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Israel: Keine Absprache mit "Terroristen"

Außenministerin Livni zeigte EU-Delegation die kalte Schulter / Opferzahl auf über 550 gestiegen *

Israel setzt seinen Krieg im Gazastreifen ungeachtet intensiver diplomatischer Bemühungen fort. Nach palästinensischen Angaben starben dort bis Montagabend 555 Menschen.

Gaza/Jerusalem (AFP/ND). Am zweiten Tag der israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen sind palästinensischen Angaben vom Montag zufolge 50 Palästinenser getötet worden. Unter den Opfern seien auch zwölf Kinder. In Gaza wurden eine Mutter und ihre vier Kinder getötet, zwei weitere Kinder kamen demnach bei israelischen Luftangriffen in Dschabalija und eines in Seitun, einem Vorort von Gaza, um. Laut dem Chef des ärztlichen Notdienstes, Muawija Hassanein, kamen seit Beginn der israelischen Offensive gegen die Hamas am 27. Dezember insgesamt 555 Palästinenser ums Leben, 2700 weitere wurden verletzt.

Zum ersten Mal seit Beginn der israelischen Bodenoffensive haben sich dabei israelische Soldaten und Kämpfer der Hamas am Montagabend schwere Kämpfe in Gaza geliefert. Das gaben übereinstimmend palästinensische Augenzeugen und israelische Militärkreise an.

Israels Verteidigungsminister Ehud Barak kündigte eine Fortsetzung des Krieges an. »Wir haben der Hamas einen harten Schlag versetzt«, sagte er. Da aber noch nicht alle Ziele erreicht worden seien, gehe die Offensive im Gazastreifen weiter. »Wir machen alles, was ein Staat machen muss, um seine Bevölkerung zu beschützen«, sagte Barak. Die israelische Luftwaffe bombardierte nach Armeeangaben in der Nacht zum Montag mehr als 30 Ziele im Gazastreifen. Darunter seien auch eine Moschee in Dschabalija sowie Wohnhäuser gewesen, die als Waffenversteck gedient hätten.

Nach Angaben der israelischen Polizei feuerten radikale Palästinenser seit Sonntagabend 24 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab. Dadurch wurden zwei Menschen in Aschkelon verletzt. Israels Außenministerin Zipi Livni lehnte die Forderungen einer EU-Vermittlerdelegation nach einem sofortigen Ende der Kämpfe ab. »Wir bekämpfen den Terrorismus, und wir werden keine Absprachen mit dem Terrorismus treffen«, sagte Livni mit Blick auf die Hamas.

Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy traf zu einer Vermittlungsmission im Nahen Osten ein. Er traf sich im ägyptischen Küstenort Scharm el Scheich mit Ägyptens Staatschef Husni Mubarak. Dabei sei es vor allem um die Bemühungen Ägyptens um eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen gegangen, meldete die ägyptische Nachrichtenagentur Mena. Auch die Hamas wollte am Montag eine Delegation nach Ägypten entsenden.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Januar 2009


UNIFIL in Libanon Vorbild für Gaza?

Schwierige EU-Mission in Nahost

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem **


Israels Regierung lehnt weiter einen Waffenstillstand ab, und das obwohl viele Regierungen dazu drängen. Deshalb sucht die internationale Gemeinschaft, allen voran die EU, nach diplomatischen Lösungen. Der Favorit derzeit: internationale Beobachter nach dem Vorbild der UNIFIL in Libanon.

Innerhalb kürzester Zeit haben die israelischen Bodentruppen den Gaza-Streifen in drei Teile gespalten, Gaza-Stadt nahezu vollständig umstellt und die Hauptstadt des unter der Kontrolle der radikalislamischen Hamas stehenden Landstrichs damit vom Rest des Gebiets abgeschnitten - um Kämpfern der Hamas die Fortbewegung zu erschweren, sagt das Militär zur Begründung. Soldaten durchsuchen derweil nach wie vor im Norden des Gaza-Streifens Haus um Haus und liefern sich dabei schwere Gefechte mit Angehörigen der Essedin-al-Kassam-Brigaden, wie der bewaffnete Flügel der Hamas offiziell heißt. Man müsse sich auf einen langen Kampf einstellen, sagen Regierungssprecher; es gebe Ziele, die noch zu erfüllen seien, bevor man sich auf einen Waffenstillstand einlassen könne. So müsse man sicherstellen, dass die Hamas sich nicht erneut bewaffnen könne.

In der Tat gehen die Kämpfe unerbittlich weiter; die Zahl der Todesopfer liegt auf palästinensischer Seite mittlerweile bei über 500.

Die Heftigkeit, mit der Israel gegen die Hamas und ihre Infrastruktur inmitten von 1,5 Millionen Menschen auf engstem Raum vorgeht, hat im Ausland zu Massendemonstrationen geführt, die den Druck auf die Regierungen wachsen lassen. »Wir müssen davon ausgehen, dass jeder tote Hamas- Kämpfer drei weitere zur Folge hat. Israel vertieft durch sein Vorgehen den Hass nur noch weiter«, sagt ein Diplomat der EU, der gemeinsam mit Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner, EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, dem EU-Chefdiplomaten Javier Solana sowie den Außenministern Schwedens und Tschechiens, Carl Bildt und Karel Schwarzenberg, den Nahen Osten bereist. Die Mission: einen Waffenstillstand auszuhandeln, und zwar möglichst bald.

