Bundeswehr bleibt in Afghanistan - Fortschrittsbericht der Bundesregierung veröffentlicht
Friedensbewegung: Desaströse Bilanz
Trotz desaströser Bilanz:
Bundesregierung will Einsatz in Afghanistan verlängern
Friedensbewegung: Schluss mit Intervention und Krieg
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Kassel, 5. Februar 2014 - Zu dem heute (Mittwoch) gefassten Beschluss der Bundesregierung, den Einsatz in Afghanistan zu verlängern, äußerte sich der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer Stellungnahme:
Der mit zweimonatiger Verspätung veröffentlichte
"Fortschrittsbericht" zur Lage in Afghanistan ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist. Von "Fortschritten" kann nämlich keine Rede sein. Die Bundesregierung lügt sich in die eigene Tasche, wenn sie über gestiegene Lebenserwartung, geringere Müttersterblichkeit und höhere Bildungsbeteiligung von Mädchen schwadroniert. Das mag für Kabul richtig sein, trifft aber nicht die Wirklichkeit im ganzen Land. Die wird nach wie vor bestimmt von einer desaströsen Menschenrechtslage, von Korruption (die bis in den engen Kreis um Präsident Karzai reicht) und von Rekordzahlen beim Drogenanbau, wie der jüngste Bericht der UN-Behörde UNDOC (UN Office on Drugs and Crime) gezeigt hat.
Verräterisch sind auch solche Sätze: "Viele Straßen, Brücken, Bewässerungskanäle und andere zerstörte Infrastruktur wurden wieder aufgebaut", heißt es in der Pressemitteilung der Bundesregierung. Wenn das, was die NATO in 12 Jahren Krieg zerstört hat, wieder aufgebaut wird, ist das dann ein Fortschritt?
Wer genau liest, kann hinter manchen Formulierungen im "Fortschrittsbericht Afghanistan" das totale Scheitern der NATO-Mission erahnen. So wenn zu den Fortschritten bei der Menschenrechtslage ein Halbsatz angefügt wird, wonach "deren flächendeckende Umsetzung noch aussteht". Oder wenn angemerkt wird, dass die afghanische Regierung den Kampf gegen die Korruption "bisher nicht angemessen" geführt habe. Von einer "guten Regierungsführung" ist der Statthalter der NATO in Kabul himmelweit entfernt.
Einem Offenbarungseid gleicht die Einschätzung der Sicherheitslage am Hindukusch: "Die Sicherheitslage bleibt angespannt", heißt es im Bericht. Und weiter: "Die regierungsfeindlichen Kräfte (RFK) sind weiterhin in der Lage, in allen Landesteilen Anschläge zu verüben." Zugleich wird so getan, als wäre die "Transition" (d.h. die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte-ANSF) erfolgreich gewesen: "Die ANSF nehmen ihre Verantwortung wahr und stellen sich der Herausforderung ..." In der Praxis sieht das so aus, dass NATO-Truppen zwar weniger Verluste aufweisen, dass dagegen die Zahl der getöteten afghanischen Soldaten und Polizisten sprunghaft ansteigt ("Verdoppelung der Verluste" im ersten Halbjahr 2013). Dasselbe gilt für die "sicherheitsrelevanten Zwischenfälle (SRZ)". Die Bundesregierung behauptet zwar, dass die SRZ 2013 landesweit von 29.400 auf rund 27.800 leicht zurückgegangen seien; sie stützt sich dabei aber allein auf die - wie von ihr selbst eingestanden wird - wenig verlässlichen Angaben der afghanischen Regierung. Nimmt man die ISAF-Statistik zur Hand, so sieht die Lage insbesondere im von Deutschland "kontrollierten" Gebiet anders aus: Danach ist die Menge der "feindlichen Angriffe" in Nordafghanistan im ersten Halbjahr 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar um 99 Prozent und im zweiten Halbjahr um 26 Prozent gestiegen.
