmerleins-Haltung ist politisch nicht mehr tragbar. Das Wort 'Exit-Strategie' nehmen wir nicht mehr nur verschüchtert in den Mund, wie noch vor ein, zwei Jahren.» Der Minister sagte, er habe nicht vor, «das Thema Afghanistan gegenüber der Bevölkerung und den deutschen Soldaten verdruckst und verschwurbelt darzustellen».
  • Bei der Entscheidung über eine neue Afghanistan-Strategie zögert US-Präsident Barack Obama zwischen vier Szenarien. Bei einem Treffen mit hochrangigen Militärs will Obama am 11. Nov. die Möglichkeiten noch einmal durchgehen, sagte sein Sprecher Robert Gibbs. Einzelheiten zu den verschiedenen Afghanistan-Plänen nannte er nicht. Zugleich wies er vehement Medienberichte zurück, nach denen Obama seine Entscheidung über eine Truppenaufstockung am Hindukusch bereits getroffen habe. Wer das behaupte, habe "nicht die geringste Ahnung", sagt Gibbs.
  • Einer von zwei seit einer Woche im Westen Afghanistans vermissten US-Soldaten ist tot aufgefunden worden. Wie die NATO-geführte Afghanistan-Truppe ISAF am 11. Nov. in Kabul mitteilte, ergaben erste Ermittlungen, dass er wahrscheinlich ertrank. Die Suche nach seinem Kameraden werde fortgesetzt. Der stellvertretende Polizeichef in der Provinz Badghis, Abdul Dschabar Saleh, hatte zuvor bereits erklärt, die US-Soldaten seien im Distrikt Murghab bei dem Versuch ertrunken, in einen Fluss gefallene Nachschub-Pakete zu bergen.
  • Ein deutscher Soldat ist am 11. Nov. in einem Feuergefecht in Afghanistan verwundet worden. Wie die Bundeswehr auf ihrer Internetseite mitteilte, wurde am frühen Morgen eine aus deutschen und afghanischen Soldaten bestehende Patrouille rund fünf Kilometer südwestlich des Regionalen Wiederaufbauteams Kundus von Aufständischen beschossen. Die Patrouille habe das Feuer erwidert, dabei seien ein deutscher und ein afghanischer Soldat verwundet worden. Beide Soldaten seien in das Rettungszentrum Kundus geflogen worden. Weitere Erkenntnisse lägen derzeit nicht vor, teilte die Bundeswehr mit.
  • Der US-Botschafter in Kabul, Karl Eikenberry, hat laut Medienberichten vor der Entsendung zusätzlicher US-Soldaten nach Afghanistan gewarnt. Zunächst sollten Fortschritte der afghanischen Regierung im Kampf gegen Korruption und Missmanagement abgewartet werden. Eikenberry machte seine Bedenken in der vergangenen Woche in zwei vertraulichen Schreiben deutlich, berichteten «New York Times» und «Washington Post» am 11. Nov. unter Berufung auf US-Regierungsbeamte. Präsident Barack Obama kam am 11. Nov. erneut mit seinem «Kriegsrat» zusammen, um über die weitere Strategie in Afghanistan zu beraten. Entscheidungen wurden nicht gefällt. Mit seinen Bedenken gegen eine weitere Truppenaufstockung stellte sich Eikenberry, der frühere Oberkommandierende der US-Truppen in Afghanistan, klar gegen Einschätzungen seines Nachfolgers, General Stanley McChrystal, der die Entsendung von zusätzlich 40 000 US-Soldaten an den Hindukusch vorgeschlagen hatte.
    In einer Erklärung des Weißen Hauses vom 11. Nov. hieß es, dass der afghanischen Regierung klargemacht werden müsse, dass der US-Einsatz nicht unbefristet sei. Nach jahrelangem «beachtlichen Einsatz des amerikanischen Volks», müsse sich die Staatsführung in Afghanistan in «angemessener» Zeit verbessern.
  • Fünf schwedische Soldaten sind auf einer Patrouille im Norden Afghanistans verletzt worden, als ihr Fahrzeug von einer explodierenden Sprengfalle getroffen wurde. Ihr afghanischer Dolmetscher kam ums Leben, teilten die schwedischen Streitkräfte am 11. Nov. in Stockholm mit. Der Zwischenfall habe sich 40 Kilometer westlich von Masar-i-Scharif ereignet. Schweden ist in der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) mit 455 Soldaten vertreten.
  • Die Bilanz nach acht Jahren Afghanistan-Engagement fällt gemischt aus. Nach Auffassung des Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gibt es in einigen Bereichen Erfolge, in anderen Bereichen hätte es aber keine Fortschritte gegeben. Am Morgen des 12. Nov. war Guttenberg überraschend zu seinem Antrittsbesuch nach Afghanistan geflogen. Im Laufe des Tages stehen noch Gespräche mit afghanischen Regierungsvertretern auf dem Programm. Außerdem will Guttenberg deutsche Soldaten in Nordafghanistan besuchen. Bei der Landung in Kabul wurde zu Guttenberg vom deutschen Botschafter Werner Hans Lauk begrüßt. Anschließend wollte der Minister mit Karsai zusammenkommen.
  • Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, hat von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) klare Aussagen zum künftigen Afghanistan-Mandat der Bundeswehr verlangt. Guttenberg müsse seine Pläne für das weitere Mandat bald vorlegen und dürfe damit nicht bis zu der geplanten Afghanistan-Konferenz warten, sagte Arnold der in Halle erscheinenden «Mitteldeutschen Zeitung» (12. Nov.). «Es wäre unverantwortlich, wegen mangelnder personeller Möglichkeiten in Kundus weitere Risiken in Kauf zu nehmen», sagte Arnold. In der Region finden seit Monaten heftige Kämpfe statt. Der SPD-Politiker fügte hinzu: «Wenn die Bundesregierung meint, dass es ein Defizit gibt, dann muss sie jetzt einen Vorschlag unterbreiten.» Das aktuelle Mandat der Bundeswehr mit einer Obergrenze von 4500 Soldaten läuft im Dezember aus.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in der pakistanischen Stadt Peshawar sind am 13. Nov. mindestens sieben Menschen getötet und 35 verletzt worden. Der Täter habe ein mit Sprengstoff beladenes Auto vor das Haupttor der regionalen Zentrale des Geheimdienstes ISI gefahren, sagte Polizeichef Liaqat Ali Khan. Die nahe der Grenze zu Afghanistan gelegene Provinzhauptstadt Peshawar ist seit Tagen Schauplatz einer Welle von Anschlägen. Die zunehmende Gewalt steht offenbar in Zusammenhang mit einer Offensive der Regierungstruppen gegen islamische Extremisten in den Stammesgebieten von Süd-Waziristan. Der ISI war seit 2001 an zahlreichen verdeckten Operationen gegen das Terrornetzwerk Al Kaida beteiligt.
  • Bei zwei Selbstmordanschlägen auf die pakistanischen Sicherheitskräfte sind am 13. Nov. mindestens 16 Menschen getötet und rund 80 verletzt worden. Ein dreister Anschlag richtete sich ausgerechnet gegen eine regionale Zentrale des Geheimdienstes ISI, der für den Anti-Terror-Kampf zuständig ist. Hier wurden zehn Menschen getötet, darunter sechs Geheimdienstmitarbeiter. Nur eine Stunde später griff ein Selbstmordattentäter einen Polizeiposten an der Grenze zu Afghanistan an und tötete sechs Menschen.
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist am Morgen des 13.Nov. im nordafghanischen Kundus eingetroffen. Er will sich dort ein Bild von der Lage in der Region machen. Am 4. September waren dort auf Befehl eines deutschen Obersts zwei von Taliban entführte Tanklastwagen bombardiert worden. Bis zu 142 Menschen starben. Guttenberg hatte gestern Kabul besucht. Deutsche Soldaten seien in Afghanistan sicher noch eine Weile gefordert, sagte er. Der Einsatz müsse in absehbarer Zeit aber auch einmal verzichtbar sein.
  • Die deutschen Einsatzkräfte in Kundus in Nordafghanistan werden deutlich aufgestockt. Das gab Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am 13. Nov. bei einem Truppenbesuch in der Region bekannt. Grund ist die verschärfte Sicherheitslage. In Kundus sei nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen, sagte Guttenberg. Seinen Worten nach wird Mitte Januar eine zusätzliche Einsatzkompanie der Bundeswehr mit 120 Soldaten ankommen. Im Moment sind in Kundus 450 deutsche Einsatzkräfte.
  • Die NATO-Staaten könnten den Kampf gegen die Taliban in Afghanistan nach Angaben des britischen Premierministers Gordon Brown mit 5.000 weiteren Soldaten unterstützen. In einem BBC-Interview verteidigte Brown am 13. Nov. den Einsatz, erklärte aber auch, London müsse angesichts immer mehr getöteter Soldaten seine «Vorgehensweise anpassen». Die Regierungen in Washington und London «brauchen unsere anderen NATO-Verbündeten», sagte Brown. Wahrscheinlich könnten 5.000 weitere Soldaten in Afghanistan stationiert werden.
  • In der Debatte um die Zuständigkeit für strafrechtliche Ermittlungen gegen Bundeswehrsoldaten in bewaffneten Auslandseinsätzen lehnt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Einrichtung einer zentralen Gerichtsbarkeit ab. «Wir wollen kein neues Bundesgericht, keinen Wehrstrafgerichtshof, wie er nach dem Grundgesetz möglich wäre», sagte die Ministerin am 13. Nov.
  • Im Ringen um eine neue Afghanistan-Strategie der USA hat Präsident Barack Obama eine "baldige Entscheidung" angekündigt. Ob die US-Truppen am Hindukusch aufgestockt würden, werde bald entschieden, sagte Obama am 13. Nov. in Tokio, der ersten Station seiner Asienreise. Es werde zudem eine "transparente" Entscheidung sein: Die US-Bevölkerung müsse "genau verstehen, was wir machen und warum wir es machen", sagte er.
  • Wie zuvor Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) spricht nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von «kriegsähnlichen Zuständen in Teilen Afghanistans». Sie teile Guttenbergs Ansicht, sagte sie der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Ausgabe vom 14. Nov.). Auf der geplanten internationalen Afghanistan-Konferenz müsse festgelegt werden, bis wann die afghanische Regierung selbst für die Sicherheit in ihrem Land sorgen könne, forderte die Kanzlerin. Von dieser Perspektive hänge die künftige Strategie der internationalen Gemeinschaft ab und auch die Zukunft des Einsatzes deutscher Soldaten, sagte Merkel. Solange es eine solche Perspektive nicht gebe, solle die Anzahl der Bundeswehrsoldaten am Hindukusch unverändert bleiben. «Ich teile die Meinung von Verteidigungsminister zu Guttenberg, dass aus der Sicht unserer Soldaten kriegsähnliche Zustände in Teilen Afghanistans herrschen, auch wenn der Begriff Krieg aus dem klassischen Völkerrecht auf die jetzige Situation nicht zutrifft», sagte Merkel. «Von großer Bedeutung für die weitere Strategie der internationalen Gemeinschaft und damit auch Deutschlands ist die geplante Afghanistan-Konferenz zum Jahresbeginn», sagte sie weiter. Dort sollten mit der neuen afghanischen Regierung Zeithorizonte definiert werden für die Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten. «Wir wollen auf der Konferenz die Voraussetzungen für eine Übergabestrategie in Verantwortung schaffen. Bis dahin werden wir unser Mandat auf dem Niveau halten, was wir jetzt haben.»
  • Der selbst erklärte Drahtzieher der Anschläge vom 11. September, Khalid Sheikh Mohammed, sowie die vier weiteren Angeklagten sollen vor ein Zivilgericht in New York gestellt werden. Den fünf derzeit im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba inhaftierten Angeklagten droht die Todesstrafe. (AFP, 13. Nov.)
  • ngesichts der zunehmenden Gewalt in Afghanistan werden bei den dort stationierten US-Soldaten immer öfter psychische Probleme registriert. Stress, Depressionen, Angstzustände und andere mentale Erkrankungen sind dabei am häufigsten unter Soldaten verbreitet, die bereits ihren dritten oder vierten Auslandseinsatz absolvieren, wie aus zwei am 13. Nov. veröffentlichten Studien hervorgeht. Diese beschäftigen sich mit der Verfassung der US-Soldaten in Afghanistan und im Irak.
  • Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Ernst-Reinhard Beck, schließt eine Anhebung der Obergrenze des Afghanistan-Mandats von derzeit 4500 Soldaten nicht aus. Es müsse geprüft werden, ob die Obergrenze ausreiche, sagte der CDU-Politiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (14. Nov.). US-Präsident Barack Obama habe "offenbar" beschlossen, weitere 30.000 Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Es sei deshalb anzunehmen, dass die USA Wünsche an Deutschland herantragen würden. Die tatsächlich geforderte Zahl deutscher Soldaten in Afghanistan sei abhängig vom "militärischen Sachverstand".
  • Die Grünen bezweifeln, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit der für Kundus versprochenen Verstärkung von 120 zusätzlichen Infanteristen die Mandatsobergrenze von 4.500 Soldaten in Afghanistan einhalten kann. «Der Minister muss sich an Recht und Gesetz halten», zitierte der «Spiegel» in einer Vorabmeldung am 14. Nov. den Grünen-Verteidigungsexperten Omid Nouripour. Nouripour sagte, er befürworte die Verstärkung des Stützpunkts in Kundus zwar grundsätzlich. «Es ist aber nicht akzeptabel, wenn damit die Mandatsobergrenze von 4.500 Soldaten dauerhaft überschritten wird.» Guttenbergs Sprecher Steffen Moritz hatte am Freitag allerdings erklärt, die Grenze werde nicht überschritten.
  • Bei einem Selbstmordanschlag im nordwestpakistanischen Peshawar sind mindestens elf Menschen getötet und 26 weitere verletzt worden. Nach Angaben der Behörden vom 14. Nov. brachte der Attentäter seinen mit Sprengstoff beladenen Wagen an einem Kontrollposten der Polizei zur Explosion. Zu dem Anschlag bekannte sich die pakistanische Taliban-Organisation Tehreek-e-Taliban (TTP).
  • Der Hubschrauberkonvoi von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist laut einer Vorabmeldung der «Bild am Sonntag» kurz nach seinem Start auf dem deutschen Militärstützpunkt Kundus in Afghanistan unter Beschuss geraten. Weder der Helikopter des Ministers noch die beiden Begleithubschrauber seien aber getroffen worden und der Flug habe fortgesetzt werden können, berichtete die Sonntagszeitung bereits am Samstag, den 14. Nov. Zu Guttenberg hatte die deutschen Truppen in Afghanistan besucht und war am 13. Nov. nach Deutschland zurückgekehrt.
  • Afghanische und französische Truppen haben am 15. Nov. eine Offensive gegen militante Extremisten östlich von Kabul gestartet. Das Tagab-Tal gilt als Ausgangspunkt von Taliban-Angriffen auf die Hauptstadt. Es ist 50 Kilometer von Kabul entfernt.
    Nach Angaben des französischen Obersten Francis Chanson sind 700 französische und 100 afghanische Soldaten an der Offensive beteiligt. Das Gebiet soll auch für den Bau einer Straße gesichert werden, über die demnächst Nachschub aus Pakistan nach Norden rollen soll. In einer kontrollierten Region der Provinz Kapissa hätten bereits die Bauarbeiten begonnen, sagte Chanson.
  • In Südafghanistan ist am 15. Nov. ein britischer Soldat getötet worden. Der Soldat sei erschossen worden, als er in Sangin in der Unruheprovinz Helmand patrouillierte, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Die Zahl der in Afghanistan ums Leben gekommen britischen Truppen stieg damit auf 233.
  • Außenminister Guido Westerwelle will in den kommenden vier Jahren die Voraussetzungen für einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan schaffen. «Wir müssen in dieser Legislaturperiode mit dem Konzept der selbsttragenden Sicherheit in Afghanistan so weit kommen, dass eine Abzugsperspektive in Sicht gerät», sagte der FDP-Politiker am Abend des 15. Nov. in der ZDF-Sendung «Berlin direkt» und fügte hinzu: «Wir wollen nicht auf ewig in Afghanistan bleiben.»
    Als Voraussetzungen für einen Abzug nannte Westerwelle die Stärkung der Demokratie in Afghanistan sowie die Eindämmung der Korruption, zu der auch die afghanische Regierung ihren Anteil beitragen müsse.
  • Der internationale Flughafen von Kabul ist am Abend des 15. Nov. mit zwei Raketen angegriffen worden. Ziel war nach NATO-Angaben der militärische Teil des Geländes, verletzt wurde niemand. Im August hatten Extremisten vor der Präsidentenwahl in Afghanistan neun Raketen auf den Flughafen der Hauptstadt abgefeuert.
  • US-Außenministerin Hillary Clinton hat die afghanische Regierung zu einem härteren Durchgreifen gegen Korruption aufgefordert. Präsident Hamid Karsai müsse auch diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die sich an ziviler amerikanischer Hilfe für Afghanistan bereichert haben könnten, verlangte Clinton am 15. Nov. in einem ABC-Interview. Künftig müsse besser nachvollziehbar sein, wohin die Hilfe gehe und wen sie erreiche. Die Regierung von US-Präsident Barack Obama fordere zudem die Einrichtung eines Gerichts, um bedeutende Bestechungsfälle zu verfolgen, und eine neue Anti-Korruptions-Kommission, sagte die Außenministerin.
Montag, 16. November, bis Sonntag, 22. November
  • Der britische Premierminister Gordon Brown hat den militärischen Einsatz in Afghanistan gegen zunehmende Kritik im eigenen Land verteidigt. Im laufenden Jahr sei mehr gegen das Terrornetzwerk El Kaida erreicht worden als in all den Jahren seit dem Einmarsch in Afghanistan 2001, sagte Brown in einer Rede, die er am Abend des 16. Nov. in London halten sollte und deren Text vorab verbreitet wurde. El Kaida sei die "größte Bedrohung" für die nationale Sicherheit in Großbritannien. "Deshalb verteidige ich entschieden unser Vorgehen in Afghanistan und Pakistan", sagte Brown.
  • Der Kommandeur der französischen Truppen in Afghanistan, Brigadegeneral Marcel Druart, ist am 16. Nov. offenbar einem Anschlag militanter Extremisten entgangen. Nach Angaben eines französischen Militärsprechers schlugen auf dem Markt der Stadt Tagab östlich von Kabul zwei Raketen ein und töteten drei Kinder. 20 weitere Menschen wurden verletzt, NATO-Soldaten seien nicht darunter. Auf dem Marktplatz habe sich Druart mit Stammesältesten getroffen, die Raketen chinesischer Bauart schlugen nur rund zwölf Meter entfernt ein.
  • Außenminister Guido Westerwelle will in den nächsten vier Jahren die Voraussetzungen für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan schaffen. «Wir wollen nicht in Afghanistan auf ewig und drei Tage bleiben, sondern wir wollen, dass eine Abzugsperspektive sichtbar wird», sagte der FDP-Vorsitzende am 16. Nov. nach einem Treffen der Parteispitze in Berlin. Westerwelle sieht die Voraussetzungen für einen Truppenabzug aber noch lange nicht erfüllt. Die Afghanen müssten die Fähigkeit erlangen, selbst für die Sicherheit im Land zu sorgen. Notwendig sei der weitere Aufbau der afghanischen Polizei.
    Zu den weiteren Kriterien für eine Abzugsperspektive gehöre «gute Regierungsführung», sagte Westerwelle. Der wiedergewählte afghanische Präsident Hamid Karsai müsse in den nächsten Regierungsjahren entschieden gegen Korruption vorgehen. «Das ist nicht nur eine Haltung, die ich für Deutschland formuliere, sondern das ist eine Haltung, die alle Verbündeten auch zum Ausdruck bringen.» Eine Station auf dem Weg zur «selbst tragenden Sicherheit» sei die gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien angeregte Afghanistan-Konferenz, die Anfang nächsten Jahres stattfinden werde. Derzeit sind am Hindukusch etwa 4500 deutsche Soldaten im Einsatz.
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hofft, dass die Bundeswehr nächstes Jahr Teile Nordafghanistans an die einheimischen Sicherheitskräfte übergeben kann. «Wir hören, dass es in der NATO diese Zielsetzung gibt, dass man auch die Übergabe in Verantwortung darstellen kann», sagte zu Guttenberg am Abend des 16. Nov. am Rande des EU-Außen- und Verteidigungsministertreffens in Brüssel. «Diese Zielsetzung teilen wir grundsätzlich, aber sie muss an Kriterien gebunden sein, und diese Kriterien müssen erfüllt sein.»
  • Die Bundesregierung wird das Mandat für den Einsatz von AWACS-Aufklärungsflugzeugen über Afghanistan nicht verlängern. FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner sagte dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Ausgabe vom 17. Nov.) laut Vorabmeldung, es lägen nach wie vor keine Überfluggenehmigungen von Aserbaidschan und Turkmenistan vor. Koalitionskreise bestätigten am Abend des 16. Nov. der Nachrichtenagentur Associated Press, dass das Mandat nicht verlängert wird.
    «AWACS ist nicht zum Laufen gekommen», sagte Stinner dem Blatt. «Wir verlängern das Mandat jetzt nicht. Das wird erst geschehen, wenn es die Möglichkeit gibt, die Flugzeuge auch einzusetzen.» Der FDP-Politiker sprach von einer Blamage für die Vorgänger-Regierung.
    Das damals schwarz-rote Kabinett beschloss im Juni, bis zu 300 Soldaten der Bundeswehr mit den fliegenden Radarsystemen der NATO in den Einsatz zu schicken. Der Bundestag billigte die Entscheidung Anfang Juli. Der Einsatz ist bis zum 13. Dezember befristet. Allerdings konnten die Maschinen wegen der fehlenden Genehmigungen nie über Afghanistan eingesetzt werden.
  • Am 17. November äußerte sich auch der Verteidigungsminister zum AWACS-Einsatz: «Wir werden zunächst auf eine Neumandatierung von NATO-AWACS verzichten», erklärte Karl-Theodor zu Guttenberg in Berlin. Die fliegenden Radarsysteme sind wegen fehlender Überfluggenehmigungen von Aserbaidschan und Turkmenistan bislang noch nicht zum Einsatz gekommen. Sie sollten von Konya in der Türkei aus den Luftraum in Afghanistan überwachen.
    Guttenberg sagte, es sei noch nicht abzusehen, ob der AWACS-Einsatz tatsächlich stattfinden könne. Wenn die Voraussetzungen dafür vorlägen, könnte kurzfristig ein ergänzender Beschluss des Bundestages erfolgen. «Trotzdem stehen wir weiterhin hinter dem AWACS-Einsatz», erklärte der CSU-Politiker. Er habe die Vorgehensweise der Bundesregierung sowohl der NATO als auch in Afghanistan erläutert. «Dort äußert man Verständnis», erklärte der Minister.
    Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, begrüßte die Entscheidung, das Mandat nicht zu verlängern. «Der Vorgang zeigt auch, wie planlos die Afghanistan-Politik der letzten Bundesregierung war», sagte er. Sie habe dem Parlament außerdem im Sommer fälschlich suggeriert, dass die Einholung der Überflugrechte nur noch eine Formsache sei. So etwas dürfe sich nicht wiederholen.
  • „Der in Aussicht gestellte Teilabzug deutscher Soldaten aus Afghanistan ist nicht mehr als eine Beruhigungspille für die Öffentlichkeit“, kommentiert Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, die Debatte um Zeitpunkt und Bedingungen des Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan. Schäfer erklärt weiter:
    „Während Verteidigungsminister zu Guttenberg unverbindlich über den Abzug aus Afghanistan plaudert, bereitet die Bundeswehr zunächst die Aufstockung der Kampftruppen vor, und NATO-Generalsekretär Rasmussen ruft lauthals nach zusätzlichen Soldaten. Dass zu Guttenberg den Abzug obendrein an Bedingungen knüpft, die mit dieser Strategie militärischer Eskalation gerade nicht erfüllbar sind, stimmt nicht zuversichtlicher.
