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EU-Parlament kappt Dialog mit Iran

Reise von Europaabgeordneten abgesagt / Bundestagstrio darf fahren

Von Katja Herzberg *

Die Führung des Europäischen Parlaments hat zum vierten Mal seit 2009 eine Reise von Abgeordneten nach Teheran verhindert.

Die Absage kam in letzter Minute. Die Abgeordneten der Iran-Delegation des Europäischen Parlaments (EP) waren schon auf dem Weg zum Flughafen, als ihr seit Wochen geplanter Besuch Irans gestrichen wurde. »Ich habe die Reise abgesagt, weil die iranische Gegenseite nicht die letzte vom EU-Parlament geforderte Voraussetzung erfüllen konnte«, teilte die finnische Delegationsvorsitzende Tarja Cronberg (Grüne) am Sonnabend mit.

Gemeint ist ein Treffen mit den am Freitag gekürten Trägern des diesjährigen Sacharow-Preises für geistige Freiheit. Mit Bekanntgabe der Verleihung an den unter Hausarrest stehenden Filmregisseur Jafar Panahi und an die inhaftierte Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh verband die Konferenz der Präsidenten des EP den Auftrag an die Iran-Delegation, die Einladung zur Preisübergabe im Dezember in Straßburg persönlich zu überbringen. Dafür wollte die iranische Führung keine Garantie abgeben.

Es ist bereits die vierte Absage einer Iran-Reise von Europaabgeordneten seit 2009. Auch dieser Anlauf war innerhalb des Parlaments umstritten. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Elmar Brok (CDU), bat in einem Brief an Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) um eine Verschiebung. Mehrere Abgeordnete befürchteten, dass der Besuch vom iranischen Regime instrumentalisiert oder Teheran gar hofiert werden könne.

Cornelia Ernst (LINKE), stellvertretende Vorsitzende der Delegation, versuchte bereits im Vorfeld, diesen Argumenten entgegenzuwirken. Sie kritisiert die kurzfristige Absage. »Wir wussten, worauf wir uns einlassen«, sagte Ernst gegenüber »nd«. Ziel der Reise sei es gewesen, Gespräche mit iranischen Parlamentariern, aber vor allem mit Vertretern der Opposition und der Zivilgesellschaft zu führen. »Wie alle anderen 29 Delegationen haben auch wir die Aufgabe, den Dialog herzustellen«, so Ernst. Sie selbst organisierte ein Treffen mit einer Menschenrechtsaktivistin, das in der deutschen Botschaft stattfinden sollte.

Der CDU wirft Ernst Doppelzüngigkeit vor. Denn während die Reise der zwei Sozialdemokraten, zwei Grünen-Abgeordneten und der Linkspartei-Politikerin abgesagt wurde, flog ein Dreigespann aus einem CDU-, einem FDP- und einer SPD-Bundestagsabgeordneten am Samstag wie geplant nach Teheran. Der Vorsitzende der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe, Bijan Djir-Sarai (FDP), betonte zwar, dass die Themen Kultur und Menschenrechte im Fokus des Besuchs stünden. Angekündigte Gespräche mit der Auslandshandelskammer sowie Spekulationen über Besuche bei der iranischen Autoindustrie stießen jedoch auf Kritik. Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, nannte die Reise gegenüber dem »Handelsblatt« »ein ganz besonders dreistes Stück der politischen und moralischen Verirrung«.

* Aus: neues deutschland, Montag, 29. Oktober 2012


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