US-Außenminister Powell: "Obwohl Kay und sein Team bisher keine Waffenlager entdeckt haben..."
... war das "Vorgehen unserer Koalition gegen Saddam Husseins Regime gerechtfertigt"
Im Wortlaut: Colin Powell zum Kay-Bericht
Trotz drei Monate langer aufwändiger Suche haben die USA keine Beweise für irakische Massenvernichtungwaffen in der Hand. Die Tatsache, dass bislang nichts gefunden worden sei, heiße aber nicht, dass es keine Waffen gebe, betonte der Chef des US-Inspektorenteams, David Kay, bei der Vorstellung seines ersten Zwischenberichts am 3. Oktober in Washington. Die Arbeit seines Teams, der Iraq Survey Group (ISG), werde weitere sechs bis neun Monate beanspruchen, sagte Kay. Trotz ausbleibender Waffenfunde gebe es "beträchtliche Beweise" dafür, dass Irak den Bau von chemischen und biologischen Waffen geplant habe. Zudem habe die frühere irakische Regierung an einem "sehr breit gefächerten" Programm gearbeitet, das die Reichweite der irakischen Raketen auf mehr als tausend Kilometer gebracht hätte.
Der Bericht von Kay wurde weltweit als blamabel für die US-Administration (vgl. die internationalen Pressestimmen vom 4. Oktober, die sich mit dem Untersuchungsbericht befassten. Die US-Regierung und Tony Blair in Großbritannien zogen entgegengesetzte Schlüsse daraus. US-Außenminister Colin Powell veröffentlichte in der Washington Post am 7. Oktober einen namentlich gezeichneten Artikel, in dem er im Grunde den Kriegskurs der US-Regierung bestätigt sieht.
Wir dokumentieren im Folgenden den Namensartikel von Außenminister Colin L. Powell in einer vom Amerika Dienst besorgten Übersetzung. ("Powell Says Kay Report Confirms Iraq Defied U.N. Res. 1441")
Erkenntnisse des Kay-Berichts
Von Colin L. Powell
Die vorläufigen Erkenntnisse von David Kay und der Irak-Inspektionsgruppe
zeigen zwei Dinge ganz deutlich: Der Irak Saddam Husseins hat seine
Verpflichtungen gegenüber den Vereinten Nationen erheblich verletzt bevor
der Sicherheitsrat vorigen November Resolution 1441 verabschiedete, und der
Irak verletzte seine Verpflichtungen weiter erheblich nachdem die Resolution
verabschiedet worden war.
Die vorläufigen Erkenntnisse Kays bieten detaillierte Beweise für die
Bestrebungen Husseins, der internationalen Gemeinschaft bis zuletzt zu
trotzen. Der Bericht beschreibt eine Reihe von Aktivitäten im Zusammenhang
mit Massenvernichtungswaffen, die "gegenüber den Vereinten Nationen
deklariert hätten werden müssen". Er bestätigt, dass die verbotenen
Programme des Irak unter Einsatz von tausenden von Menschen und Milliarden
von Dollar über mehr als zwei Jahrzehnte liefen.
Was die Welt vorigen November über die Massenvernichtungswaffen-Programme
des Irak wusste, reichte aus, um ernsthafte Konsequenzen im Rahmen von
Resolution 1441 anzudrohen. Was wir jetzt als Ergebnis der Arbeit von David
Kay erfahren haben, bestätigt, dass Saddam Hussein die Absicht hatte, seine
Arbeit an verbotenen Waffen trotz der UN-Inspektionen fortzusetzen, und dass
wir und unsere Koalitionspartner Recht hatten, die Gefahr zu beseitigen, die
dieses Regime für die Welt darstellte.
Obwohl Kay und sein Team bisher keine Waffenlager entdeckt haben, werden sie
in den kommenden Monaten mit ihrer wichtigen und beschwerlichen Arbeit
fortfahren. Alle Zeichen sprechen dafür, dass sie weitere Beweise für die
gefährlichen Absichten Saddam Husseins finden werden.
Vor dem Krieg hatten unsere Nachrichtendienste eine gezielte Kampagne zur
Verhinderung sinnvoller Inspektionen festgestellt. Wir wussten, dass
irakische Beamte, Mitglieder der regierenden Baath-Partei und
Wissenschaftler verbotene Objekte in ihren Häusern versteckten.
Und siehe da, Kay und sein Team fanden Stränge von Organismen im Haus eines
Wissenschaftlers versteckt, und sie berichteten, dass einer der Stränge zur
Herstellung biologischer Kampfstoffe verwendet werden könnte. Kay und sein
Team haben auch Dokumente und Geräte bei den Wissenschaftlern entdeckt, die
für die Wiederaufnahme der Bestrebungen zur Urananreicherung nützlich
gewesen wären.
Kay und sein Team haben "dutzende von Programmaktivitäten im Zusammenhang
mit Massenvernichtungswaffen entdeckt, sowie eine große Anzahl von Geräten,
die der Irak vor den Ende 2002 begonnen Inspektionen der Vereinten Nationen
versteckte. Der Fund ... kam durch Eingeständnisse bezüglich bisher von
irakischen Wissenschaftlern und Beamten absichtlich zurückgehaltener
Informationen zustande sowie durch physische von der Irak-Inspektionsgruppe
entdeckte Beweise - Geräte und Aktivitäten - die bei den Vereinten Nationen
deklariert hätten werden müssen."