    Der Gedanke, die NATO könne in einer letzten großen Kraft- und Truppenanstrengung Afghanistan freikämpfen, der afghanischen Regierung noch schnell die Korruption verbieten und dann zügig und siegreich heimkehren, ist absurd. Selbsttragende Sicherheit in Afghanistan kann nicht militärisch erkämpft, sondern nur in Verhandlungen zwischen allen Konfliktparteien vereinbart und durch die Stärkung der Zivilgesellschaft, des staatlichen Gewaltmonopols und des wirtschaftlichen Wiederaufbaus gestützt werden.
    Die Fraktion DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, auf die Entsendung zusätzlicher Kampftruppen zu verzichten, und die bereits in Afghanistan stationierten Soldaten unverzüglich abzuziehen.“
  • Die Slowakei will ihren Truppenbeitrag für den NATO-Einsatz in Afghanistan auf 500 Mann verdoppeln. Dies geht aus einer am 17. Nov. vom Büro des britischen Premierministers Gordon Brown herausgegebenen gemeinsamen Erklärung hervor. Derzeit kämpft die Slowakei am Hindukusch mit 246 Soldaten gegen die Taliban. Die slowakische Regierung habe die Verdoppelung dieses Kontingents angekündigt, heißt es in der Erklärung. Zudem sollten die Truppen ein robusteres Mandat erhalten. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico hielt sich am 17. Nov. zu Gesprächen mit Brown in London auf.
  • US-Präsident Barack Obama ist von mehreren Abgeordneten seiner Demokratischen Partei aufgeforert worden, die geplante Aufstockung der US-Truppen in Afghanistan zu überdenken. "Wir haben Zweifel an der Entsendung zusätzlicher Truppen und an zusätzlichen Ausgaben zu Lasten der Steuerzahler, solange die Zielsetzung des Einsatzes unklar und die Methoden zur Evaluierung des Nutzens mangelhaft oder nicht vorhanden sind", heißt es in einem Schreiben von fünf Kongress-Abgeordneten, das am 17. Nov. veröffentlicht wurde.
  • Eine Umfrage der "Washington Post" und des Senders ABC ergab, dass die Ansichten der US-Bürger über den Einsatz weit auseinandergehen. 44 Prozent vertraten die Ansicht, der Militäreinsatz am Hindukusch seit 2001 habe sich gelohnt, mehr als die Hälfte - 52 Prozent - finden dies jedoch nicht. (AFP, 18. Nov.)
  • Die Hilfsorganisation Oxfam hat die internationale Staatengemeinschaft zu mehr Einsatz im Kampf gegen die Armut in Afghanistan aufgefordert. Als eine Ursache des Krieges müsse die Armut beseitigt werden, unter der fast jeder zweite Afghane zu leiden habe, erklärte laut AFP vom 18. Nov. der Geschäftsführer von Oxfam Deutschland, Paul Bendix. "Die Menschen in Afghanistan wollen endlich Frieden", sagte Bendix. Die internationale Gemeinschaft müsse dem zivilen Aufbau Vorrang vor militärischen Lösungen einräumen. "Die Menschen brauchen vor allem Arbeit", sagte Bendix. "Die afghanische Landwirtschaft muss stärker gefördert und die Infrastruktur verbessert werden." Zudem müsse der Schutz der Zivilbevölkerung "absolute Priorität" haben. In einer nicht-repräsentativen Oxfam-Studie gaben 70 Prozent der befragten Afghanen Armut und Arbeitslosigkeit als Hauptursache für den andauernden Konflikt in ihrem Land an. An zweiter Stelle nannten die Befragten die schwache afghanische Regierung sowie Korruption. Die Taliban wurden als drittwichtigste Ursache angesehen, gefolgt von der Einmischung von Nachbarstaaten. - Die Umfrage ist Teil des neuen Oxfam-Berichts über die Lage in Afghanistan. (The Cost of War. Afghan Experiences of Conflict, 1978 - 2009)
  • Das Bundeskabinett hat im Rahmen seiner Klausurtagung im brandenburgischen Meseberg am 18. Nov. die Verlängerungen der Bundeswehr-Mandate in Afghanistan, im Libanon und beim Anti-Terroreinsatz "Enduring Freedom" beschlossen. Für ein Jahr verlängert wird die deutsche Beteiligung an der NATO-Truppe ISAF in Afghanistan sowie an der US-geführten Operation Enduring Freedom (OEF) am Horn von Afrika und im Mittelmeer. Die Obergrenze für den ISAF-Einsatz in Afghanistan bleibt bei 4500 Soldaten. Darin enthalten sind auch 120 Soldaten, die Mitte Januar den Stützpunkt Kundus verstärken sollen. Das Mandat für den Einsatz von AWACS-Aufklärungsflugzeugen in Afghanistan wird dem Beschluss zufolge nicht verlängert.
    Der Bundestag muss den Verlängerungen noch zustimmen. Die erste Lesung ist für den 26. November geplant. Am 2. Dezember sollen die betreffenden Ausschüsse im Bundestag dazu tagen. Am 3. oder 4. Dezember ist die dritte Lesung geplant.
  • Deutsche Soldaten haben am 18. Nov. in Afghanistan zwei Autoinsassen beschossen und verletzt. Wie die Bundeswehr am Nachmittag auf ihrer Website berichtete, fuhren die beiden Personen am südöstlichen Ausgang von Kundus mit einem Auto auf eine deutsche Patrouille zu und reagierten weder auf Anweisungen noch auf «Sichtzeichen und Leuchtmittel». Daraufhin schossen die Bundeswehrangehörigen, um das Auto zu stoppen. Dabei seien zwei afghanische Fahrzeuginsassen verletzt worden, berichtete die Bundeswehr weiter. Sie seien in das Krankenhaus von Kundus gebracht und nicht lebensgefährlich verletzt, sondern «nach Angaben der Ärzte in stabilem Zustand». Die afghanische Staatspolizei (Afghan National Police, ANP) habe die weitere Untersuchung des Vorfalls übernommen, hieß es weiter.
  • Die afghanische Justiz will fünf ranghohe Politiker wegen Korruption vor Gericht bringen. Es lägen genug Beweise gegen zwei aktuelle und drei ehemalige Minister vor, sagte Generalstaatsanwalt Mohammed Eschak Aloko "Spiegel Online" (18. Nov.). Ihre Namen nannte er mit Verweis auf die Gesetzgebung nicht. Aloko zeigte sich aber sicher, dass die Verfahren "mit hohen Gefängnisstrafen" enden werden. Die fünf Anklagen seien Präsident Hamid Karsai bereits übergeben worden. "Der Präsident muss die Anklagen nur noch genehmigen, dann können die Prozesse losgehen", sagte Aloko.
    Beim Kampf gegen Korruption in Afghanistan soll nach Informationen von "Spiegel Online" auch die NATO-Truppe ISAF mitwirken. ISAF-Oberkommandeur Stanley McChrystal erließ dem Bericht zufolge einen Befehl an alle NATO-Truppen, vorliegende Beweise gegen korrupte Politiker und Beamte an die afghanischen Behörden zu melden und so Ermittlungen anzustoßen.
    Die NATO-Truppe bestätigte den bisher geheimen Befehl. "Die neue Regel befiehlt allen Kräften, ihre Erkenntnisse mit der afghanischen Regierung und geeigneten Strafverfolgungsbehörden zu teilen", heißt es laut "Spiegel Online" in einer Stellungnahme aus dem Hauptquartier in Kabul.
  • US-Präsident Barack Obama will den Krieg am Hindukusch noch während seiner Zeit im Weißen Haus beenden. «Ich würde es vorziehen, nichts dem nächsten Präsidenten zu hinterlassen», sagte Obama, der den Afghanistan-Konflikt von seinem Vorgänger George W. Bush «geerbt» hat, am 18. Nov. in einem Interview des Senders CNN.
    Obama machte in dem CNN-Interview seine Motive deutlich: «Was ich gern hätte ist, dass der nächste Präsident kommt und sagt: Ich habe einen reinen Tisch erhalten», betonte der Präsident. Seine derzeitige Amtsperiode endet im Januar 2013, danach könnte er sich für eine zweite vierjährige Amtszeit zur Wiederwahl stellen. Obama ist nach eigenen Angaben einer Entscheidung über den künftigen Afghanistan- Kurs «sehr nahe» und will sie «in den nächsten Wochen» bekanntgeben.
    In einem weiteren Interview des Senders NBC versprach Obama: «Diese Entscheidung wird uns auf einen Weg in Richtung Kriegsende führen.» Gefragt nach dem wiedergewählten afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, hielt sich Obamas Begeisterung ganz offensichtlich in Grenzen. «Ich denke, Präsident Karsai hat seinem Land in wichtiger Weise gedient», sagte er. «Er hat einige Stärken, aber er hat einige Schwächen.»
  • In der pakistanischen Stadt Peshawar an der Grenze zu Afghanistan sind am 18. Nov. durch einen Selbstmordanschlag vor einem Gerichtsgebäude zehn Menschen getötet worden. Das teilte die pakistanische Polizei mit. In Peshawar wurden innerhalb eines Monats acht Anschläge verübt, zu denen sich zumeist die radikalislamischen Taliban bekannten. Der Anschlag vom Donnerstag ereignete sich unweit des Hotels Pearl Continental, das im Juni Ziel eines Anschlags mit mindestens neun Toten war.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai ist am 19. Nov. für eine zweite fünfjährige Amtszeit vereidigt worden: Er legte in Kabul vor dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs den Amtseid ab. In seiner Antrittsrede versprach er ein entschlossenes Vorgehen gegen Korruption und Drogenkriminalität. Karsai bezeichnete Korruption als ein "gefährliches Problem". In Kabul soll es seinen Angaben zufolge bald eine Konferenz zu neuen Wegen im Kampf gegen die Korruption geben. Die "Kultur der Straflosigkeit" in seinem Land werde bald zu Ende gehen. Karsai versprach zugleich, den Kampf gegen den Anbau und den Handel von Drogen in Afghanistan zu verstärken. Drogen seien für Afghanistan eine "ernsthafte Bedrohung", sagte er. Die afghanische Regierung sei entschlossen, den Drogenanbau und -handel zu bekämpfen. Regierungsvertreter, die daran beteiligt seien, würden entlassen und vor Gericht gestellt, versicherte Karsai. Er stellte in Aussicht, dass Afghanistan in fünf Jahren die Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernehmen könne. Seinen früheren Herausforderer Abdullah Abdullah forderte er auf, sich einer Regierung der nationalen Einheit anzuschließen.
    Die Vereidigungszeremonie, die im afghanischen Fernsehen übertragen wurde, fand unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen im Präsidentenpalast statt. Neben Westerwelle waren auch US-Außenministerin Hillary Clinton und Pakistans Präsident Asif Ali Zardari anwesend. Westerwelle sagte, in der laufenden Legislaturperiode "müssen wir mit der selbsttragenden Sicherheit in Afghanistan so weit vorankommen, dass auch eine Übergabe der Verantwortung hier in Afghanistan erfolgen kann." Er fügte hinzu: "Wir wollen ja nicht in Afghanistan bis zum Sankt Nimmerleinstag bleiben, auf ewig und drei Tage gewissermaßen."
  • Für die in Meseberg beschlossene Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr signalisierte Oppositionsführer Steinmeier Zustimmung der SPD. Man werde dies beraten. «Wenn es zu keiner Erhöhung des deutschen Kontingents kommt, dann werden wir die Verlängerung des ISAF-Mandats mittragen», sagte er am 19. Nov.
    In der CSU gibt es dagegen noch Diskussionsbedarf über die vom Kabinett beschlossene Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes. CSU-Sicherheitsexperte Hans-Peter Uhl forderte eine Abzugsperspektive als Bedingung für eine Zustimmung im Bundestag. «Über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes ist das letzte Wort noch nicht gesprochen», sagte Uhl laut neuer «Osnabrücker Zeitung» (19. Nov.). «Eine Zustimmung der CSU erfordert eine klare Strategie der Bundesregierung für den Abzug aus Afghanistan.»
  • Bei einem Anschlag im Süden von Afghanistan sind am 19. Nov. zwei US-Soldaten getötet worden. Ein NATO-Sprecher erklärte, die beiden seien in der Provinz Sabul von einer Bombe in den Tod gerissen worden. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt. Der stellvertretende Polizeichef der Provinz, Dschilani Farahe, sagte, ein Selbstmordattentäter habe seinen Sprengsatz in der Nähe des Tors eines NATO-Stützpunktes gezündet. Es seien keine Zivilpersonen zu Schaden gekommen.