Unter dem Strich bleiben wir bei der Auffassung: "Nichts ist gut in Afghanistan" (Käßmann). Es wäre konsequent, wenn die Bundesregierung endlich das Scheitern ihrer Militäreinsatzes eingestehen und die Bundeswehr abziehen würde. Stattdessen wird der Afghanistan-Einsatz bis Ende des Jahres verlängert und auch für die Zeit danach eine Folgemission angekündigt. Sie wird genauso grandios scheitern.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag fordert die Abgeordneten des Bundestags auf, dem neuerlichen Afghanistan-Mandat nicht mehr zuzustimmen. "Machen Sie endlich von ihrem parlamentarischen Recht Gebraucht und holen Sie die Soldaten zurück!"
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Bundeswehr bleibt in Afghanistan *
Das Kabinett hat den weiteren Einsatz von Bundeswehrsoldatinnen und Soldaten in Afghanistan
beschlossen. Das letzte Mandat für die so genannte International Security Assistance Force läuft
bis zum 31.Dezember 2014. Sodann soll eine Ausbildungsmission folgen.
Das vom Kabinett beschlossene Mandat bedarf noch der Zustimmung des Deutschen Bundestags. Künftig
wird jedoch weniger Personal eingesetzt: Die Zahl der Soldatinnen und Soldaten soll sich von
bislang maximal 4.400 auf bis zu 3.300 verringern. Die Reduzierung des deutschen Personals bei der International Security Assistance Force wird so erfolgen, dass der Schutz der Soldatinnen und Soldaten gewährleistet bleibt. Die Personalobergrenze umfasst auch die zusätzlich benötigten Kräfte für die Rückführung von Material und Menschen.
Abzug der Kampftruppen Ende 2014
Das letzte ISAF-Mandat läuft am 31. Dezember 2014 zeitgleich mit der Resolution 2120 (2013) des
Sicherheitsrats der UN und dem von der Nato beschlossenen Operationsplan aus.
Die Beendigung der ISAF-Mission erfolgt in dem gemeinsamen Verständnis von Afghanistan und der
internationalen Gemeinschaft. Danach soll militärisch mit einer von der Nato geführten
Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission, der RSM, unterstützt werden. Diese neue Mission
ist nicht als Kampfeinsatz geplant. Sie hängt insbesondere vom Abschluss eines len
Sicherheitsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Afghanistan ab.
Grundsätzlich positive Entwicklung
Afghanistan hat sich trotz einiger Rückschläge positiv entwickelt: Den meisten Afghanen geht es
heute deutlich besser. Mehr Menschen als jemals zuvor haben heute Zugang zu Wasser und Strom, zu
ärztlicher Versorgung und zu Bildung. Und sie nehmen diese Möglichkeiten auch wahr. Die Lebenserwartung ist deutlich gestiegen, Mütter- und Kindersterblichkeit konnten signifikant
verringert werden.
Viele Straßen, Brücken, Bewässerungskanäle und andere zerstörte Infrastruktur wurden wieder
aufgebaut. Es gibt erhebliche, wenn auch noch nicht ausreichende Fortschritte beim Aufbau von
Verwaltung und rechtstaatlichen Strukturen. Dennoch hat Afghanistan im Vergleich zu seinen
Nachbarstaaten noch deutlich aufzuholen.
Hilfe beim Aufbau
Angesichts der verringerten militärischen Präsenz sind Entwicklungszusammenarbeit und ziviler
Aufbau besonders wichtig. Das gilt besonders bei der weiteren sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Stabilisierung Afghanistans.
Während der internationalen Afghanistan-Konferenz von Tokio wurden bereits im Juli 2012 die Zusagen
der internationalen Gemeinschaft bekräftigt. Danach soll das gemeinsame zivile Engagement nach Abzug der ISAF-Truppen aus Afghanistan mindestens auf dem bisherigen finanziellen Niveau fortgesetzt werden. Deutschland wird dabei bis mindestens 2016 weiterhin jährlich bis zu 430 Millionen Euro im Rahmen
der Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan investieren.
Wahlen im April
Für eine sichere Zukunft des Landes ist die Präsidentschaftswahl im April 2014 entscheidend.
Verlauf, Ergebnis und Legitimität der Wahlen werden auch Einfluss auf das weitere internationale
zivile und militärische Vorgehen haben.
