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Verbotene Zone

Während Irans Präsident in Davos um westliche Investitionen wirbt, droht Washington Teherans Handelspartnern

Von Knut Mellenthin *

Die US-Regierung hat am Donnerstag in auffallend scharfer Form vor allen Geschäftsbeziehungen mit iranischen Firmen gewarnt. Washington verfolgt damit offenbar die Absicht, dem »Mißverständnis« entgegenzutreten, daß sich nach dem Genfer Abkommen vom 25. November 2013 an der Boykottkampagne gegen Iran etwas ändern würde. In Genf war ein sechsmonatiges Moratorium vereinbart worden, das am Montag in Kraft trat und am 21. Juli endet, sofern es nicht um ein weiteres halbes Jahr verlängert wird. In dieser Zeit nimmt Teheran Einschränkungen an seinem zivilen Atomprogramm vor. Im Gegenzug haben die USA und die EU einige Sanktionen vorübergehend aufgehoben.

Als drastische Warnung an alle internationalen Unternehmen, die sich davon erleichterte Bedingungen für Geschäfte mit dem Iran versprechen, gab das US-Finanzministerium am Donnerstag einen Deal mit Clearstream Banking bekannt. Das in Luxemburg ansässige Finanzinstitut ist eine Tochter der Deutsche Börse AG. Clearstream Banking verpflichtete sich gegenüber der US-Regierung, 152 Millionen Dollar Buße zu zahlen, um die Gefahr abzuwenden, völlig vom US-amerikanischen Markt und Finanzsystem ausgesperrt zu werden. Angeblich hatte das Unternehmen iranischen Banken geholfen, finanzielle Transaktionen vorzunehmen. Ziel der US-Regierung ist, den Iranern jeden internationalen Zahlungsverkehr unmöglich zu machen. Das führt dazu, daß selbst sogenannte humanitäre Güter wie Lebensmittel, Medikamente und medizinische Geräte nur noch in Ausnahmefällen importiert werden können.

Die Bestrafung von Clearstream Banking sei »eine deutliche Botschaft«, daß Geschäfte mit dem Iran auch weiterhin tabu seien, sagte der für die Überwachung der Sanktionen zuständige Staatssekretär im US-Finanzministerium, David Cohen. US-amerikanische Wirtschaftsjuristen weisen darauf hin, daß die Suspendierung einiger Sanktionen, die am Montag in Kraft trat, »sehr kompliziert« sei und daß in der Geschäftswelt deswegen »große Verwirrung« herrsche. Einige Bestimmungen bedürften »weiterer Erklärungen und Verdeutlichungen«. Selbst Geschäfte, die jetzt legal abgeschlossen würden, könnten möglicherweise nach Ende des Moratoriums wieder als illegal gelten – und Strafen nach sich ziehen. Das US-Finanzministerium warnte am Donnerstag vor allen Abschlüssen, die über den 21. Juli hinausreichen.

Diese Situation läßt es zweifelhaft erscheinen, wann und in welchem Ausmaß die versprochenen Sanktionserleichterungen überhaupt real wirksam werden. Sie betreffen ohnehin nur wenige Bereiche, insbesondere die Autoindustrie, Schiffsversicherer, Reedereien und Importeure von petrochemischen Produkten.

Trotzdem haben sich iranische Politiker und Medien seit dem 25. November in eine irreale Lagebeschreibung hineingesteigert, die landesüblich mit »Optimismus« bezeichnet wird. Präsident Hassan Rohani lieferte am Donnerstag neuen Stoff, als er sich während des Weltwirtschaftsforums in Davos mit Vertretern großer internationaler Ölkonzerne traf und um Investitionen warb. Iran benötigt Dutzende Milliarden Dollar, um seine veraltete Öl- und Gasförderung funktions- und wettbewerbsfähig zu erhalten. Investitionen in diesen Industriezweig sind aber schon seit 1995 mit Sanktionen der USA bedroht.

Eine Änderung ist nicht in Sicht. Bei der Diskussion dieser Tatsache wird meist außer acht gelassen, daß das Genfer Abkommen selbst für den Fall einer hundertprozentigen Einigung über das iranische Atomprogramm nicht etwa die Aufhebung aller Sanktionen, sondern ausdrücklich nur die der »nuklearbezogenen« in Aussicht stellt. Das Verbot von Investitionen in die Energiewirtschaft wird aber auch mit Irans angeblicher Rolle als »größter Terrorismusunterstützer der Welt« begründet.

* Aus: junge welt, Samstag, 25. Januar 2014


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