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf einem Markt im Süden von Afghanistan sind am 19. Nov. mindestens zehn Menschen getötet worden, darunter zwei Jungen im Alter von 12 und 14 Jahren. Der stellvertretende Polizeichef der Provinz Urusgan, Gulad Khan, sagte, mindestens 13 weitere Zivilpersonen seien teils schwer verletzt worden. Der Attentäter hatte offenbar einen Konvoi der afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel, zündete seinen Sprengsatz aber kurz vor Erreichen der Wagenkolonne auf einem belebten Markt, wie Khan weiter sagte. Drei der Toten seien Jungen, die auf dem Markt Plastiktüten verkauften. Sieben Läden wurden bei der Explosion schwer beschädigt. Der Sprecher des Innenministeriums, Semeri Baschari, sagte, ein Polizist habe versucht, den Attentäter zu stoppen. Daraufhin habe er seinen Sprengsatz gezündet. Auch Baschari zufolge waren alle Opfer Zivilpersonen.
  • Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat bei seinem Truppenbesuch in Nordafghanistan den Einsatz der Bundeswehr gelobt. "Ich bin sehr stolz auf unsere deutschen Landsleute, die hier arbeiten", sagte Westerwelle am 19. Nov. im Bundeswehr-Feldlager bei Masar-i-Scharif. Bei der Grundsteinlegung für eine neue Polizeischule in der Nähe des Lagers kündigte er zudem weitere Hilfe zur Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte an. "Wir müssen dafür sorgen, dass es eine selbsttragende Polizei in Afghanistan gibt", sagte Westerwelle. Dies sei für das Land eine "entscheidende Herausforderung".
  • Verteidigungsminister zu Guttenberg stellte während seiner Antrittsbesuche bei seinem Kollegen Robert Gates und Präsidentenberater James L. Jones in den USA am 19. Nov. klar, dass Deutschland seine Vorstellungen über diese Einsätze selbstbewusst einbringen und vertreten werde, und belegte dies mit dem Beispiel der «vernetzten Sicherheit» (comprehensive approach), die in Afghanistan sowohl Hilfe zum Wiederaufbau als auch militärische Maßnahmen einschließt und mittlerweile auch in die Überlegungen der US-Regierung zum künftigen Engagement in Afghanistan Eingang gefunden hat. Auch darüber sei in Amerika zu erst hämische Bemerkungen wie «typisch deutsch» gefallen, sagte Guttenberg. Er wiederholte, Deutschland werde erst nach den Vereinigten Staaten und nach der Afghanistan-Konferenz im Januar entscheiden, ob das jetzt zur Verlängerung anstehende Mandat für die Bundeswehr am Hindukusch eine andere Obergrenze als die bisherigen 4.500 Soldaten haben wird. Er ließ ausdrücklich offen, in welche Richtung dann entschieden werde.
    Für die Konferenz umriss er den deutschen Ansatz so, dass von der afghanischen Regierung mehr verlangt werde als nur «Dauerlächeln», sondern eigene Anstrengungen zur Übernahme von Verantwortung. Zweitens müsse die Regionalisierung voranschreiten, sowohl in dem Sinne, dass einzelne Regionen des Landes in die Sicherheitsverantwortung lokaler Behörden übergeben würden, als auch insofern, als die Nachbarstaaten Zentralasiens sowie Pakistan, Iran und Indien in die Strategien einbezogen würden.
    Außerdem müsse man sich wahrscheinlich von der Vorstellung verabschieden, in Afghanistan eine Demokratie nach westlichem Muster errichten zu können. «Dann wird das eine unendliche Geschichte», sagte der Minister in seiner auf Englisch gehaltenen Rede. Vielmehr gehe es darum zu verhindern, dass von Afghanistan Gefahren ausgehen, die bis in die westlichen Demokratien ausstrahlten. «Klare Ziele, klare Vorgaben» forderte er von der Konferenz.
    US-Verteidigungsminister Gates warb für ein stärkeres Engagement der Verbündeten der USA in Afghanistan, ohne dies aber mit einer direkten Aufforderung an Deutschland zu verbinden.
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Routine machen. «Was heute eine Ausnahmesituation ist, muss zur Selbstverständlichkeit werden», sagte der CSU-Politiker am 19. Nov. bei einer Veranstaltung der seiner Partei nahe stehenden Hanns-Seidel-Stiftung im Zentrum für internationale und strategische Studien in Washington. Zur Begründung führte Guttenberg die seit der Wiedervereinigung gewachsene Bedeutung Deutschlands in einer global vernetzten Welt an.
  • Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai nach dessen Vereidigung für eine weitere Amtzseit zum entschlossenen Handeln aufgefordert. "Wir brauchen mehr als nur das ständige Lächeln des Präsidenten. Die afghanische Regierung muss handeln", sagte Guttenberg am 19. Nov. in einer Rede vor dem Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington. Konkret nannte Guttenberg neben der Verbesserung der Sicherheitslage und dem Wiederaufbau des Landes auch den Kampf gegen die Korruption. Guttenberg skizzierte drei Stufen auf dem Weg zu einer Neujustierung des deutschen Engagements in Afghanistan. Erstens müssten klare und nachprüfbare Ziele formuliert werden, wann der internationale Auftrag dort erfüllt sei, sagte der Minister mit Blick auf die im Januar geplante Afghanistan-Konferenz. "Zweitens müssen wir sicherstellen, dass alle relevanten Akteure ihre Rolle spielen", fügte Guttenberg hinzu. Drittens werde dann Deutschland auf dieser Grundlage über eine Anpassung seines Einsatzes entscheiden.
  • Ein Selbstmordattentäter hat am 20. Nov. in der westafghanischen Stadt Farah 13 Menschen mit in den Tod gerissen. Der Mann fuhr mit einem Motorrad auf einen belebten Platz und Polizisten forderten ihn noch kurz vor der Explosionen zum Anhalten auf, sagte der Polizeichef der Provinz Farah, Mohammed Fakir Askar. Unter den 30 Verletzten waren viele Kinder, sagte ein Arzt des Krankenhauses in der Provinzhauptstadt.
    Gouverneur Rohul Amin sagte, der Anschlag sei 50 Meter vor seinem Amtssitz verübt worden. Askar erklärte, die Aufständischen verübten derzeit wegen mehrerer Einsätze afghanischer und ausländischer Truppen in der Region viele Anschläge. Bei einem dieser Einsätze waren in der Provinz in dieser Woche fünf Aufständische getötet worden, darunter ein regionaler Taliban-Führer und ein Bombenbauer, fügte der Polizeichef hinzu.
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat eine politische Lösung des Konflikts in Afghanistan angemahnt. In der Hauptstadt Kabul bestimmten zwar Sicherheitskräfte und Soldaten das Bild, schrieb Guttenberg in einem Beitrag für die Zeitung "Die Welt" (Ausgabe vom 20. Nov.). Wer aber "die Probleme Afghanistans lösen will, muss dies politisch tun. Lediglich mehr Soldaten ist jedenfalls keine Lösung." Ohne einen Beitrag von Streitkräften wiederum sei eine dauerhafte Beruhigung der Lage in Afghanistan nicht zu haben, fügte der Minister hinzu.
  • Bei einem mutmaßlichen US-Drohnenangriff in den pakistanischen Stammesregionen an der Grenze zu Afghanistan sind am 20. Nov. mindestens acht Menschen getötet worden. Das unbemannte Flugzeug habe von Aufständischen genutzte Gebäude im Bezirk Mir Ali nordöstlich von Miranshah, der wichtigsten Stadt in der Provinz Nord-Waziristan, angegriffen, sagte ein hochrangiger Sicherheitsvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte, der Nachrichtenagentur AFP. Ein Vertreter der örtlichen Sicherheitskräfte bestätigte die Opferzahl. Seinen Angaben zufolge wurden bei dem Angriff auf ein Trainingsgelände der radikalislamischen Taliban in Palooseen auch Aufständische getötet, darunter Anhänger des Terrornetzwerks El Kaida.
  • SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier will die deutsche Beteiligung am US-geführten Anti-Terroreinsatz «Operation Enduring Freedom» (OEF) am Horn von Afrika beenden und im Bundestag gegen die Verlängerung des Mandats stimmen. «Wir sollten unsere Beteiligung an dieser Mission jetzt ganz beenden - die Bundeswehr sollte dieses Schiff lieber zum Schutz vor Piraten im Rahmen der Operation Atalanta einsetzen», sagte Steinmeier laut einer «Focus Online»-Meldung vom 20. Nov. Das werde er der Fraktion so vorschlagen. Noch in der Großen Koalition sei die deutsche OEF-Beteiligung in Afghanistan eingestellt worden. «Heute ist unter diesem Mandat nur noch ein Schiff am Horn von Afrika unterwegs.»
  • Westliche Geheimdienste befürchten trotz aller Versprechungen des wieder inthronisierten afghanischen Präsidenten Hamid Karsai kaum Veränderungen zu einer «guten Entwicklung» am Hindukusch. Vertreter der CIA, des Bundesnachrichtendienstes (BND) und anderer Dienste stellten am 20. Nov. in Kabul übereinstimmend die Frage, ob die Rechnung für einen tatsächlichen Wandel in Afghanistan aufgeht. Jetzt muss sich Karsai nach dem Hinweis der Geheimdienstler «erkenntlich zeigen». So würden in der Regierung auch Mohammed Fahim und Usbeken-General Abdul Raschid Dostum vertreten sein. Beiden werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Einer wird als Drogen- und Waffenschmuggler beschuldigt, den anderen bezeichnen Menschenrechtsorganisationen als Kriegsverbrecher.
    Die Ankündigung Karsais, eine Loja Dschirga, eine Große Ratsversammlung, einzuberufen, um auf diesem Wege die Taliban in den politischen Prozess Afghanistans einzubeziehen, wird von westlichen Geheimdienstexperten in Kabul und in Washington als ein «totgeborenes Kind» bezeichnet. Sie verwiesen auf die harte ablehnende Haltung der Taliban. Ihr Anführer Mullah Omar hat bisher stets erklärt, er komme erst an den Verhandlungstisch, wenn alle internationalen Truppe Afghanistan verlassen haben.
    Es gibt nach Aussage von Experten wahrscheinlich nur eine Lösung für die schweren Probleme am Hindukusch. Es müsse nach irakischem Vorbild vorgegangen werden, wie es seinerzeit US-General David Petraeus im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris erfolgreich versucht hat: Die ethnischen Gruppierungen auseinander dividieren und dafür auch «einiges Geld ausgeben».
    Ein «wichtiger Schlüssel» liege darüber hinaus im benachbarten Pakistan. Wenn es nicht gelinge, den gefährlich zunehmenden Einfluss der Taliban in Pakistan in den Griff zu bekommen, «werden wir in Afghanistan keine Ruhe hereinbringen», sagte ein CIA-Vertreter der Nachrichtenagentur ddp in Kabul. (ddp, 20. Nov.)
  • Deutschland wird bei einer von der NATO für den 7. Dezember angesetzten Truppenstellerkonferenz zum Afghanistan-Einsatz keine weiteren Soldaten zusagen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verwies während seines Antrittsbesuchs am 20. Nov. in Washington darauf, dass es in Deutschland bis zu dieser NATO-Konferenz im belgischen Mons noch keine Entscheidung geben werde. Das Prozedere in Deutschland sei den NATO-Partnern bekannt und werde von ihnen respektiert.
  • Einen Tag nach der Vereidigung von Afghanistans Präsident Hamid Karsai sind bei drei Anschlägen mindestens 23 Menschen getötet worden. Beim schwersten Anschlag in der Provinz Farah (siehe oben) starben fast ausschließlich Zivilisten.
    Auch die Explosion einer Bombe am Straßenrand in der östlichen Provinz Chost traf ausschließlich Unbewaffnete. Drei Insassen eines getroffenen Fahrzeugs starben nach Angaben der Polizei. Vier weitere Menschen, die offenbar alle derselben Familie angehörten, wurden verletzt. Karsai verurteilte die Anschläge in einer Stellungnahme als "brutale und unverzeihliche Angriffe auf Zivilisten".
