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Handel ohne Wandel?

USA, EU und ASEAN setzen das Regime in Myanmar politisch unter Druck, sichern aber auf kommerziellem Wege die Macht der Militärs. Dagegen bringt die Volksrepublik China mit ihrem eigenen Entwicklungsmodell die Generäle zu sachten Reformen

Von Rainer Werning *

Vor einem Monat, am 25. Mai, sicherte die internationale Geberkonferenz in Myanmars (Birmas) einstiger Hauptstadt Yangon (Rangun) den Opfern des Wirbelsturms »Nargis« Hilfe zu und zieh gleichzeitig die seit 1962 herrschende Militärregierung der unterlassenen Hilfeleistung für die Zivilbevölkerung.

Myanmars Bevölkerung erlebte am 2. und 3.Mai die verheerendste Naturkatastrophe seit seiner Unabhängigkeit im Januar 1948. Das wenige Hab und Gut, über das die Menschen in der Reiskammer des Landes, im südlichen Irrawaddy-Delta, verfügten, wurde binnen weniger Stunden vernichtet. Statt unverzüglich und wirksam nationale und internationale Hilfe für die Zivilbevölkerung zu planen und umzusetzen, zelebrierte das Militär mit dem 75jährigen General Than Shwe an der Spitze einmal mehr seine Macht. Die staatlichen Medien offerierten Bilder en masse. Die zeigten stets nur die eine Botschaft: Das Militär ist omnipräsent, erst recht, wenn es gilt, Hilfe zu verteilen. Doch offensichtlich wurden die Herrschenden schneller, als ihnen lieb war, ein Opfer ihrer eigenen Propaganda. Ständig mußten die Zahlen der Umgekommenen und die der unmittelbar von Seuchengefahr bedrohten Menschen nach oben korrigiert werden.

International geriet Myanmars politische Führung nach landesweiten Massendemonstrationen 1988 und der im September vergangenen Jahres sogenannten »Safran-Revolte«, an der sich zahlreiche Mönche beteiligten, nun zum dritten Mal in seiner jüngeren Geschichte derart massiv in die Kritik, daß zeitweilig gar von den USA, von Frankreich und von Großbritannien erwogen wurde, im Sinne einer »humanitären Intervention« – heute ist vornehmer von der »Verantwortung zu schützen« die Rede – militärische Maßnahmen anzuwenden. US-amerikanische, britische und französische Kriegsschiffe tauchten bereits in den Küstengewässern Myanmars auf und bauten eine Drohkulisse auf. Die Führung des Landes verweigerte den Schiffen die Einfahrt in myanmarische Häfen und bestand darauf, deren an Bord befindliche Hilfsgüter von zivilen Handelsschiffen löschen zu lassen oder sie auf dem Luftweg via Thailand zu transportieren.

Große Sprüche – knauserige Geber

Drei lange Wochen nach der Katastrophe fand schließlich in Yangons Nobelhotel Sedona eine gemeinsam von den UN und der Vereinigung südostasiatischer Nationen (ASEAN) ausgerichtete internationale Geberkonferenz statt. Myanmars Premierminister Thein Sein würdigte die weltweite Unterstützung, die jedoch, so der Generalleutnant laut dem Regierungsblatt The New Light of Myanmar, nicht an politische Auflagen gebunden sein dürfe. Wie andere von den USA geächtete »Schurken« sieht sich auch die politische Führung Myanmars mit der Gefahr eines von außen erzwungenen »Regimewechsels« konfrontiert. Mit über 360 Teilnehmern aus 52 Ländern und von zwei Dutzend UN-Organisationen, internationalen Finanzinstituten und Nichtregierungsorganisationen war die internationale Geberkonferenz am 25. Mai das seit Jahren imposanteste internationale Stelldichein in Myanmars einstiger Hauptstadt. Vor Konferenzbeginn hatten die Behörden UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und ASEAN-Generalsekretär Surin Pitsuwan eine zweitägige Rundreise durch die Katastrophengebiete gestattet. Am 23. Mai traf sich Ban mit dem Seniorgeneral Than Shwe in der etwa 400 Kilometer nördlich von Yangon gelegenen neuen Kapitale Naypyidaw. Dort bekundete Myanmars Machthaber erstmals öffentlich, ausländischem Hilfspersonal die Einreise und den Einsatz in den Katastrophengebieten zu gestatten und dafür den Internationalen Flughafen sowie den Hafen von Yangon zu nutzen.

