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Europa schickt Ausbilder

250 Mann sollen Malis Armee unterstützen / Tote bei Geiselnahme in Algerien *

Der Konflikt in Mali hat am Donnerstag im Nachbarland Algerien Dutzende Opfer gefordert. Am Mittwoch hatte dort eine islamistische Gruppe auf einem Gasfeld eine große Zahl von ausländischen Geiseln genommen. Bei einem Luftschlag des algerischen Militärs seien dann 35 Geiseln und 15 Kidnapper getötet worden, hieß es in Berichten. In anderen wurde gemeldet, Hergang und Opferzahl seien weiterhin offen.

Hinter der Geiselnahme soll die Organisation Al-Qaida im islamischen Maghreb AQMI stehen, sie hatte ein Ende der französischen Intervention in Mali gefordert. Die nordmalische Islamistengruppe Ansar al-Dine bestritt zwar jede Verbindung, rechtfertigte jedoch die Aktion. »Muslime werden dem Angriff Frankreichs und seiner Verbündeten nicht tatenlos zusehen«, so ein Sprecher von Ansar al-Dine.

Dabei handelt es sich um eine der Gruppen, die den Norden Malis kontrollierten und gegen die sich die umstrittene Militäraktion Frankreichs richtet. Am Donnerstag beschlossen die EU-Außenminister, bis zu 250 Ausbilder nach Mali zu schicken. Sie sollen die Armee Malis unterstützen. Noch offen ist, wann die bis zu 3500 Mann starke Truppe der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS in Mali eintrifft. Auch sie soll von den europäischen Staaten logistische und finanzielle Unterstützung erhalten. Dazu gehört die Entsendung von zwei Transall-Maschinen der Bundeswehr, die noch am Donnerstag Richtung Frankreich starten sollten, um von dort nach Afrika weiterzufliegen. »Wenn Frankreich in der letzten Woche nicht gehandelt hätte, dann wäre überhaupt kein Raum mehr für eine politische Lösung«, erklärte Bundesaußenminister Westerwelle. Die Militärhilfe stößt bei jedem dritten Deutschen auf Ablehnung, einer Umfrage zufolge sprachen sich 49 Prozent dafür aus.

Derweil forderte die Organisation Reporter ohne Grenzen freien Zugang für Journalisten im Norden Malis. Seit dem Beginn der französischen Intervention würden Journalisten gehindert, sich den Kampfhandlungen auf weniger als 100 Kilometer zu nähern.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 18. Januar 2013


EU bildet malische Soldaten aus

Von Martin Ling **

Frankreich bekommt beim Krieg in Mali Unterstützung von mehreren Seiten Der Krieg in Mali nimmt seinen Lauf: Frankreich hat seine Truppen nahezu verdoppelt, die westafrikanischen Soldaten stehen in den Startlöchern und die EU-Außenminister beschlossen eine Ausbildungsmission für Malis Soldaten, die im Februar beginnen soll.

»Heute befinden sich 1400 französische Soldaten auf malischem Boden«, sagte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am Donnerstag in Paris. Auch zusätzliche Kampfhubschrauber seien im Einsatz. Diese sollen möglicherweise zur Unterstützung von Spezialeinheiten eingesetzt werden, die an der Seite malischer Soldaten in der Umgebung der von Rebellen gehaltenen Stadt Diabali gegen Islamisten kämpfen.

Unterdessen laufen die Vorbereitungen für den Mali-Einsatz von zunächst 2000 Soldaten aus Ländern der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS weiter. Als erstes wurden am Donnerstag in der Hauptstadt Bamako bis zu 500 Mann aus Nigeria erwartet, sagte ein ECOWAS-Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Auch Niger, Togo und Burkina Faso wollten je 500 Soldaten stellen. Insgesamt sollen 3300 bis 3500 ECOWAS-Soldaten bei der Rückeroberung Nordmalis helfen. Für ihren Transport stehen unter anderem die zwei Transall-Transportmaschinen der Bundeswehr startbereit.

Helfen will auch die Europäische Union. Sie entsendet Militärausbilder nach Mali, um die Armee des westafrikanischen Krisenlandes zu einer besseren Schlagkraft zu verhelfen. Die malische Regierungsarmee ist Diplomaten zufolge chaotisch organisiert und schlecht ausgerüstet - und verfügt demnach nicht über einen einzigen Helikopter, braucht aber auch Uniformen und Kommunikationstechnik.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bezeichnete die EU-Mission am Donnerstag in Brüssel als »wichtigen Beitrag der Europäischen Union für eine stabile und verantwortungsvolle Entwicklung in Mali«. An Kämpfen sollen sich die EU-Soldaten nicht beteiligen.