    Ein Anschlag vor den Toren der Hauptstadt Kabul galt der Wagenkolonne des früheren Kriegsherren Abdul Rab Rasul Sajjaf. Nach Angaben der Distriktpolizei von Paghman starben fünf Leibwachen Sajjafs. Dessen Fahrzeug sei nicht beschädigt worden. Der Paschtune war einer der bekanntesten Kriegsherren des Landes sowohl in der Zeit der sowjetischen Besetzung (1979-1989) als auch während des Bürgerkrieges von 1992 bis 1994. Im Wahlkampf unterstützte er Präsident Karsai. Bei einem Selbstmordattentat im Südwesten des Landes starben 15 Menschen, bei Kabul kamen fünf Leibwachen eines bekannten Kriegsherren ums Leben.
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat eine positive Bilanz seines USA-Besuchs gezogen. «Hochkonstruktiv» und «extrem vertrauensvoll» seien die Gespräche aus Anlass seines Antrittsbesuchs gewesen, sagte der Minister am 22. Nov. in Washington kurz vor der Weiterreise nach Halifax. Die Ergebnisse der Reise dürften weitreichenden Einfluss auf die deutschen Töne im internationalen Sicherheits- und Verteidigungskonzert haben. Ein «Weiter so» werde es nach der für Ende Januar anberaumten Afghanistan-Konferenz in einer europäischen Hauptstadt auch für Deutschland nicht geben, sagte Guttenberg.
  • Die Bundesregierung soll für ihren umstrittenen Luftangriff in Afghanistan zahlen. Dutzende Angehörige von Opfern des Bombardement auf zwei Tanklastzüge im afghanischen Kundus fordern Entschädigungszahlungen. Der aus Afghanistan stammende Bremer Rechtsanwalt Karim Popal sagte dem «Weser-Kurier» (21. Nov.), dass er einen entsprechenden Brief an das Verteidigungsministerium geschickt habe. Bei dem Angriff am 4. September kamen laut NATO bis zu 142 Menschen ums Leben, darunter auch Zivilisten.
  • Ein 13-Jähriger ist im Süden Afghanistan ums Leben gekommen, als er auf Anweisung von Aufständischen eine Bombe verstecken sollte und diese vorzeitig hochging. Der Junge habe den Sprengsatz am 20. Nov. unter einer Brücke im Bezirk Sahri deponieren sollen und dabei im Auftrag von "Terroristen" gehandelt, teilte das Innenministerium in Kabul am 21. Nov. mit. Die Aufständischen "belügen Kinder und benutzen sie, um ihre schlimmen Ziele zu erreichen", hieß es weiter.
  • Bei einem derzeitigen Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan könnte die Regierung nach Ansicht des britischen Außenministers David Miliband nicht lange überleben. Die afghanische Regierung würde in diesem Falle innerhalb weniger Wochen zerbrechen, sagte Miliband der Zeitung «The Guardian» (Ausgabe vom 21. Nov.) nach einem Besuch in Kabul. Die Aufständischen würden die afghanischen Truppen sehr schnell überwältigen, erklärte der Minister.
  • Polizei in Afghanistan
    Schlecht bezahlt, schlecht ausgerüstet und schlecht ausgebildet - so schildern viele den Zustand der 93.000 Mann starken afghanischen Polizei. Sie ist die Schwachstelle in einer ehrgeizigen Sicherheitsstrategie, deren Ziel es ist, den Schutz des Landes in die Hände der Afghanen selbst zu legen, damit die internationalen Truppen sich aus dem Hindukusch zurückziehen können, heißt es in einem AP-Bericht vom 21. Nov.
    Die Ausbildung der Polizei sei im Vergleich zu den Streitkräften unzureichend, bemängelte Anthony Cordesman vom Zentrum für strategische und internationale Studien in Washington. «Die Polizeiführung ist viel schwächer, viel weniger ausgebildet und wesentlich korrupter», sagte Cordesman. Die Führungskräfte in der Polizei hätten oftmals Verbindungen zu Kriminellen, Drogenbossen und den Taliban. Diese Zustände müssten geändert werden, fordert Cordesman.
    Der afghanische Verteidigungsminister General Abdul Rahim Wardak betonte am 21. Nov. die Bedeutung der Polizeitruppe für die Entwicklung Afghanistans. Die Polizei sei «ein sehr entscheidender Faktor und das wichtigste Element unserer öffentlichen Sicherheit und der Strafverfolgung», sagte Wardak bei einer Feier zur Errichtung eines neuen NATO-Hauptquartiers, das den Ausbildungsstand der afghanischen Sicherheitskräfte verbessern und beobachten soll.
    Die afghanischen Polizisten auf der Straße und an Kontrollpunkten finden sich häufig direkt an der Front in dem andauernden Kampf gegen die Aufständischen. Ihr Risiko, getötet zu werden, ist dreimal höher als das der Soldaten. Von Januar 2007 bis Juli 2009 wurden 1.972 Polizisten getötet. Im selben Zeitraum kamen 735 afghanische Soldaten ums Leben.
    Wegen der schlechten Bezahlung treibt es derzeit nur jene zur Polizei, deren Lage hoffnungslos ist. Und viele von ihnen geben bald wieder auf und nehmen oftmals noch ihre Ausrüstung mit. In einem Land, in dem 72 Prozent der Bevölkerung Analphabeten sind, finden die wenigen, die lesen und schreiben können, besser bezahlte Arbeit als bei der Polizei. «Nur Analphabeten akzeptieren den geringen Lohn, den wir bei der Polizei anbieten», sagte Brigadegeneral Chudadad Aghan, der für die Ausbildung der Polizeischüler zuständig ist.
    Das Anfangsgehalt eines Polizisten liegt nach seinen Angaben bei 6.000 Afghani (82 Euro) im Monat. «Dafür wird keiner mit einer guten Ausbildung arbeiten», sagte Aghan. Und oftmals nehmen Vorgesetzte ihren Untergebenen noch bis zu 30 Prozent des mageren Gehalts ab. Unter diesen Umständen dürfte es kaum gelingen, wie geplant die Polizeikräfte bis 2013 von derzeit 93.000 auf 160.000 aufzustocken, heißt es im AP-Bericht.
  • In der afghanischen Hauptstadt Kabul ist das vor allem von Ausländern genutzte Serena-Hotel Ziel eines Raketenangriffs geworden. Dabei seien vier Menschen verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium am 21. Nov. mit. Bei ihnen handele es sich um zwei Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte und zwei Frauen. Eine Rakete habe die Wand des Hotels im Zentrum von Kabul getroffen. - Das Serena-Hotel ist das einzige Fünf-Sterne-Hotel Afghanistans. In ihm halten sich vor allem ausländische Journalisten sowie Staatsgäste auf.
  • Rund 80 Taliban haben in der südafghanischen Stadt Herat am 21. Nov. ihre Waffen niedergelegt und ein Amnestieangebot von Präsident Hamid Karsai angenommen. Bei einer Zeremonie im Polizeihauptquartier von Herat gaben sie ihre Waffen ab und versprachen, die Behörden nicht mehr zu bekämpfen, wie Polizeichef Asmatullah Alisai sagte. Die Gruppe war im Bezirk Paschtun Sarghun in der Provinz Herat aktiv. Ihr Anführer Mula Solaiman, ehemaliger Kommandeur bei den westafghanischen Grenztruppen, erklärte, er habe sich den Taliban angeschlossen, nachdem ihm vor einem Jahr vorgeworfen worden war, Waffen und Munition gestohlen zu haben.
  • Ein Bombenanschlag im Süden Afghanistans hat am 22. Nov. fünf Grenzsoldaten das Leben gekostet. Der am Straßenrand versteckte Sprengsatz explodierte vor Morgengrauen im Bezirk Spin Boldak in der Provinz Kandahar, wie ein Sprecher der Grenztruppen mitteilte. Der Tatort liegt in der Nähe der pakistanischen Grenze.
    Unterdessen wurden bei verschiedenen Operationen südlich von Kabul und in der Provinz Kandahar mehr als zehn mutmaßliche Extremisten festgenommen. Einige von ihnen sollen Verbindungen zu ranghohen Taliban-Mitgliedern haben und in Anschläge verwickelt sein, wie die NATO am 22. Nov. mitteilte.
  • Im Kampf gegen die Taliban setzen die Regierungen in Washington und Kabul nach US-Medienberichten verstärkt auf afghanische Stammesmilizen. Wie die «New York Times» am 22. Nov. berichtete, sei in Teilen Afghanistans bereits damit begonnen worden, solche Milizen zu unterstützen, die sich gegen die radikal-islamischen Taliban zur Wehr setzten. «Die Idee ist, die Leute dazu zu bringen, Verantwortung für ihre eigene Sicherheit zu übernehmen», zitiert die Zeitung einen führenden Vertreter des US-Militärs in Kabul, der namentlich nicht genannt werden wollte. Vielerorts würde das bereits geschehen. Wie es weiter hieß, wolle man vor allem im Süden und Osten Afghanistans, der Hochburg der Taliban, schon existierende Milizen unterstützen oder bei der Gründung neuer Gruppen helfen. US-Spezialeinheiten seien bereits in den Gebieten im Einsatz. Afghanische und amerikanische Regierungsvertreter hätten die Hoffnung geäußert, so Tausende von Bewaffneten zusammenzubringen, die ihre Dörfer gegen die Taliban verteidigen. Diese Anti-Taliban-Milizen könnten auch helfen, den Zeitraum zu überbrücken, bis die afghanischen Sicherheitskräfte ausreichend aufgebaut und ausgebildet seien, selbst für die Sicherheit im Land zu sorgen.
    Im Irak hatten die USA eine ähnliche Taktik angewandt: Seit Ende 2006 wurden dort sunnitische Stämme im Kampf gegen islamistische Extremisten unterstützt. Die Zahl der Gewalttaten ging daraufhin deutlich zurück.
  • Kinder in Afghanistan
    Trotz internationaler Milliardenhilfen für Afghanistan hat sich die Lage der Kinder seit der Vertreibung der radikalislamischen Taliban vor acht Jahren kaum verbessert. "Die Kindersterblichkeit ist die höchste weltweit", sagte die Vertreterin des UN-Kinderhilfswerk UNICEF, Catherine Mbengue. Sie verwies darauf, dass 70 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten. Fast jedes dritte Kind müsse arbeiten gehen und 43 Prozent der Mädchen würden vor ihrem 15. Geburtstag verheiratet, sagte Mbengue. "Afghanistan ist für Kinder der schlimmste Platz der Welt", sagte die afghanische Abgeordnete Fausia Kofi. Am meisten leiden Kinder ihren Angaben zufolge unter sexuellem Missbrauch. Dieser habe enorm zugenommen, weil die Behörden nicht in der Lage seien, die Schuldigen zu verfolgen. Unter anderem gegen Angehörige von Polizei und Armee werden immer wieder Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs laut. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des deutschen EU-Diplomaten Hansjörg Kretschmer knapp 1460 solcher Missbrauchsfälle registriert. "Aber es ist klar, dass dies nur die Spitze eines Eisbergs ist", sagte der Vertreter der EU-Kommission in Afghanistan, wo die Hälfte der Bevölkerung jünger ist als 15 Jahre.
    Leichte Verbesserungen sieht der EU-Diplomat im Bereich der Bildung. Inzwischen besuchten immerhin sechs bis sieben Millionen afghanische Kinder eine Schule, sagte Kretschmer. Dennoch sei die finanzielle Hilfe für Kinder nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. "Ein Kind, das ihnen auf der Straße lächelnd ein paar Bonbons verkauft hat Besseres verdient", sagte Kretschmer. "Wenn nichts geschieht, steht dem Land eine düstere Zukunft bevor." (AFP, 22. Nov.)
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai die internationale Afghanistan-Konferenz, zu der alle NATO-Staatschefs sowie Spitzenpolitiker aus der Region zusammenkommen sollen, offenbar im eigenen Land abhalten. Dies habe Karsai Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am vergangenen 19. Nov. unter vier Augen gesagt, berichtet das Internetportal des "Spiegels" am 22. Nov. Auch Außenminister Rangin Dadfar Spanta habe nach der Vereidigung Karsais bei einem Mittagessen angeregt, der Konferenz "ein afghanisches Gesicht" zu geben.