Zum Auftakt der Konferenz nannte Myanmars Regierung folgende Opferzahlen: 77738 Tote, 55917 Vermißte und 19359 Verwundete. Insgesamt seien 5,5 Millionen Menschen in Mitleidenschaft gezogen worden, während der Sachschaden mit umgerechnet 10,7 Milliarden US-Dollar beziffert wurde. Nach Abschluß der Geberkonferenz lagen aber lediglich Zusagen in Höhe von gerade einmal 177,3 Millionen Dollar an Finanzhilfen vor, die von der EU, Australien, den USA, den Philippinen, der Volksrepublik China sowie Südkorea aufgebracht werden sollen. Darüber hinaus verpflichteten sich die UN, im Laufe des kommenden Halbjahres 201 Millionen Dollar an zusätzlicher Nothilfe beizusteuern. Die vergleichsweise geringe Hilfe kontrastiert stark mit den anfänglichen Hilfszusagen zahlreicher Regierungen. »Ein Informationsdefizit hat diesmal dazu geführt«, erklärte George Yeo, Singapurs Außenminister und Chef der ASEAN-Delegation, »das Problem ist nicht mangelnde Hilfsbereitschaft, sondern die Überwindung einer Vertrauenslücke zwischen Myanmar und der Weltgemeinschaft.«

Trotz der beschworenen Vertrauenslücke verfügt das Regime über gute Nachbarn und erstaunlich viele Freunde, die jedoch jeweils ihre eigenen Interessen verfolgen, aber damit auch die Militärführung festigen, so daß diese sogar die größte Oppositionsbewegung in Gestalt der National League for Democracy mit ihrer auch im Ausland angesehenen Galionsfigur, der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi [1] keineswegs ernsthaft zu fürchten braucht. Der politische Widerstand insgesamt ist so zersplittert, daß die Herrschenden ihn stets mühelos einhegen konnten oder notfalls unterdrückten. Im Lande selbst ist die schon seit längerem von der Friedensnobelpreisträgerin an die Adresse des Auslands gerichtete Forderung umstritten, kategorisch Beziehungen zu den Militärs zu meiden und keinerlei Investitionen im Lande zu tätigen. Das führte unter anderem dazu, daß vor allem Betriebe im Bereich der Textil- und Bekleidungsindustrie ihre Pforten schlossen und zahlreiche Menschen arbeitslos wurden.

Londons postkoloniales Erbe

Großbritannien unterhielt als ehemalige Kolonialmacht stets enge Bande mit Birma beziehungsweise Myanmar. Daran änderte sich auch nach der Unabhängigkeit im Jahre 1948 nichts und auch nicht, als das Militär unter General Ne Win 1962 die Macht an sich riß. Selbst wenn dessen Junta hin und wieder wegen ihrer Taten international angeprangert und vor allem im Westen erneut die Universalität der Menschenrechte beschworen wurde, blieben die engen Geschäftsbeziehungen zwischen London und (damals noch) Rangun stets intakt. Der mehrfach mit Preisen ausgezeichnete britische Journalist australischer Herkunft, John Pilger, verwies in diesem Zusammenhang auf eine bereits vor Jahren veröffentlichte Presseerklärung des britischen Außenministeriums, in der es hieß: »Durch geschäftliche Beziehungen mit demokratischen Nationen wie Britannien, gewinnt das birmanische Volk an Erfahrungen mit demokratischen Prinzipien.«[2] Heute hat sich der Tenor öffentlicher Public Relations geändert, doch im wesentlichen gilt ungebrochen das Gebot von business as usual. Das betrifft britische Reiseunternehmen ebenso wie Rolls Royce und Lloyds of London. Allein unter der Labour-Regierung von Anthony Blair vervierfachte Britannien seine Importe aus Myanmar – von 17,3 Millionen Pfund (1998) auf über 74 Millionen (2004).

Doch in London residiert mit der internationalen Burma Campaign auch eine Organisation, die seit über eineinhalb Jahrzehnten kritisch das Geschäftsgebaren internationaler Firmen in Myanmar und deren Kontakte zur herrschenden Junta beäugt und analysiert. Auf der von ihr erstellten »Schmutzliste« sind über 100 weltweit agierende Firmen mit Rang und Namen aufgeführt, die sämtlichen früheren Sanktionsaufrufen zum Trotz beharrlich mit der Militärjunta in Myanmar kooperieren – von Chevron/Texaco (USA), Alcatel und Total (Frankreich), Daewoo (Südkorea), chinesischen, japanischen und indischen Firmen bis hin zu Siemens, Hapag-Lloyd und dem Logistikbetrieb Schenker aus der BRD.

Dominanter Einfluß Chinas

Die Volksrepublik China ist heute der mit Abstand engste politische Verbündete und wirtschaftlich bedeutsamste Partner Myanmars. Passé sind die Zeiten, da das maoistische China die gegen die Zentralregierung in Rangun kämpfende Kommunistische Partei Birmas logistisch unterstützte. Heute geht es der Volksrepublik darum, nachbarschaftlich zu beiderseitigem Nutzen zu koexistieren und ist bemüht, an seiner Südwestflanke (Provinz Yunnan) den ungehinderten Zugang zu Myanmars reichen Bodenschätzen offenzuhalten und sich politisch des Rückhalts der Junta als verläßlichsten anti-US-amerikanischen Verbündeten in Südostasien zu vergewissern.

