EU umwirbt rohstoffreiche Staaten Zentralasiens
Außenministertreffen in der kasachischen Hauptstadt Astana
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Eine EU-Delegation unter Leitung des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier flog am
Dienstag nach Zentralasien. Im Mittelpunkt des zweitägigen Treffens mit den Außenministern der
fünf zentralasiatischen Staaten steht die von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft geplante
Zentralasien-Strategie, die im Juni verabschiedet werden soll.
Das Treffen der EU-Troika mit den Außenministern der fünf Staaten Zentralasiens – Kasachstan,
Kirgistan, Tadshikistan, Turkmenistan und Usbekistan –, das gestern begann, ist das erste dieser Art
und allein schon daher eine kleine Sensation. Bevor Deutschland Zentralasien zu einer der
Prioritäten während seiner EU-Präsidentschaft erklärte, wurde die Region in Westeuropa von Politik
und den Medien nur sporadisch wahrgenommen. Auf einem EU-Gipfel im Juni soll jedoch eine neue
Zentralasien-Strategie verabschiedet werden. Frank-Walter Steinmeier will im April einen ersten
Entwurf vorlegen.
Offiziell geht es bei den zweitägigen Konsultationen in Kasach-stans neuer Hauptstadt Astana
vorrangig um die Verbesserung der Zusammenarbeit beim Konfliktmanagement in Afghanistan
sowie bei der Bekämpfung von Drogenschmuggel und islamischem Extremismus. Inoffiziell geht es
Westeuropa auch um den Zugriff auf die reichen Öl- und Gasressourcen der Region, mittels derer
die EU ihre Abhängigkeit von russischen Importen reduzieren will. Mindestens fünf Prozent der
weltweiten Vorräte lagern in Zentralasien.
Die Erfolgschancen sind begrenzt. Europa kommt spät und muss sich auf einen harten Wettbewerb
einstellen. Staatsnahe russische Unternehmen wie Gasprom, die sich durch langfristige Verträge
schon den Löwenanteil der Gasproduktion Turkmenistans und Kasachstans gesichert haben,
betreiben inzwischen auch mit Usbekistan ehrgeizige Projekte zur Erschließung dortiger Gasfelder.
Überdies verfügt Moskau bisher über das Monopol für die Durchleitung nach Westen. Eine
alternative Pipeline unter Umgehung Russlands, für die Brüssel bereits eine Machbarkeitsstudie in
Auftrag gegeben hat, ist nicht nur sehr teuer, sondern auch mit erheblichen Risiken behaftet. Die
Leitung müsste auf dem Grund der Kaspi-See verlegt werden und führte durch den politisch
instabilen Südkaukasus.
Auch die USA sind bereits seit Anfang der 90er Jahre in der Region präsent und bleiben trotz
politischer Rückschläge – Usbekistan kündigte Washington 2005 die Nutzungsverträge für seine
Luftwaffenbasen und die von US-amerikanischen Organisationen inszenierte »Revolution« in
Kirgistan ging nach hinten los – weiterhin ein mächtiger Rivale.
Dazu kommt, dass auch China in Zentralasien mitmischt und nicht nur auf die Öl- und Gasfelder,
sondern auch auf direkten Zugang zur strategisch wichtigen Kaspi-See drängt. Peking setzt dabei
vor allem auf die Partnerschaft mit Turkmenistan. Die Entwicklungen nach dem Tode von Diktator
Saparmurat Nijasow lassen vermuten, dass dessen Erben das chinesische Entwicklungsmodell
kopieren wollen: Liberalisierung der Wirtschaft plus ein Minimum der an notwendigen politischen
Freiheiten.
Die einzige Chance der Europäischen Union besteht daher darin, den Autokraten der fünf
Republiken klar zu machen, dass Europa als Partner kommt, der bereit ist, in die Bildung und die
Infrastruktur zu investieren, und Hilfe zur Linderung der Klima- und Umweltkatastrophe anbietet, die
durch die Austrocknung des Aral-Sees in Gang gesetzt wurde. Durch Annäherung und Einbindung
könnten auch die verkrusteten politischen Strukturen in der Region allmählich aufgebrochen werden.
Deutschland steht den umstrittenen Ambitionen Kasachstans auf den OSZE-Vorsitz 2009 daher
durchaus aufgeschlossen gegenüber.
* Aus: Neues Deutschland, 28. März 2007
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