    Die "Staatengemeinschaft" will bei der Konferenz im Januar den weiteren Kurs für die Mission am Hindukusch abstimmen. Eigentlich ist bereits London als Veranstaltungsort vereinbart. Angepeilt ist als Termin der 28. Januar. Das Treffen in Kabul abzuhalten wäre "russisches Roulette", zitierte "Spiegel Online" westliche Diplomaten.
  • m Norden Afghanistans sind erneut Bundeswehrsoldaten angegriffen worden. Wie das Verteidigungsministerium am 22. Nov. in Berlin mitteilte, befand sich eine deutsche Patrouille etwa zehn Kilometer nordwestlich des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) in Kundus, als in ihrer Nähe drei Mörsergranaten einschlugen. Die Soldaten wichen zunächst aus, forderten Luftunterstützung und setzten anschließend ihren Auftrag fort. Bei dem Vorfall wurden demnach keine deutschen Soldaten verletzt, an den Fahrzeugen entstand kein Sachschaden.
Montag, 23. November, bis Sonntag, 27. November
  • Schulen in Afghanistan
    Wenn Gemeinden sich bei der Bildung selbst engagieren und Regierung sowie Militär dabei wenig Einfluss nehmen, dann können sich Angriffe auf Schulen reduzieren. Zu dieser Schlussfolgerung kommt eine Studie, die CARE gemeinsam mit der afghanischen Regierung und der Weltbank am 23. Nov. veröffentlichte. Die Studie "Bildung unter Beschuss. Angriffe auf Bildungseinrichtungen in Afghanistan" untersucht die Faktoren, die die Gefahr von Angriffen erhöhen und zeigt Maßnahmen auf, die das Risiko für Schülerinnen, Schüler und für das Lehrpersonal verringern können.
    Die Angriffe auf Schulen sind ein alarmierender Trend in Afghanistan. Im Jahr 2008 gab es 670 Übergriffe auf Schulen, dabei wurden auch Lehrer und Schüler ermordet. Das afghanische Bildungsministerium gibt an, dass zwischen 2006 und 2007 insgesamt 230 Menschen bei Angriffen auf Schulen getötet wurden.
    Eine der Schlussfolgerungen aus der Studie: Eine erhöhte Polizei- oder Militärpräsenz in der Nähe von Schulen muss nicht unbedingt Schutz bieten. In einigen Fällen kann sie sogar schädlich sein, weil in einigen Provinzen Sicherheitsbeamte selbst Ziel von Angriffen sind. Die Einflussnahme von PRTs und Militär in Schulen beschränken. PRTs (Provincial Reconstruction Teams) sind kein notwendiger Akteur im Bildungssektor von Afghanistan, stellt die Studie fest. Das Geld, das derzeit durch PRTs für Bildungseinrichtungen ausgegeben wird, könnte direkt in nicht-militärische Finanzierungsmechanismen übergeben werden. (ots, 23. Nov.)
  • In Afghanistan sind nach Angaben vom 23. Nov. innerhalb von 24 Stunden vier US-Soldaten ums Leben gekommen. Wie die NATO mitteilte, wurden drei der Soldaten am 22. Nov. im Süden des Landes getötet. Zwei kamen bei einem Bombenanschlag ums Leben, der dritte bei einem Feuergefecht. Der vierte US-Soldat verlor am 23. Nov. bei der Explosion einer Bombe in Ostafghanistan sein Leben.
  • Im Norden Afghanistans sind am 23. Nov. erneut deutsche Soldaten beschossen worden. Wie die Bundeswehr mitteilte, wurden die Kräfte gegen 6.50 Uhr (9.20 Uhr Ortszeit) zehn Kilometer nordwestlich des Stützpunkts Kundus mit Panzerfäusten beschossen. Es gab den Angaben zufolge zunächst keine Erkenntnisse über Verletzte oder Sachschäden.
  • Deutsche Soldaten sind am 23. Nov. im Norden Afghanistans erneut unter Beschuss geraten. Beim Angriff auf eine deutsch-afghanische Patrouille in der Provinz Kundus wurden zwei afghanische Polizisten verletzt. Nach Angaben der Bundeswehr wurde Luftunterstützung angefordert, und die Angreifer flohen. Es war bereits der zweite Angriff auf Bundeswehrsoldaten an diesem Tag. Beim ersten Zwischenfall seien deutsche Soldaten zehn Kilometer nordwestlich von ihrem Stützpunkt mit Panzerfäusten beschossen worden, hieß es.
  • Pakistanische Soldaten haben am 23. Nov. nach Geheimdienstangaben bei Gefechten mit militanten Islamisten im nordwestlichen Bezirk Hangu mindestens 18 Aufständische getötet. Die Kämpfe in der Ortschaft Shahukhel an der Grenze zu Afghanistan hielten bereits den zweiten Tag in Folge an. Wie andere Regionen entlang der Grenze gilt auch der Bezirk Hangu als Rückzugsgebiet von Al-Kaida- und Taliban-Kämpfern. Der Bezirk liegt rund 150 Kilometer nördlich der Region Süd-Waziristan. Dort hatten die pakistanischen Streitkräfte kürzlich eine Großoffensive gegen radikale Islamisten gestartet. Die Truppen konnten nach eigenen Angaben inzwischen einige Städte erobern. Auch in Hangu konnten die Sicherheitskräfte laut Polizei seit dem 22. Nov. große Teile des Gebiets einnehmen. Über die eigenen Verluste wurden keine Angaben gemacht.
  • Drogen
    Die USA stellen afghanischen Provinzen, die den Opium-Anbau erfolgreich reduziert oder ausgemerzt haben, Entwicklungshilfe in Höhe von knapp 39 Millionen Dollar (26 Millionen Euro) zur Verfügung. «Der Dogenhandel fördert auch die Korruption und hindert Afghanistan am Aufbau starker demokratischer Institutionen und einer guten Regierungsführung», sagte Anthony Wayne, der Direktor für Entwicklungsprogramme der US-Botschaft am 23. Nov. in Kabul. Zudem finanziere der Drogenhandel die Aufständischen. Diesen Artikel weiter lesen
    27 von 34 afghanischen Provinzen sollen demnach Fördermittel aus dem Programm erhalten, für das seit 2007 nun bereits 80 Millionen Dollar vorgesehen wurden. Dabei bekommen Provinzen, in denen der Opium-Anbau laut UN-Statistiken um mindestens zehn Prozent reduziert wurde und jene, in denen der Anbau völlig gestoppt wurde, Finanzhilfen zur Förderung der Landwirtschaft und zum Bau von Schulen oder anderen öffentlichen Gebäuden. Die Finanzmittel werden über das afghanische Ministerium für Drogenbekämpfung vergeben.
    Dem Ministerium zufolge sollen 10 Millionen Dollar (6,7 Millionen Euro) an die südliche Provinz Helmand gehen, eine Hochburg sowohl des Opium-Anbaus als auch der Taliban. Dort wurde der Anbau im vergangenen Jahr um 33 Prozent reduziert. Die Provinzen Baghlan, Farjab und Kapissa sollen jeweils eine Million Dollar bekommen, weil der Opium-Anbau dort laut Ministerium völlig eingestellt wurde. Afghanistan produziert rund 90 Prozent des weltweit verfügbaren Opiums, das der Ausgangsstoff für die Herstellung von Heroin ist.
  • In der Provinz Kundus wurde am 23. Nov. ein Selbstmordanschlag verübt, bei dem nach Angaben des Kabuler Innenministeriums fünf Zivilpersonen - darunter drei Kinder - getötet wurden. Der Angriff habe einer Polizeikolonne gegolten. In der Provinz Helmand im Süden des Landes wurden drei afghanische Soldaten bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe getötet, wie das Verteidigungsministerium mitteilte.
  • Bei einem neuerlichen Treffen mit den Spitzen von Regierung und Armee am 23. Nov. hat US-Präsident Barack Obama letzte Hand an die künftige Afghanistan-Strategie angelegt. Nach Angaben des Weißen Hauses beriet Obama zum "wahrscheinlich letzten Mal" mit seinem engsten Beraterkreis über die geplante Truppenaufstockung. Dem öffentlichen Rundfunk zufolge will der Präsident seine Entscheidung am 1. Dezember verkünden.
    An dem rund zweistündigen Treffen, dem insgesamt neunten seit August, nahmen unter anderem Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Robert Gates teil. Per Video waren der US-Oberbefehlshaber in Afghanistan, Stanley McChrystal, und Botschafter Karl Eikenberry aus Kabul zugeschaltet. Während McChrystal eine Aufstockung der US-Truppen in Afghanistan um weitere 40.000 Soldaten fordert, warnt Eikenberry vor einer Entsendung zusätzlicher Soldaten. Medienberichten zufolge rät der pensionierte General, zunächst die Fortschritte der afghanischen Regierung im Kampf gegen Korruption und Missmanagement abzuwarten. Derzeit sind 68.000 US-Soldaten am Hindukusch im Einsatz.
  • Bayern beteiligt sich jetzt doch an der Ausbildung von Polizisten in Afghanistan. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verabschiedete am 24. Nov. in München die ersten sechs bayerischen Polizeibeamten, die in den vergangenen Monaten für diese Aufgabe geschult wurden. Er bezeichnete die Entscheidung des Freistaats für den Einsatz als eine «Frage der Solidarität mit allen anderen Polizeien in Deutschland». Außerdem gehe es dabei um die Sicherheit in der Bundesrepublik. Herrmann fügte hinzu: «Wir können dem islamistischen Terrorismus nur wirkungsvoll begegnen, wenn wir zum zivilen Aufbau in Afghanistan tatkräftig und nachhaltig beitragen.» Es sei besser, die «Wurzeln» vor Ort zu bekämpfen, als darauf zu warten, «dass die Terroristen zu uns kommen».
  • Die afghanische Generalstaatsanwaltschaft ermittelt wegen Korruptionsvorwürfen gegen insgesamt 15 amtierende und ehemalige Minister. Das sagte der erste stellvertretende Generalstaatsanwalt, Fasel Ahmad Faqirjar, am 24. Nov. der Nachrichtenagentur AP. Betroffen seien drei amtierende Ressortchefs aus der Regierung von Präsident Hamid Karsai sowie zwölf ehemalige Minister.
  • Die neue Bundesregierung will die militärische und die zivile Zusammenarbeit in Afghanistan stärker als bisher verzahnen. Entwicklungsminister Dirk Niebel kündigte am 24. Nov. in Berlin an, noch in diesem Jahr werde die staatliche Entwicklungshilfe um 52 Millionen auf insgesamt 144 Millionen Euro aufgestockt. Auch das zivile Engagement soll künftig seinen Schwerpunkt im Norden Afghanistans in Kundus haben. Bereits beschlossen ist, die Zahl der dort stationierten Bundeswehrsoldaten um 120 auf dann 1.000 anzuheben. ie deutsche Entwicklungspolitik und die Sicherheitszusammenarbeit müssten in dem Land am Hindukusch gemeinsam auftreten, sagte der FDP-Minister. Er teile nicht die Kritik von Hilfsorganisationen an der Vermischung von militärischer und ziviler Hilfe in dem kriegszerrütteten Land. «Es wird keine Militarisierung der deutschen Entwicklungshilfe geben», betonte Niebel. Es werde aber «eine deutliche Verbesserung der Zusammenarbeit» mit der Bundeswehr geben.
    Auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg plädierte am 24. Nov. für eine bessere Zusammenarbeit zwischen ziviler und militärischer Hilfe. Dabei sei er sich durchaus bewusst, dass die Entwicklungshelfer die Soldaten eher als Teil des Problems als als Teil der Lösung ansähen, erklärte der CSU-Politiker. Sie müssten mehr als bisher hinter dem Konzept der Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) stehen. Es müsse klarwerden, dass man ein gemeinsames Ziel habe.
  • Die USA fordern ihre Verbündeten auf, mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Im Zuge der geplanten Aufstockung der US-Truppen erwarte Präsident Barack Obama ein stärkeres Engagement der NATO-Partner. Das machte Pentagonsprecher Geoff Morrell am 24. Nov. in Washington deutlich. Einzelheiten nannte er allerdings nicht.
