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Ankläger und Verteidiger zugleich

Nach den Erklärungen des Hisbollah-Chefs kommt Bewegung in die Ermittlungen zum Hariri-Mord

Von Karin Leukefeld *

In die Nachforschungen zum Mordfall Hariri kommt Bewegung. Am Mittwoch (11. Aug.) erklärte der leitende Ermittler des UN-Sondertribunals Libanon, Daniel Bellemare, neue Dokumente zu untersuchen, die auf eine mögliche Täterschaft Israels hinweisen könnten. Anfang der Woche (9. Aug.) hatte der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, abgefangene Überwachungsbilder und Filme israelischer Spähdrohnen vorgelegt und diese in Verbindung mit einer möglichen Verantwortung Tel Avivs für das Attentat auf den früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri im Februar 2005 gebracht.

Bellemare forderte nun die libanesische Regierung auf, das von Nasrallah vorgelegte Material dem Sondertribunal und seinen Ermittlungsbehörden zu übergeben. Dazu gehöre auch das Videomaterial, das während der Nasrallah-Pressekonferenz gezeigt worden war. »Relevante Informationen« sollten seinem Büro übergeben werden, sagte Bellemare, er freue sich über alles, was »uns der Wahrheit näherbringt«. Er versichere zudem, das Material gewissenhaft zu prüfen, fügte Bellemare hinzu und versuchte so, die Zweifel Nasrallahs gegen das Sondertribunal zu zerstreuen. Der Hisbollah-Führer solle seine Autorität nutzen, um das Sondertribunal zu unterstützen. Dieser hatte angekündigt, das Material der libanesischen Regierung, nicht aber dem Sondertribunal zu übergeben. Das lehne er als »politisch manipuliert« ab.

In der Tageszeitung Daily Star bezeichnete der bekannte Journalist Rami Khoury die Erklärungen Nasrallahs als »faszinierend und fesselnd«, doch »wie er selber gesagt hat, nicht beweiskräftig«. Die Aufklärung des Hariri-Mordes sei nicht nur juristisch, sondern auch politisch brisant. Als Generalsekretär der Hisbollah, die möglicherweise angeklagt werden soll, habe er die Rolle des Anklägers und Verteidigers gleichzeitig übernommen. Es sei ihm gelungen, »Mißtrauen (gegen das Sondertribunal) zu säen«.

Der amtierende Ministerpräsident Saad Hariri bezeichnete derweil die Aussagen als »sehr wichtig und sensibel«. Er habe die Meinung vieler Libanesen ausgesprochen. Die Dokumente dürften nicht ignoriert, sondern müßten genau geprüft werden.

Aus: junge Welt, 13. August 2010


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