Die EU-Außenminister beschlossen bei ihrem Krisentreffen in Brüssel, an dem auch der malische Außenminister Tieman Hubert Coulibaly teilnahm, die rechtliche Basis für den baldigen Start der etwa 450 Mann starken Trainingsmission EUTM Mali, der für »spätestens Mitte Februar« vorgesehen ist. Ein erstes Vorausteam soll bereits in den kommenden Tagen in Malis Hauptstadt Bamako reisen.

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius äußerte im Hinblick auf eine Hilfe für die geplante Eingreiftruppe der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS die Erwartung, dass sich »alle europäischen Länder« finanziell engagieren. Diese Absicht bekräftigten die Außenminister. EU-Diplomaten zufolge werden rund 180 Millionen Euro für die ECOWAS-Truppe benötigt.

Nach Einschätzung der Gesellschaft für bedrohte Völker kann der Konflikt nur durch Verhandlungen gelöst werden. Die Gesellschaft erinnerte daran, dass nicht radikale Islamisten, sondern ein Tuareg-Aufstand den Konflikt ausgelöst hätten. »Ohne maßgebliche Zugeständnisse an die Tuareg wird es auch keinen dauerhaften Frieden im Norden Malis geben«, erklärte der Afrikareferent der Gesellschaft, Ulrich Delius.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 18. Januar 2013


Frankreichs Linksfront zweifelt am Interventionskurs

Asensi: Militärische Aktion war nötig, aber Krieg ist immer schlechteste aller Lösungen

Von Ralf Klingsieck, Paris ***


Frankreichs Regierung sieht sich bei ihrem Mali-Kriegseinsatz von einer Mehrheit im Lande unterstützt. Aber die Linke macht Vorbehalte geltend.

In der Frage des militärischen Engagements in Mali stehen jüngsten Umfragen zufolge zwei Drittel bis drei Viertel der Franzosen hinter der Entscheidung von Präsident François Hollande. Davon zeugte auch die Parlamentsdebatte, die nach tagelangem Hinhalten endlich am Mittwoch stattfand. Dabei betonten nicht nur die Sozialistische Partei und die Grünen, sondern auch die rechte UMP und die Zentrumspartei UDI ihre volle Unterstützung.

Der Sprecher der Linksfront, François Asensi, erklärte Verständnis für die Gründe, die den Präsidenten zum Handeln veranlasst haben, und verurteilte das Terrorregime der islamistischen Banden im Norden Malis. »Das Volk der Barbarei von Fanatikern zu überlassen, wäre ein politischer Irrtum und ein moralischer Fehler«, sagte Asensi. »Eine Nichtintervention wäre die schlimmste Feigheit gewesen. Eine internationale militärische Aktion war nötig, um die Bildung eines Terroristenstaates zu verhindern.« Der mittelalterliche und mit den Terroristen von Al Qaida verbündete islamistische Fundamentalismus sei »eine neue Form des Faschismus« und instrumentalisiere den Islam. »Die demokratischen Kräfte konnten also nicht tatenlos zusehen«, unterstrich der Sprecher der Parlamentsgruppe der Linksfront, »aber wir haben unsere Vorbehalte hinsichtlich der militärischen Operation, ihrer Form, ihrer Bedingungen und ihrer Ziele.«

Die Intervention bringe Mali weder die Stabilität noch die Demokratie, die das Land so dringend brauche. »Der Krieg ist immer die schlechteste aller Lösungen und die unsicherste. Es gibt keinerlei Garantien gegen ein Scheitern dieser Intervention, gegen den Verlust vieler Menschenleben und dagegen, dass sie eine Kaskade von Explosionen in der ganzen muslimischen Welt auslösen kann.«

Man solle sich »nicht von den Illusionen des breiten Konsenses und vom Enthusiasmus der Kriegstreiber beruhigen lassen«, mahnte der Redner. Vom Premierminister forderte er eine »Erläuterung der Kriegsziele. Die Äußerung des Präsidenten, dass die Militäraktion »so lange dauert wie nötig«, sei zu vage.

Kritisch zum militärischen Eingreifen in Mali äußerte sich auch die französische Friedensbewegung. »Wir weisen die Argumentation zurück, dass diese Aktion unausweichlich war«, heißt es in einer Erklärung. »Damit wurden die Bürger vor vollendete politische Tatsachen gestellt.«

Die Bewegung bedauert, dass die internationale Gemeinschaft angesichts der Entwicklung in Mali zu lange gezögert und keine angemessenen Maßnahmen eingeleitet hat. »Die jüngere Vergangenheit zeugt deutlich davon, dass kein Konflikt gelöst werden kann, wenn man auf Krieg mit Krieg reagiert.« Dringend geboten sei jetzt die Stationierung internationaler Puffertruppen mit einem klaren Mandat der UNO.

*** Aus: neues deutschland, Freitag, 18. Januar 2013


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