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Der versprochene Fonds

Plan B wie Bohrungen nach Öl im Nationalpark: Ecuador glaubt nicht mehr an die Weltgemeinschaft

Von Gonzalo Ortiz und Johanna Treblin, IPS *

Die Regierung Ecuadors geht nicht mehr davon aus, daß der Nationalpark Yasuní mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft zu retten ist. Wenn bis zum Jahresende nicht wenigstens 100 Millionen Dollar in den internationalen Hilfsfonds zur Rettung des Parks eingezahlt werden, will Präsident Rafael Correa die groß angelegte Initiative einstampfen und das Naturschutzgebiet in die Hände von Ölfirmen geben. Er hat das wiederholt angekündigt. In den Fonds wurden bisher dennoch nur 1,4 Millionen Dollar eingezahlt. 100 Millionen wären eine erste Rate. Aller Voraussicht nach wird die Regierung in Quito das Gebiet Ishpingo-Tambococha-Tiputini (ITT) im Nationalpark Yasuní also im kommenden Jahr für Ölbohrungen freigeben.

Die Drohung steht schon länger im Raum, aber seit Mitte vergangener Woche liegen konkrete Zahlen auf dem Tisch. Zu verdanken ist das dem ecuadorianischen Minister für fossile Ressourcen, Wilson Pastor. Am 13. Juni erklärte er auf einer Konferenz der Lateinamerikanischen Organisation für Energie, Olade, daß schon bald 14 Ölfelder angezapft werden sollen. Investitionen in Höhe von etwa 8,6 Milliarden US-Dollar seien nötig. Die Rendite läge bei 99 Prozent. »846 Millionen Tonnen Öl lagern unter der Erdoberfläche, die doppelte Menge ist wahrscheinlich, möglich ist sogar das dreifache Volumen«, meinte Pastor auf der Konferenz und fügte an, daß die Ölförderung im dritten Quartal 2012 beginnen könne. Daß sein Ministerium schon seit März Interessenten sucht, wollte er weder bestätigen noch dementieren.

Der Fonds zur Rettung des Parks wurde nach zähen Verhandlungen vor einem Jahr eingerichtet. Seine Grundlage ist ein bisher einzigartiges Tauschgeschäft. Das lateinamerikanische Land verpflichtet sich, auf die Förderung von Erdöl im Yasuní-Nationalpark zugunsten der Umwelt und der dort lebenden indigenen Bevölkerung zu verzichten. Im Gegenzug zahlt die internationale Gemeinschaft als Ausdruck ihrer »Mitverantwortung« 20 Jahre lang die Hälfte der erwarteten Deviseneinkünfte in einen Kompensationsfond ein – und damit insgesamt rund 3,6 Milliarden US-Dollar. Das Geld soll dem von Erdölexporten abhängigen Land eine alternative Entwicklung ermöglichen.

Der Plan wurde bereits Ende der 1990er Jahre von Umweltschützern entwickelt. Im September 2007 präsentierte ihn Präsident Correa der UN-Vollversammlung. Drei Jahre später unterzeichnete Correa ein entsprechendes Abkommen mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), das den Fonds treuhänderisch verwalten soll.

Der Zuspruch war zunächst riesig. Etliche Staaten kündigten an, das Vorhaben zu unterstützen. Zu den stärksten Fürsprechern zählte Deutschland, das aber mittlerweile wieder abgesprungen ist. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) begründete den gewohnt ungeordneten Rückzug damit, daß die Yasuní-Initiative ein Vorbild für andere Staaten mit ähnlichen Ansinnen sein könnte. Wenn ein solcher Fonds erst einmal eingerichtet sei, könne man vielen Projekten die Unterstützung nicht mehr verweigern. Gerade sein wunderbarer Beispielcharakter macht den Fonds also unmöglich. Er wäre mit einem Paradigmenwechsel verbunden, den sich der Westen nicht leisten will.

Bisher verfügt der Treuhandfonds des UNDP wie gesagt über ein gutes Hundertstel der ersten Rate. Correa versichert immer häufiger, daß er zum Wohl seiner Landsleute Plan B umsetzen wird: »Wenn die internationale Gemeinschaft nicht zahlen will, sehen wir uns gezwungen, das Öl aus der Erde zu holen.«

* Aus: junge Welt, 21. Juli 2011




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