Afghanische Sicherheitskräfte arbeiten erfolgreich
Die aktuelle Stärke der afghanischen Sicherheitskräfte beträgt nun mehr als 350.000 Soldaten und
Polizisten. Damit haben sie 2013 fast die volle geplante Stärke erreicht.
Die afghanischen Streitkräfte haben im Jahr 2013 zum ersten Mal ihren eigenen Operationsplan erstellt, den sie nun erfolgreich ausführen. So konnten regierungsfeindlichen Kräfte mutmaßlichen Ziele in Afghanistan insgesamt nicht treffen. Nach jahrelanger internationaler Unterstützung sind die nationalen Sicherheitskräfte - Afghan
National Security Forces - zu einer weitgehend eigenständigen Kraft geworden.
* Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 5. februar 2014
Fortschrittsbericht zur aktuellen Lage **
Das Jahr 2014 stellt ein wichtiges Datum für Afghanistan und den internationalen Einsatz dar. In
ihrem Fortschrittsbericht Afghanistan skizziert die Bundesregierung das deutsche Engagement und
bewertet den Fortschritt des Landes in unterschiedlichen Bereichen.
Der Bericht enthält das aktuelle Lagebild zum Jahresanfang 2014 sowie einen Ausblick unter anderem
auf die Afghanistan-Präsidentschaftswahlen im April 2014.
Im Fokus: Sicherheit und Regierungsführung
Die zentralen Punkte des Berichts befassen sich mit innerer Sicherheit, Regierungsführung und
Entwicklung des Landes. Beispielsweise wird das zivile Engagement Deutschlands auf dem bisherigen
Niveau von bis zu 430 Millionen Euro pro Jahr bis 2016 fortgesetzt werden.
In ihrem ersten Fortschrittsbericht hatte die Bundesregierung im Dezember 2010 eine
Bestandsaufnahme und Kursbestimmung des deutschen Engagements in Afghanistan vorgenommen. Seitdem
legt sie jährlich im Sommer einen Zwischenbericht sowie im Winter einen umfassenden
Fortschrittsbericht vor.
Einsatz der ISAF endet
Der Kampfauftrag der ISAF wird Ende 2014 zu Ende gehen. Die Nationalen Sicherheitskräfte
Afghanistans bereiten sich auf den Abschluss der Transition, das heißt, die Übernahme der
landesweiten und alleinigen Sicherheitsverantwortung, vor.
Beteiligung an NATO-Folgemission
Die internationale Gemeinschaft hat sich bereit erklärt, auch nach 2014 die Sicherheitskräfte durch
Ausbildung, Beratung und Unterstützung im Rahmen einer NATO-Folgemission weiter zu unterstützen. Deutschland würde sich mit etwa 600 bis 800 Soldaten beziehungsweise Soldatinnen für zunächst zwei
Jahre in Nord-Afghanistan und in Kabul an der Folgemission beteiligen. Die Beteiligung steht unter Vorbehalt der Zustimmung des Deutschen Bundestages.
Neue UN-Resolution erforderlich
Der Einsatz soll auf einer neuen Resolution des UN-Sicherheitsrats zu Afghanistan beruhen. Außerdem
knüpft Deutschland seine Bereitschaft zur Entsendung von Soldaten an weitere Voraussetzungen: die
hinreichende Beteiligung zusätzlicher Partner, eine förmliche Einladung durch die afghanische
Regierung, ein zwischen der NATO und Afghanistan vereinbartes Truppenstatut.
Fürsorge für afghanische Ortskräfte
Mit der Anpassung des deutschen Engagements in Afghanistan verlieren zahlreiche afghanische
Mitarbeiter ihre Arbeit. In einigen Fällen sind sie durch ihre bisherige Tätigkeit ins Visier der
RFK geraten.
Die Bundesregierung stellt sich ihrer Verantwortung, ortsansässigen Mitarbeitern von Bundeswehr,
deutscher Polizei oder anderen staatlichen deutschen Stellen in Afghanistan zu helfen. Bei einer
konkreten Gefährdung ermöglicht die Bundesregierung eine Ausreise nach Deutschland.
** Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 5. februar 2014
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