  • Gegen das Konzept der zivil-militärischen Zusammenarbeit sprach sich der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) aus, dem 120 Gruppen angehören. «Trotz des internationalen Militäreinsatzes hat sich die Situation der afghanischen Bevölkerung dramatisch verschlechtert», sagte Jürgen Lieser, stellvertretender VENRO-Vorstandsvorsitzender. In einem Positionspapier kritisiert der Verband die «unklare Grenzziehung» zwischen dem humanitären und dem politischen Mandat. Er lehnt das Konzept der PRT als eine institutionalisierte Form der zivil-militärischen Zusammenarbeit ab. Lieser plädierte für einen grundlegenden Strategiewechsel in Afghanistan. «Statt mehr Soldaten in den Krisenstaat am Hindukusch zu schicken, sollte der zivile Wiederaufbau vorangetrieben werden.» Im ARD-Morgenmagazin am 24. Nov. fügte Lieser hinzu, während die Bundeswehr in Afghanistan im kommenden Jahr fast 800 Millionen Euro kosten werde, würden für Entwicklungshilfe insgesamt derzeit nur knapp 200 Millionen Euro ausgegeben.
  • Die Bundeswehr wird bei ihrem Einsatz in Afghanistan einige Schwerpunkte anders gewichten und eine Neujustierung vornehmen. Dies erwartet der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey (CDU). Beim Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte müsse mehr Wert auf den Ausbau von Führungsstrukturen gelegt werden, sagte Kossendey am 25. Nov. der Nachrichtenagentur AFP. Nur so sei eine Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch die Afghanen möglich. "Es reicht ja nicht, wenn Zigtausende ein Gewehr bedienen, Autofahren oder Panzerfahren können", sagte Kossendey in Berlin. "Sie müssen auch die Möglichkeit haben, sich so zu organisieren, dass sie führungs- und damit überhaupt erst einsatzfähig sind".
  • Der Anführer der afghanischen Taliban, Mullah Omar, hat ein Verhandlungsangebot von Präsident Hamid Karsai ausgeschlagen. Er lehne jegliche Verhandlungen mit den Behörden ab, verkündete Omar in einer am 25. Nov. von den Taliban in Kabul veröffentlichten Erklärung. Damit solle nur die "ausländische Besatzung" Afghanistans legitimiert werden. Die Regierung in Kabul sei lediglich eine "Marionette" der USA, erklärte Omar.
  • Zehn NATO-Staaten wollen nach Angaben des britischen Premierministers Gordon Brown insgesamt 5.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan entsenden. Das habe sich in Gesprächen Browns mit den betreffenden Staaten in den vergangenen Wochen ergeben, erklärte sein Sprecher Simon Lewis am 25. Nov. in London. Brown habe diesbezüglich auch an NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen geschrieben.
    Um welche Länder es sich handelt, teilte die britische Regierung nicht mit. Die Slowakei hat jüngst angekündigt, 250 zusätzliche Soldaten an den Hindukusch zu verlegen. Brown hat die Entsendung von zusätzlich 500 Soldaten angekündigt, die bei der Zahl der 5.000 allerdings nicht berücksichtigt sind. Großbritannien hat derzeit 9.000 Soldaten in Afghanistan, vorwiegend im umkämpften Süden.
  • Die Regierung schließt eine Aufstockung der Bundeswehrtruppen in Afghanistan nicht aus. Deutschland werde seine militärische Beteiligung «überdenken und anpassen, vielleicht sogar verstärken», sagte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in Berlin. Ein Ministeriumssprecher erklärte am 25. Nov., es sei möglich, dass sich nach der Afghanistan-Konferenz Ende Januar «an der Umfangszahl etwas ändern könnte».
  • Polizisten und Soldaten in Afghanistan erhalten ab sofort deutlich mehr Geld. Polizisten in den gefährlichsten Provinzen des Landes, die bislang durchschnittlich 120 Dollar (etwa 80 Euro) monatlich erhielten, bekommen nun 75 Dollar mehr, teilte Innenminister Mohammad Hanif Atmar am 25. Nov. in der Hauptstadt Kabul mit. Polizisten in weniger gefährlichen Provinzen erhalten einen Aufschlag von 40 Dollar. Nach einer Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums gelten die gleichen Regelungen für Soldaten.
  • Das Bundesverteidigungsministerin hat einem Bericht der «Bild»-Zeitung (26. Nov.) zufolge offenbar Informationen zu dem Luftangriff auf zwei entführte Tanklaster Anfang September in Afghanistan vor der Öffentlichkeit und der ermittelnden Staatsanwaltschaft zurückgehalten. Wie das Blatt unter Berufung auf vorliegende «geheime Berichte» der Bundeswehr und ein Video des Luftangriffs aus einem der beteiligten Kampfflugzeuge berichtet, hätte der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bereits viel früher über mögliche zivile Opfer informiert sein müssen als bislang bekannt.
  • Die Grünen wollen der Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan mehrheitlich nicht zustimmen. Das kündigte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in einem Interview der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» an (Ausgabe vom 26. Nov.). Der Grünen-Politiker warf der Bundesregierung vor, sie wisse selber nicht, wie sie das deutsche Engagement in Afghanistan ausgestalten wolle, und erwarte eine Art Blankoscheck. «So kann man mit einem selbstbewussten Parlament nicht umgehen.»
  • Caritas international, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, kritisiert aus Anlass der Debatte im Deutschen Bundestag um die Mandatsverlängerung der Bundeswehr für Afghanistan das Missverhältnis zwischen militärischen und zivilen Ausgaben von 4:1. "Nur mit einer konsequenten Armutsbekämpfung werdenwir erreichen, dass das westliche Engagement von der afghanischenBevölkerung akzeptiert wird", so Oliver Müller, Leiter von Caritasinternational. Ziel müsse es deshalb sein, die militärischeKomponente zu reduzieren und die zivile auszubauen.
  • Die USA versuchen nach US-Medienberichten derzeit intensiv, ihre NATO-Verbündeten zur Entsendung von 10 000 zusätzlichen Soldaten nach Afghanistan zu überreden. Die europäischen Staaten seien aber offenbar nur dazu bereit, halb so viele an den Hindukusch zu schicken, berichtet die «New York Times» am 26. Nov. unter Berufung auf US-Regierungs- und NATO-Kreise. Deutschland und Frankreich scheuten davor zurück, weitere Soldaten für einen Krieg zu stellen, der bei der Bevölkerung wenig Unterstützung finde, so das Blatt.
  • Wegen zurückgehaltener Informationen zum Luftangriff in Afghanistan Anfang September wird Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan entlassen. Auch Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert verliert sein Amt, wie Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am 26. Nov. im Bundestag mitteilte. Er werde Schneiderhan auf dessen Wunsch von seinen Pflichten entbinden, sagte Guttenberg weiter. Der Minister begründete die Entlassungen mit einem bislang geheimen Bericht der Bundeswehr über zivile Opfer bei dem von der Bundeswehr angeordneten Luftangriff Anfang September in der Nähe von Kundus. Der Bericht sei zunächst nicht vorgelegt worden, er habe ihn selbst erst am 25. Nov. erstmals einsehen können. Der Bericht werde nun aufgearbeitet und den Fraktionen des Bundestages übermittelt, sagte Guttenberg.
    Über den bislang geheimen Bundeswehrbericht hatte zuvor die "Bild"-Zeitung berichtet. Daraufhin hatte die oppositionelle SPD einen Untersuchungsausschuss gefordert. "Das ist mehr als ein ernster Vorgang", sagte der SPD-Abgeordnete Johannes Pflug. "Es ist klar, dass wir an einem Untersuchungsausschuss nicht vorbeikommen." An die Adresse des früheren Bundesverteidigungs- und heutigen Arbeitsministers Franz Josef Jung gerichtet fügte er hinzu: "Es sei denn, sie ziehen die Konsequenzen."
    Jung wies unterdessen Vorwürfe zurück, er habe Informationen unterdrückt. Er habe von Anfang an zivile Opfer nicht ausgeschlossen, sagte Jung in Berlin. Er habe damals vom Gouverneur und der Polizei in Kundus die Information erhalten, dass Befragungen vor Ort ergeben hätten, lediglich Taliban und deren Verbündete seien von dem Luftangriff getroffen worden.
    Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) äußerte sich empört darüber, dass die Öffentlichkeit durch die Presse noch vor den Politikern über den zurückgehaltenen Bericht Kenntnis erhielt. Guttenberg habe mit den personellen Konsequenzen richtig reagiert. Es müsse nun dafür gesorgt werden, dass sich derartiges nicht wiederhole, sagte Kauder dem Sender N24. "So etwas darf es kein zweites Mal geben.
    Die Linksfraktion im hessischen Landtag zeigte Jung indes wegen Strafvereitelung im Amt an. Zudem sei Jung jenseits der juristischen Auseinandersetzung als Bundesminister nicht mehr tragbar, erklärte Fraktionschef Willi van Ooyen in Wiesbaden.
  • Der Skandal um die Informationspannen innerhalb der Bundeswehr erschüttert nach Auffassung des Wehrbeauftragten des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), die ganze Bundeswehr. Robbe dankte am 26. Nov. im Nachrichtensender n-tv ausdrücklich dem neuen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg für seine schnellen Maßnahmen.
  • Mit dem zurückgehaltenen Bundeswehr-Bericht über den verheerenden Luftangriff in Afghanistan wird sich aller Voraussicht nach ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss befassen. SPD, Linke und Grüne sprachen sich am 26. Nov. für die Einsetzung eines solches Gremium aus. Damit würde das erforderliche Quorum von 25 Prozent der Abgeordneten im Bundestag erreicht. Offen ist noch, ob dafür ein neues Gremium gebildet wird oder der Verteidigungsausschuss für diese Angelegenheit zu einem Untersuchungsausschuss teilweise umgebildet wird.
  • Frankreich lehnt eine Aufstockung seiner Truppen in Afghanistan weiter ab. Die Position von Präsident Nicolas Sarkozy zu dieser Frage sei "äußerst klar", sagte Verteidigungsminister Hervé Morin am 26. Nov. bei einem Truppenbesuch in Calvi auf Korsika. "Frankreich will heute seine Truppenstärke nicht erhöhen." Morin verwies darauf, dass Frankreich schon in den vergangenen beiden Jahren tausend Soldaten zusätzlich an den Hindukusch geschickt habe.
  • Der Bundeswehrverband hat den Rücktritt von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan bedauert. Vorsitzender Ulrich Kirsch sagte am 26. Nov. in Berlin: «Das tut uns Soldaten außerordentlich leid, dass der Generalinspekteur zurückgetreten ist. Seine Gründe werden wir erfahren - ich will hier nicht mutmaßen und ich kenne auch nicht die Hintergründe.» Kirsch sagte über den neuen Ressortchef: «Das Standing von Minister zu Guttenberg in unserem Verband ist außerordentlich gut, weil er Klartext spricht. Das ist das, was wir Soldaten erwarten, damit in Deutschland auch klar ist, was wir tun.» Der Verbandsvorsitzende fügte hinzu: «Und von da her ist es richtig gewesen, dass er Klartext gesprochen hat, den wir vorher vermisst haben.» Jetzt werde deutlich, dass es doch sehr viel Sinn mache, transparent zu informieren. Kirsch betonte, die Haltung seines Verbands zu Oberst Georg Klein, der die Bombardements angefordert hatte, habe sich nicht geändert. «Ich stelle mich mit 207.000 Mitgliedern vor Oberst Klein», sagte der Vorsitzende. In der Sache habe es auch keine neuen Erkenntnisse gegeben. «Es geht ja hier eigentlich um Regierungsarbeit.» Er könne nur erneut anmahnen, «möglichst klar zu informieren und auch zeitnah zu informieren».
