Deutsche Unterstützung für Israel wackelt leicht
Bundestagsfraktionen einstimmig gegen Blockade von Gaza
Von Christian Klemm *
Der Angriff auf eine Solidaritätsflotte nach Gaza im März hatte gestern (2. Juli) ein parlamentarisches Nachspiel im Bundestag: Einstimmig wird Israel
aufgefordert, die Blockade des dicht besiedelten Küstenstreifens zu beenden.
Über alle Fraktionsgrenzen hat der Bundestag am Donnerstagabend (1. Juli) ein Ende der israelischen Blockade des Gazastreifen gefordert. In einem
gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, FDP, Grünen und SPD heißt es, dass die
Blockade nicht den »politischen und Sicherheitsinteressen Israels«
diene. Die Abriegelung sei für das Land »kontraproduktiv«, da die
radikalislamische Organisation Hamas durch sie nicht geschwächt werde,
sondern von ihr »politisch und wirtschaftlich« profitiere. Der Antrag
fordert außerdem das Ende des Raketenbeschusses aus Gaza auf
israelisches Territorium. Auch der Waffenschmuggel nach Gaza müsse
unterbunden werden.
Die Initiative des Bundestags geht auf einen Zwischenfall vor der Küste
Israels zurück. Am 31. Mai stürmten israelische Elitesoldaten im
Morgengrauen eine internationale Solidaritätsflotte, die Hilfsgüter in
den seit drei Jahren abgeriegelten Landstrich bringen wollte. Dabei
kamen neun Menschen ums Leben. Mehrere Deutsche waren an Bord des
türkischen Schiffes »Mavi Marmara«, darunter die Bundestagsabgeordneten
der Linkspartei Inge Höger und Annette Groth. International löste das
Vorgehen der israelischen Armee empörte Proteste aus. Der Antrag von
Union, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordert eine umfassende
Aufklärung der Vorfälle.
Die Linksfraktion brachte einen
eigenen Antrag ins Parlament ein. Der
Grund: Die Unionsfraktion verweigert es, mit der LINKEN gemeinsame
Anträge zu formulieren. Dennoch erhielt der interfraktionelle Antrag
auch die Zustimmung der Linksfraktion, auch wenn inhaltliche Kritik an
ihm geäußert wird, wie ND aus Fraktionskreisen erfuhr. So werde
unterschwellig versucht, die Solidaritätsflottille zu delegitimieren.
Neben einer »sofortigen Beendigung« der Blockade fordert die Linkspartei
eine »geregelte, freie Ein- und Ausreise« sowie einen sicheren Transport
von Waren und Gütern nach Gaza. Im Gegensatz zu den anderen Parteien
plädiert die LINKE für eine »Wiedergutmachung« gegenüber den Opfern des
Angriffs von Israel.
Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi betonte aus dem gegebenen Anlass die
Seltenheit einstimmiger Beschlüsse im Bundestag. »Die israelische
Regierung kann künftig nicht mehr erwarten, aus Deutschland unkritisch
begleitet zu werden«, so Gysi gestern (2. Juli) außerdem. Die außenpolitische
Sprecherin der Grünen-Fraktion, Kerstin Müller, nannte die
fraktionsübergreifende Forderung nach Aufhebung der Blockade gegenüber
ND einen »großen Schritt«. Es sei wichtig, so Müller, dass »die
Fraktionen sich nicht mit der israelischen Untersuchungskommission
zufrieden geben, sondern weiterhin an einer internationalen Untersuchung
festhalten.«
* Aus: Neues Deutschland, 3. Juli 2010
Dokumentiert:
Resolution des Zentralrats der Juden zur Gaza-Solidaritätsflotte,
der geplanten interfraktionellen Anträge der Bundestagsfraktionen und
der aktuellen Entwicklung im Nahen Osten
Die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten erfüllen uns mit großer Sorge.
Der in Teilen der Öffentlichkeit und den Medien teilweise erkennbare
Versuch, Israel alleine für die neuerliche Eskalation der Lage im Nahen
Osten und die schwierige Situation nicht nur der palästinensischen
Bevölkerung im Gaza-Streifen verantwortlich zu machen, wird den Realitäten
nicht gerecht und darf nicht ohne Widerspruch hingenommen werden.
Die Ereignisse um die "Gaza-Solidaritätsflotte" und vor allem die tragischen
Opfer des Militäreinsatzes verlangen eine rückhaltlose und umfassende
Aufklärung der Ereignisse. Zu viele wichtige Details liegen noch im Dunkeln,
und die Wahrheit wird ans Tageslicht kommen. Erst dann können Urteile
ausgesprochen und legitime Forderungen für die Zukunft formuliert werden.
Der geplante interfraktionelle Antrag der Parteien CDU/CSU, FDP, SPD und
Bündnis 90/Die Grünen sowie der Einzelantrag der Partei "Die Linke" basieren
auf einer unvollständigen Informationslage und einem Gemisch von
Halbwahrheiten und Vorurteilen in der Öffentlichkeit. Sie sind eine
einseitige Parteinahme gegen Israel. Dieses Verhalten ist beispiellos in der
Geschichte der Freundschaft der Bundesrepublik Deutschland und Israel und
verschärft den Konflikt im Nahen Osten, statt eine Friedensperspektive zu
ermöglichen.
Der Forderung nach einer sofortigen Aufhebung der Gaza-Blockade wird keine
umsetzbare Lösung zur Verhinderung des Waffenschmuggels über die Landes-
und Seegrenzen hinweg gegenübergestellt. Auch ist eine umfassende
Strategie zur Gewährleistung der legitimen Sicherheitsinteressen des
Staates Israel
einerseits und der Verbesserung der Lebenssituation der Palästinenser in
Gaza andererseits sowie der wirksamen Bekämpfung der internationalen
Terrororganisation Hamas nicht erkennbar.
Entgegen anderslautender Erklärungen ist und bleibt die Hamas kein Partner
für den Frieden. Mit den anstehenden Resolutionen im Deutschen Bundestag
werden keine Handlungsalternativen aufgezeigt oder praktische Verantwortung
für die Sicherheit in der Region übernommen. Damit widerspricht der
Deutsche Bundestag dem strategischen Interesse der Bundesrepublik
Deutschland nach einem dauerhaften Frieden und Stabilität im Nahen Osten.
Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland,
Berlin, den 27.06.2010;
Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland,
Frankfurt a. Main, den 30.06.2010
Quelle: Website des Zentralrats der Juden; www.zentralratdjuden.de
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