Der Kay-Bericht spricht auch das Thema möglicher mobiler Labors für
biologische Kampfstoffe an: "Die Ermittlungen zur Herkunft und der
beabsichtigten Verwendung zweier im April im Nordirak gefundener Anhänger
haben einige Erklärungsmöglichkeiten geliefert, darunter Wasserstoff,
Raketentreibstoffe, und die Herstellung biologischer Kampfstoffe, aber
aufgrund technischer Einschränkungen sind diese Verfahren nicht ideal für
diese Anhänger geeignet. Nachdem das gesagt ist: Ihre Verwendung zur
potenziellen Herstellung biologischer Kampfstoffe ist durch nichts
ausgeschlossen." Kays Erkenntnisse sind in diesem Punkt nicht schlüssig. Er
wird weiter an dem Problem arbeiten.
Kay und sein Team haben jedoch Folgendes gefunden: "Ein geheimes Netz von
Labors und sicheren Häusern innerhalb des irakischen Nachrichtendienstes mit
Geräten, die der Überwachung durch die Vereinten Nationen unterliegen und
für weitere Forschung an chemischen und biologischen Waffen geeignet sind."
Sie entdeckten außerdem: "Einen Gefängnislaborkomplex, der wahrscheinlich
für Menschenversuche mit biologischen Kampfstoffen benutzt wurde; irakische
Regierungsvertreter, die die Vorbereitungen für die UN-Inspektionen trafen,
wurden ausdrücklich angewiesen, diese Einrichtung den Vereinten Nationen
gegenüber nicht anzugeben."
Der Kay-Bericht bestätigt, dass unsere Nachrichtendienste das Unternehmen Al
Kindi zu Recht verdächtigte, an den verbotenen Aktivitäten beteiligt zu
sein. Raketenbauer bei Al Kindi erzählten Kay und seinem Team, dass der Irak
die Arbeit an der Umwandlung der SA-2-Boden-Luft-Raketen in ballistische
Raketen mit einer Reichweite von rund 250 Kilometer wieder aufgenommen habe,
und dass diese Arbeit sogar fortgesetzt wurde als die UNMOVIC-Inspektoren im
Irak waren. Die von den Vereinten Nationen für den Irak vorgeschriebene
Obergrenze war eine Reichweite von 150 Kilometern.
Der Kay-Bericht bestätigte auch unsere nachrichtendienstlichen Erkenntnisse
aus der Vorkriegszeit, die andeuteten, dass der Irak Raketen mit einer
Reichweite von bis zu 1.000 Kilometern entwickelte. Kay erhärtete ebenso
unsere Berichte, dass der Irak ein unbemanntes Luftfahrzeug mit einer
Reichweite von 500 Kilometern erprobt hatte, was ebenfalls eine Verletzung
der UN-Resolutionen darstellte.
Außerdem stellten er und sein Team fest, dass sogar noch nach dem
Zusammenbruch von Saddam Husseins Regime sorgfältig versucht wurde, illegale
Programme vor den Inspektoren zu verbergen. Wichtige Beweise wurden in der
Nachkriegszeit bewusst vernichtet oder verlagert. In vielen der Entwicklung
von Massenvernichtungswaffen verdächtigten Büros, Labors und Unternehmen
wurden Computer-Festplatten zerstört, Akten verbrannt und Geräte sorgfältig
von allen Spuren der Benutzung gereinigt - und zwar auf eine Art und Weise,
die eindeutig absichtlich und gezielt, und nicht wahllos war.
Vor einem Jahr, als Präsident Bush seine Besorgnis über den Irak bei den
Vereinten Nationen vortrug, stellte er klar, seine Hauptsorge in der Welt
nach dem 11. September sei nicht nur, dass ein Schurkenregime wie das Saddam
Husseins Programme für Massenvernichtungswaffen unterhielt, sondern dass
diese schrecklichen Waffen ihren Weg aus dem Irak in die Hände von
Terroristen finden könnten, die noch weniger Bedenken hätten, sie gegen
unschuldige Menschen auf der ganzen Welt einzusetzen.
In dem Zwischenbericht belegen Kay und sein Team die bedrückende Tatsache,
dass sie "Menschen, technische Informationen und illegale Beschaffungsnetze
gefunden hatten, die die globale Verbreitung von Massenvernichtungswaffen
beschleunigen könnten, würden sie in andere Länder und Regionen gelangen".
Allein diese schreckliche Vorstellung beseitigt zu haben, rechtfertigt das
Vorgehen unserer Koalition gegen Saddam Husseins Regime. Aber das ist nicht
die einzige Leistung unserer tapferen Männer und Frauen in Uniform und ihrer
Koalitionspartner.
Vor drei Wochen erwies ich den von Saddam Hussein an einem Freitagmorgen im
März 1988 mit Chemiewaffen ermordeten 5.000 Männern, Frauen und Kindern an
einem Massengrab in der Stadt Halabja im Nordirak meine letzte Ehre. Saddam
Hussein kann kein zweites Halabjas mehr verursachen. Seine "Republik der
Angst" herrscht nicht mehr über die Menschen im Irak. Zum ersten Mal seit
drei Jahrzehnten hat das irakische Volk Grund zur Hoffnung auf die Zukunft.
Präsident Bush hatte Recht: Es war ein böses Regime, tödlich für sein
eigenes Volk, das seine Verpflichtungen gegenüber dem UN-Sicherheitsrat
ständig erheblich verletzte und eine Bedrohung des internationalen Friedens
und der Sicherheit darstellte. Saddam Hussein hätte vor nichts Halt gemacht,
bis ihm jemand Einhalt gebietet. Es ist gut, das wir es getan haben.
Aus: Washington Post, 7. Oktober 2003; Übersetzung: Amerika Dienst;
Originaltext: Powell Says Kay Report Confirms Iraq Defied U.N. Res. 1441;
(siehe http://usinfo.state.gov)
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