"Kollateralschäden" vermeiden? - Afghanistankrieg beenden!
Der "Antiterrorkrieg" wird selbst zum Terror. Nach dem Tod von 90 Zivilpersonen: Friedensbewegung fordert Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan
Pressemitteilung des Bundessausschusses Friedensratschlag
- Immer mehr "Kollateralschäden"
- Sogar Karsai kritisiert Kriegsführung der Besatzer
- Deutsche Verantwortung: Tornados waren nicht "zielführend"
- Widerstand gegen Besatzung wird stärker
- Friedensbewegung: "Truppen raus aus Afghanistan"
Kassel, 25. August 2008 - Mit scharfen Worten und einer eindeutigen
Aufforderung an die Bundesregierung, die Truppen aus Afghanistan
abzuziehen, reagierte der Bundesausschuss Friedensratschlag auf die
jüngsten
Schreckensmeldungen vom Kriegsschauplatz. Am Freitag (22.
August) waren in der westafghanischen Provinz Herat mehr als 90
Zivilpersonen bei einem US-geführten Luftangriff getötet worden. Der
Sprecher des "Friedensratschlags", Peter Strutynski, erklärte dazu in Kassel:
Die "Kollateralschäden" unter der afghanischen Zivilbevölkerung nehmen
immer mehr zu. Mitunter werden Hochzeitsgesellschaften und ganze Dörfer
bombardiert, weil das US-Kommando in ihnen feindliche Taliban- oder
Al-Kaida-Kämpfer vermutet. Die Leidtragenden sind unschuldige Menschen,
Frauen und Kinder. Und die stereotype Erklärung aus Washington lautet:
"Wir werden den Vorfall untersuchen". Geschehen ist bislang nichts.
Daher sagen wir: Wer "Kollateralschäden" wirklich vermeiden will, muss
den Krieg beenden.
Der Krieg in Afghanistan, den die USA und eine Koalition der Willigen
vor knapp sieben Jahren als einen "Krieg gegen den Terror" begonnen
haben, ist längst selbst zum Terrorkrieg geworden. Wo überforderte
Truppen in einer fremden Umgebung Freund und Feind, Zivilist und
Kombattant nicht mehr unterscheiden können und im Zweifel
Flächenbombardements vornehmen, kann von "Antiterrorkrieg" keine Rede
mehr sein. Inzwischen lässt es sogar der vom Westen eingesetzte und dem
Westen zutiefst verpflichtete afghanische Präsident Karsai nicht mehr an
kritischen Worten fehlen. In einer Erklärung warf er den
internationalen Truppen mangelnde Absprache mit den örtlichen Behörden
vor und bat inständig darum, bei künftigen Einsätzen den Tod von
Zivilisten zu vermeiden. Nur: Ähnliche Appelle richtete Karsai schon
häufig an die Adresse der NATO-Streitkräfte - ohne jeden Erfolg.
Auch Deutschland trägt Verantwortung. Im März 2007 hat der Bundestag den
zusätzlichen Einsatz von Tornado-Aufklärungsflugzeugen in Afghanistan
beschlossen. Wichtiges Argument der Befürworter: Die Tornados dienten
der "höheren Zielgenauigkeit der militärischen Einsätze". Angesichts der
sich häufenden Kollateralschäden kann davon aber keine Rede sein.
Vielmehr waren die Tornados eine weitere Etappe zur Ausweitung des
Bundeswehreinsatzes. Im Frühjahr dieses Jahres beschloss die Regierung,
eine weitere Kampftruppe ("Quick Reaction Force") zu entsenden, und für
den Herbst ist vorgesehen, das Bundeswehrkontingent von 3.500 auf 4.500
Soldaten zu erhöhen.
Bundesregierung und NATO verschließen die Augen davor, dass der Krieg in
Afghanistan militärisch nicht zu gewinnen ist. Trotzdem werden immer
mehr Truppen nach Afghanistan geschickt. Durch die Erhöhung der Zahl der
ausländischen Soldaten erhöht sich nur die Zahl der Opfer. Human Rights
Watch schätzte die durch Kampfhandlungen und Anschläge Getöteten in Jahr
2006 auf 4.400, davon 1.000 Zivilisten. 2007 wurden bereits 8.000 Tote
gezählt, davon 1.500 zivile Tote. Offizielle Zahlen gehen von einer
Steigerung der "Zwischenfälle" gegenüber 2007 um 40 Prozent aus. Und
"dieser Trend", so urteilt inzwischen selbst das deutsche
Verteidigungsministerium, "wird sich 2009 fortsetzen."
Jede Truppenaufstockung der Interventionsverbände hat dem Widerstand im
Land gegen die Besatzung neue Kräfte zugeführt und lässt die Abneigung
der Bevölkerung gegen die Besatzer steigen.
Die Friedensbewegung, die für den 20. September zu einer zentralen
Demonstration in Berlin (und einer zweiten in Stuttgart) aufruft, warnt
die Bundesregierung davor, sich mit einer weiteren Aufstockung des
Bundeswehrkontingents immer mehr in den schmutzigen Krieg in Afghanistan
zu verstricken. Der nicht enden wollende Krieg kann sich für Deutschland
und die anderen Besatzer zu einer Art zweites "Vietnam" entwickeln. Der
Bundesausschuss Friedensratschlag fordert von der Bundesregierung und
den Abgeordneten des Bundestages, den inhumanen Krieg in Afghanistan zu
beenden und die Truppen zurück zu holen. Stattdessen solle die zivile
Hilfe dort verstärkt werden, wo sie möglich und von der Not leidenden
Bevölkerung gewünscht wird.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag weist darauf hin, dass die bevor
stehenden Aktionen der Friedensbewegung und der Gewerkschaften zum
diesjährigen Antikriegstag (1. September) überwiegend den
Afghanistankrieg thematisieren. Die zahlreichen Veranstaltungen und
Aktionen im ganzen Land werden der Forderung der Friedensbewegung
Nachdruck verleihen: "Dem Frieden eine Chance - Truppen raus aus
Afghanistan".
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Hier geht es zur Website der Kampagne:
www.afghanistandemo.de
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