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel hat volle Transparenz über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gefordert. Merkel sagte am 26. Nov. in Berlin auf die Frage, ob nach den Veröffentlichungen über Informationspannen der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung noch ihr Vertrauen habe: «Ich habe immer dafür Sorge getragen und darauf gedrungen, dass volle Aufklärung da ist. Da hat der jetzige Verteidigungsminister natürlich meine volle Unterstützung», betonte Merkel. Amtsinhaber Karl-Theodor zu Guttenberg solle aufklären und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen, erklärte die Kanzlerin und fügte hinzu: «Der frühere Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung wird heute Abend noch eine Erklärung abgeben, und ich habe natürlich volles Vertrauen zu ihm, dass er dies genau in dem gleichen Geiste machen wird, dass Verantwortung in Afghanistan bedeutet, dass wir auch auf volle Transparenz dringen.»
  • Nach dem Vorwurf der Vertuschung von brisanten Informationen während seiner Amtszeit als Verteidigungsminister ist Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) zurückgetreten: Er habe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) davon unterrichtet, dass er sein Amt zur Verfügung stelle, erklärte Jung am 27. Nov.
    "Ich übernehme damit die politische Verantwortung für die interne Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber dem Minister bezüglich der Ereignisse am 4. September in Kundus", sagte Jung. Er bezog sich dabei darauf, dass sein Nachfolger im Verteidigungsministerium, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), erst am Mittwoch (25. Nov.) über einen schon seit September vorliegenden Bundeswehrbericht informiert wurde, wonach bei dem Luftangriff in der Nähe von Kundus in Nordafghanistan auch Zivilisten zu Schaden gekommen waren.
  • Die Grünen haben der Bundesregierung vorgeworfen, die Akzeptanz des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan zu gefährden. Mit der Vertuschungspolitik nach dem Luftangriff nahe Kundus Anfang September habe die Regierung gezeigt, dass sie sich selbst des Engagements in Afghanistan schäme, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der "Berliner Zeitung" (28. Nov.). "Das bringt die Arbeit der Entwicklungshelfer wie der Soldaten in Misskredit, und das senkt die Akzeptanz dieses Einsatzes in der Bundesrepublik." Wenn die Regierung so weitermache, drohe eine "kopflose Flucht" aus Afghanistan, sagte Trittin. Der Ko-Vorsitzende der Grünen im Bundestag forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf, den Luftangriff auf zwei Tanklaster, den ein Bundeswehr-Oberst angefordert hatte, neu zu bewerten. Erst dann lasse sich eine neue Strategie für Afghanistan entwickeln, die auf die Vermeidung ziviler Opfer abziele.
  • Durch einen selbst gegrabenen Tunnel sind im Westen Afghanistans zwölf Häftlinge aus einem überfüllten Gefängnis ausgebrochen. Unter ihnen waren Taliban-Kämpfer und Drogenhändler, wie die Polizei am 28. Nov. mitteilte. Ein 13. Gefangener wurde festgenommen und erklärte, in der Nacht hätten nacheinander alle Insassen flüchten wollen. In der auf 80 Gefangene angelegten Haftanstalt in der Provinz Farah saßen mehr als 300 Männer ein.
  • In der Hauptstadt Kabul wurde am 28. Nov. in der Nähe der US-Botschaft ein Bombenanschlag verübt. Der Sprengsatz war nach Angaben von Polizeichef Abdul Rahman Rahman in einem Abfalleimer versteckt, verletzt wurde niemand.
  • Im US-Militärgefängnis Bagram in Afghanistan sind einem Zeitungbericht zufolge während der Amtszeit von Präsident Barack Obama Jugendliche misshandelt worden. Die "Washington Post" berichtete am 28. Nov. auf ihrer Internetseite über das Schicksal der afghanischen Teenager Issa Mohammad und Abdul Raschid, die nach eigenen Angaben von US-Wächtern in Bagram geschlagen und nackt fotografiert wurden. Außerdem seien sie mit Schlafentzug und zweiwöchiger Einzelhaft in Betonzellen gequält worden. Der 17-jährige Mohammad und Raschid, der jünger als 16 Jahre sein soll, wurden dem Bericht zufolge über mögliche Verbindungen zu den radikalislamischen Taliban befragt. Die "Washington Post" schrieb, die Angaben der Jugendlichen seien von unabhängiger Seite nicht zu bestätigen. Allerdings seien die Aussagen detailreich und ohne Widersprüche. Raschid berichtete demnach, die Ermittler hätten ihn unter anderem gezwungen, auf pornographische Bilder neben Fotos seiner Mutter zu schauen. - Obama hatte angekündigt, den von seinem Vorgänger George W. Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 autorisierten harschen Verhörmethoden ein Ende zu setzen.
  • Die nächste internationale Afghanistan-Konferenz wird am 28. Januar in London stattfinden. Das gab der britische Premierminister Gordon Brown am 28. Nov. bekannt. Auf der Konferenz sollten klare Zielvorgaben für einen britischen Truppenabzug aus Afghanistan festgelegt werden, sagte Brown. "Wir benötigen eine politische Anstrengung, die der militärischen Anstrengung entspricht", sagte der britische Premier. Der afghanische Präsident Hamid Karsai müsse akzeptieren, dass er Zielvorgaben der internationalen Gemeinschaft erfüllen müsse und daran gemessen werde.
    Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten die Konferenz im September in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vorgeschlagen, um den weiteren Kurs für die Mission am Hindukusch abzustimmen.
  • Die USA wollen rund 30 000 zusätzliche Soldaten in den Kampf gegen radikal-islamische Taliban in Afghanistan schicken. Einem Bericht der «Washington Post» vom 28. Nov. zufolge erwartet US-Präsident Barack Obama, dass die NATO-Verbündeten weitere 10 000 Soldaten an den Hindukusch entsenden. Seine neue Afghanistan-Strategie will der Präsident am 1. Dez. in der Militärakademie von West Point in einer Rede an die Nation präsentieren. Zur Zeit haben die USA rund 68 000 Soldaten in Afghanistan im Einsatz.
  • Die US-Streitkräfte haben vor acht Jahren die Gelegenheit versäumt, den Al-Kaida-Führer Osama bin Laden in Afghanistan zu ergreifen. In einem Bericht des Senatsausschusses für internationale Beziehungen wird das Verhalten der damaligen Militärführung in Ostafghanistan scharf kritisiert. Die Untersuchung von Dokumenten und Interviews mit den Beteiligten ergaben dem am 28. Nov. vorgelegten Bericht zufolge, «dass Osama bin Laden in Tora Bora in unserer Reichweite für einen Zugriff war». Weil das Pentagon aber entschieden habe, auf einen massiven Militäreinsatz zu verzichten, habe Bin laden am 16. Dezember 2001 ungehindert die Grenze nach Pakistan überschreiten können. Es wird dem Bericht zufolge vermutet, dass sich der Führer des Terrornetzwerks Al Kaida auch heute noch in Pakistan versteckt hält.
    «Die Entscheidungen, die die Tür zu seiner Flucht nach Pakistan öffneten, ermöglichten es Bin Laden, als mächtige Symbolfigur hervorzugehen, die weiterhin einen stetigen Geldfluss anzieht und weltweit Fanatiker inspiriert», erklärt der Bericht. Die Gefangennahme oder Tötung von Bin Laden hätte zwar die weltweite extremistische Bedrohung nicht gebannt. Aber «das Versagen, die Aufgabe abzuschließen, ist eine verlorene Gelegenheit, die für immer den Gang des Konflikts in Afghanistan und die Zukunft des internationalen Terrorismus verändert hat», schlussfolgern die Verfasser des Berichts, Mitarbeiter der demokratischen Mehrheit im außenpolitischen Ausschuss des Senats. Die politische Verantwortung dafür wird der damaligen Regierung von US-Präsident George W. Bush mit Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und General Tommy Franks zugeschoben.
  • Bei einem Angriff auf einen Grenzposten in der ostafghanischen Provinz Chost sind nach Militärangaben 27 Taliban-Kämpfer getötet worden. Nach der Attacke der Taliban hätten die internationalen Truppen aus der Luft zurückgeschlagen, sagte ein Sprecher der afghanischen Grenztruppen am 29. Nov. Die Kämpfe hätten mehrere Stunden gedauert. Die meisten der Getöteten seien ausländische Taliban-Kämpfer gewesen. Ein verletzter Tschetschene sei gefangen genommen worden. Zu Verlusten auf Seiten der Grenztruppen gab es keine Angaben. Die Provinz Chost grenzt an die Stammesgebiete Pakistans, die als Rückzugsgebiet für die radikalislamischen Taliban und Anhänger der Terrornetzwerks El Kaida von Osama bin Landen gelten.
  • Der britische Premierminister Gordon Brown hat einen konkreten Zeitrahmen für eine Übergabe von Sicherheitsaufgaben an die afghanische Regierung gefordert. Brown sagte dem britischen TV-Sender Sky News am 29. Nov., bis zur Afghanistan-Konferenz am 28. Januar in London müsse Afghanistans Präsident Hamid Karsai einen "glaubwürdigen Plan" für die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte durch internationale Truppen vorlegen. Binnen drei Monaten müsse Kabul einen Vorschlag über eine Polizeireform auf den Tisch legen. Drei weitere Monate später müsse Karsai alle Gouverneure der Provinzen und Bezirke ernannt haben.
  • Der verheerende Luftangriff auf zwei Tanklaster im afghanistanischen Kundus wird vom Bundestag durchleuchtet. Die Union wird sich der Forderung der Opposition nach einem Untersuchungsausschuss nicht widersetzen, wie Fraktionschef Volker Kauder am Wochenende versicherte. Er halte einen Untersuchungsausschuss eigentlich für unnötig. Wenn die Opposition allerdings einen wolle, stelle er sich dem nicht in den Weg, sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» (29. Nov.).
Montag, 30. November
  • Das Oberste Gericht der USA hat die Veröffentlichung von Fotos über die Misshandlung von Terrorverdächtigen durch US-Soldaten im Irak und in Afghanistan verhindert. Die Washingtoner Richter hoben am 30. Nov. das Urteil eines Gerichts in New York auf, welches das Verteidigungsministerium zur Vorlage der Fotos angewiesen hatte. Die US-Regierung will die Veröffentlichung verhindern, um weiteren Imageschaden für die USA sowie eine mögliche Gefährdung von US-Bürgern im Ausland abzuwenden.
    Die höchsten Richter der USA entschieden auf Grundlage eines neuen Gesetzes, das der Kongress erst im vergangenen Monat mit Blick auf die Pentagon-Fotos verabschiedet hatte. Das Gesetz rechtfertigt die Geheimhaltung von Regierungsdokumenten, deren Veröffentlichung ein Risiko für das Leben von US-Soldaten und anderen Bürgern im Ausland darstellen könnte. Berichten zufolge zeigen die Fotos Verhöre in US-Gefängnissen im Ausland, bei denen Verdächtige misshandelt und gedemütigt wurden.
  • Großbritannien stockt sein Truppenkontingent in Afghanistan bereits im kommenden Monat um 500 Soldaten auf. Darüber informierte Premierminister Gordon Brown am Abend des 30. Nov. das Unterhaus. Im Anschluss stand eine Videokonferenz mit US-Präsident Barack Obama an. Beobachter gehen davon aus, dass Obama in seiner Rede an der Militärakademie von West Point die Entsendung von bis zu 35.000 zusätzlichen Soldaten nach Afghanistan ankündigen wird. Ob die britische Regierung bereits über Einzelheiten informiert ist, war aus Browns Büro am 30. Nov. nicht zu erfahren.
  • Washington hat einem Zeitungsbericht zufolge Paris zur Entsendung von 1500 weiteren Soldaten nach Afghanistan aufgefordert. Wie die Zeitung "Le Monde" am 30. Nov. auf ihrer Website unter Berufung auf diplomatische Kreise berichtete, teilte US-Chefdiplomatin Hillary Clinton dies ihrem französischen Kollegen Bernard Kouchner am 26. Nov. telefonisch mit. Ein französischer Regierungssprecher wollte sich zu dem Bericht nicht äußern. Das US-Außenamt bestätigte derweil, es habe ein Gespräch stattgefunden, Sprecher Ian Kelly wollte aber keine Einzelheiten nennen. Derzeit sind rund 3300 französische Soldaten in Afghanistan stationiert, eine Aufstockung hat Paris bislang abgelehnt.


Zurück zur Kriegschronik

Zu weiteren Beiträgen über Afghanistan

Zurück zur Homepage