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Kaukasus-Gespräche stocken

Moskau sieht Solidarität des Westens mit Georgien bröckeln

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Die EU zeigte sich befriedigt über die Ergebnisse der dritten Runde der Georgien-Konferenz, die Ende letzter Woche in Genf stattfand. Obwohl das praktische Ergebnis mager ist.

Unter Ägide der Europäischen Union, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der UNO und der USA suchen Russland, Georgien und dessen abtrünnige Regionen – Südossetien und Abchasien – seit Mitte Oktober in Genf nach einer Lösung für die Konflikte im südlichen Kaukasus. Bisher mit mäßigem Erfolg. Die erste Runde im Oktober wurde abgebrochen, weil die Vertreter Südossetiens und Abchasiens auf gleichberechtigter Teilnahme an den Verhandlungen bestanden. Wichtigstes Ergebnis der dritten Runde ist daher aus Sicht Frankreichs, das noch bis Jahresende den EU-Vorsitz inne hat, dass »die Diskussion weiter geht und der Meinungsaustausch zu wichtigen Fragen vertieft« geführt wird. Es gebe jedoch nach wie vor Barrieren, an deren Überwindung gearbeitet werden müsse.

Immerhin geht es statt um Verfahrensfragen in Genf inzwischen um konkrete Inhalte. Diese werden in zwei Arbeitsgruppen behandelt. Eine befasst sich mit konkretem Konfliktmanagement: Die in Georgien stationierten EU-Beobachter wollen sich Zugang auch zu Südossetien und Abchasien verschaffen, den ihnen die dortigen Behörden und Russland bisher verwehren. Die etwa 300 Europäer können daher momentan nur in den Pufferzonen auf georgischer Seite tätig werden.

Am Montag (22. Dez.) lehnte Russland auch die Verlängerung des Mandats der 1992 gebildeten OSZE-Beobachtermission in Georgien ab. Die OSZE-Mission war bis zum 8. August in Südossetien aktiv, als die georgischen Truppen die südossetische Hauptstadt Zchinwali angriffen. Nach Beendigung des bewaffneten Konflikts hatte die Mission nach Zchinwali zurückkehren wollen. Die Behörden Südossetiens werfen der Organisation jedoch vor, ihre Vertreter hätten von den Kriegsvorbereitungen Georgiens gewusst, aber nichts unternommen, um die Invasion zu verhindern.

In der zweiten Arbeitsgruppe der Genfer Konferenz geht es um Flüchtlinge und Vertriebene. Priorität hat dabei die Suche nach Möglichkeiten für diese, die gegenwärtig geschlossenen Grenzkontrollstellen zwischen Georgien und Südossetien zu passieren.

Beobachter in Moskau sind der Auffassung, dass die uneingeschränkte Solidarität des Westens mit Georgien zu bröckeln beginnt. Das hat offenbar auch mit den innenpolitischen Auseinandersetzungen in Georgien zu tun, wo das Parlament in der vergangenen Woche seine Untersuchungen zu Ursachen und Verlauf des Krieges sowie zur Rolle von Staatschef Michail Saakaschwili abgeschlossen hatte. Die Untersuchungskommission wiederholte zwar den Vorwurf der Aggression gegen Russland, obwohl Saakaschwili selbst zugegeben hatte, den Befehl zum »Präventivschlag« auf Südossetien gegeben zu haben. Zugleich enthält der Bericht aber vernichtende Kritik an der georgischen Kriegführung.

Ähnlich fällt auch die Einschätzung der Saakaschwili-Paten in Washington aus. Senator Richard Lugar, der bei einer Pressekonferenz in Moskau auch das Thema Georgien streifte, kann nicht verstehen, wieso die technisch überlegen ausgestattete georgische Armee, die von US-amerikanischen und israelischen Ausbildern gedrillt worden war, derartig ruhmlos abschnitt. Lugar machte dafür vor allem menschliches Versagen und gravierende operativv-taktische Fehler verantwortlich.

Hoffnungen Georgiens auf einen konkreten Termin für Beitrittsverhandlungen mit der NATO haben sich dadurch aus Sicht russischer Experten weiter verschlechtert. Lugar machte in Moskau zudem deutlich, dass weder die USA noch die Allianz in überschaubaren Zeiträumen vorhaben, Truppenstützpunkte in Georgien einzurichten. Ihm sei über diesbezügliche Pläne nichts bekannt.

Russland sieht darin ein Signal dafür, dass Barack Obama und die neue Regierung in Washington bereit sind, ihre Außenpolitik im postsowjetischen Raum zu überdenken und auf die legitimen Interessen Russlands mehr als bisher Rücksicht zu nehmen.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Dezember 2008


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