Die Europäische Union, in Sonderheit Frankreich, bemüht sich zurzeit am stärksten um eine solche Waffenruhe, nachdem der Versuch gescheitert ist, eine UN-Resolution gegen den Krieg in Gaza, der nach israelischer Lesart immer noch die Operation »Gegossenes Blei« ist, zu verabschieden. »Es ist eine schwierige Aufgabe«, sagt der EU-Diplomat. »Wir verstehen das israelische Bedürfnis nach Ruhe für seine Bürger, aber wir sehen auch das Leiden im Gaza-Streifen. Deshalb müssen wir kreative Lösungen finden, die über einen normalen Waffenstillstand hinaus gehen.«

Das am meisten favorisierte Modell sind derzeit internationale Friedenstruppen nach dem Vorbild der UNIFIL im Süden Libanons. Sie sollen in Gaza die Raketenabschüsse der Hamas verhindern und gleichzeitig sicherstellen, dass die Grenzübergänge in den Gaza-Streifen geöffnet werden können - denn das lehnt Israel seit Monaten ab, so lange auf der anderen Seite Mitglieder der Hamas die Abfertigung kontrollierten.

Auch jetzt steht man den internationalen Bemühungen skeptisch gegenüber: »Eine solche Mission müsste wirklich weit reichende Befugnisse haben«, sagt ein Mitarbeiter der israelischen Regierung. Es könne nicht wieder so sein wie zu Zeiten der EU-Mission am Grenzübergang Rafah nach Ägypten, als die Beobachter bei Anzeichen von Ärger das Weite suchten. »So lange wir uns nicht sicher sind, dass die internationale Gemeinschaft wirklich dazu bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, werden wir das selber tun.«

** Aus: Neues Deutschland, 6. Januar 2009


Offizielle Stellungnahmen der israelischen Führung zur Lage in Gaza

Präsident Shimon Peres: „Europa muss seine Augen öffnen in Hinsicht auf die Kämpfe in Gaza. Keines der europäischen Länder würde Raketenfeuer auf seine Bürger tolerieren, und sie müssen verstehen, dass die Hamas eine Terrororganisation der schlimmsten Sorte ist, die ihre Bevölkerung von Frauen und Kindern als menschliche Schutzschilde missbraucht.“
(Treffen mit einer Delegation von Vertretern der Europäischen Union unter Leitung von Karel Schwarzenberg, dem Außenminister der Tschechischen Republik, 06.01.08)

Ministerpräsident Ehud Olmert: Parallel zur Militäroperation unternimmt Israel verschiedene Schritte, um ein diplomatisches Abkommens zu erzielen.
(Gespräch mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Mirek Topolanek, 05.01.08)

Außenministerin Tzipi Livni: „Ich glaube, dass wir alle Teil derselben Koalition gegen den Terror sind. Was wir im Gaza-Streifen vor uns sehen, ist Terror. Die Hamas, die eine anerkannte Terrororganisation ist und den Anforderungen der internationalen Gemeinschaft einschließlich Europas – Israels Existenzrecht zu akzeptieren und der Gewalt und dem Terrorismus abzuschwören - nicht entsprochen hat, ist die selbe Hamas, die Israel seit mittlerweile acht Jahren angreift. Dies ist dieselbe Hamas, die den Gaza-Streifen beherrscht, ein Gebiet, das Israel verlassen hat, um dem Frieden Hoffnung zu geben. Und nun müssen wir gegen den Terror vorgehen, gegen die Hamas, weil dies Teil unserer Verantwortung als Regierung ist, um unseren Bürgern ein friedliches Leben zu ermöglichen.“
„Wir befinden uns derzeit in schwierigen Tagen, an denen es noch immer Militäroperationen gibt. Wir haben wiederholt betont, dass Israel all die notwendigen Schritte ergreift, um die humanitäre Situation zu erleichtern. […] Wir arbeiten mit der EU zusammen. Und dies ist bedingungslos. Dies ist etwas, dass wir wegen unserer Werte tun, da wir nicht versuchen, die Bevölkerung zu bestrafen. Und wir tun dies sogar während einer sehr schwierigen Militäroperation im Gaza-Streifen, und wir tun dies in Koordination [mit der EU], da ich ihre Sorgen verstehe, wenn es um die humanitären Bedürfnisse der Bevölkerung geht.“
(Treffen mit einer Delegation von Vertretern der Europäischen Union unter Leitung von Karel Schwarzenberg, dem Außenminister der Tschechischen Republik, 05.01.08)

„Das Quartett hat klare Bedingungen für eine Anerkennung der Hamas gestellt, und die Hamas hat diese nicht erfüllt. Die Hamas, die der Quartett-Politik zuwiderhandelt, ist dieselbe Hamas, die sich im Terrorismus gegen israelische Bürger betätigt. Wir müssen Entschiedenheit im Kampf gegen den Terror zeigen, damit die Situation in der Region sich beruhigt, und das ist, was wir nun tun. Israel kämpft gegen den Hamas-Terrorismus, aber mit den Gemäßigten in der Region möchte Israel einen Dialog führen. Wir müssen den Terrorismus bekämpfen, damit es einen politischen Horizont geben kann.“
(Treffen mit dem Sondergesandten des Nahost-Quartetts, Tony Blair, 05.01.08)

Außenministerium des Staates Israel, 05/06.01.09

Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin, 6. Januar 2009




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