Der Warenverkehr zwischen Yunnans Hauptstadt Kunming und den nordmyanmarischen Städten Lashio, Mandalay und Myitkyina sowie die chinesischen Investitionen in diesem Gebiet sind seit dem Jahr 2004 sprunghaft gestiegen. Bilateral sind Pläne geschmiedet, durch dieses Gebiet die Straße in den Nordosten Indiens wieder aufzubauen. China hat signalisiert, dieses Projekt zu finanzieren und dafür etwa 40000 chinesische Bauarbeiter einzusetzen. Im Hafengebiet von Yangon entsteht bereits unter chinesischer Ägide eine Sonderzone für steuerfreie Exporte. Derweil wird mit chinesischer Hilfe Myanmars marode Straßenverbindung zwischen den beiden größten Städten Yangon und Mandalay bis hin zur chinesischen Grenze repariert. So hätte China nicht nur auch direkten Zugang zum indischen Subkontinent. Von der Hafenstadt Yangon aus könnten seine Ausfuhren nach Südasien, in den Nahen und Mittleren Osten sowie nach Europa beträchtlich erhöht und stärker denn je der Golf von Bengalen und der Indische Ozean als strategisch bedeutsame Wasserwege genutzt werden. Bislang war China auf die Nutzung des weitaus längeren Seeweges durch das Südchinesische Meer und die Straße von Malakka zwischen Singapur und Indonesien angewiesen. In diesem Jahr ist ein Abkommen über eine Gasleitung von Myanmar nach China geschlossen worden. Über die China National Petroleum Corporation ist ebenfalls ein Deal mit den Militärmachthabern ausgehandelt worden, der China Öllieferungen garantiert.

China unterhält heute gleichermaßen enge Kontakte zur Führungstroika in der neuen Hauptstadt Naypyidaw, der neben Than Shwe die Generäle Maung Aye und Armeechef Thura Shwe Mann angehören. In der Vergangenheit hatte Peking einseitig auf den früheren Premier und Geheimdienstchef, Generalleutnant Khin Nyunt, gesetzt, der schließlich, von der Junta als zu reformfreudig eingestuft, politisch entmachtet, wegen Korruptionsvorwürfen unter Hausarrest gestellt und von Than Shwe abgelöst wurde. Seit vor gut zwei Jahren die Hauptstadt nach Naypyidaw näher an Chinas Yun­nan-Provinz verlegt wurde, stehen auch Chinareisen hochrangiger myanmarischer Regierungsvertreter häufiger auf dem Programm als zuvor.

Chinas Regierung nutzt ihren Einfluß, um ebenso mäßigend auf seinen südwestlichen »Problemnachbarn« einzuwirken, wie sie das in der Vergangenheit recht erfolgreich mit dem östlichen »Problemnachbarn« Nordkorea getan hat. Im Falle Nordkoreas trug China als Gastgeber der sogenannten Sechserrunde – ihr gehören neben China Rußland, die USA, Japan sowie Süd- und Nordkorea an – entscheidend dazu bei, den Atomkonflikt zwischen Pjöngjang und Washington zu deeskalieren. Und heute werfen Pekings Diplomaten ihren politischen Einfluß in die Waagschale, um die Regierung Myanmars von den Vorzügen ihres eigenen Entwicklungsmodells zu überzeugen – nämlich die Einleitung wirtschaftlicher Reformen bei gleichzeitiger langsamer politischer Öffnung. In diesem Licht ist beispielsweise das im Mai durchgeführte Referendum für die neue Verfassung Myanmars zu sehen, wenngleich diese gemäß den Vorstellungen der Generäle zur »disziplinierten Demokratie« führen soll.

Schließlich ist China neben Rußland der wichtigste Waffenlieferant Myanmars. Und beide Länder übernahmen in der Vergangenheit auf Sitzungen des UN-Sicherheitsrates die Funktion einer »Schutzmacht« Myanmars – gemäß der Devise: Was dort geschieht, ist eine innere Angelegenheit des Landes und gefährdet in keiner Weise die regionale Sicherheit und Stabilität.

Krokodilstränen aus Öl

Die USA hätten allzu gern das Gewicht im Lande, das China bereits real hat. In den vergangenen Monaten zählten zu den lautesten US-amerikanischen Stimmen gegen Myanmars Militärjunta die First Lady Laura Bush sowie Außenministerin Condo­leezza Rice, für die das Militärregime ein »Vorposten der Tyrannei« ist, den es zu beseitigen gilt. Im Herbst letzten Jahres, auf dem Höhepunkt der von buddhistischen Mönchen geführten »Safran-Revolte« in Myanmar, erklärte Rice: »Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, international den Fokus auf die sich in Birma vollziehende Travestie zu lenken.« Dabei wäre es viel naheliegender und angebrachter gewesen, einen solchen Fokus auf den US-amerikanischen Ölgiganten Chevron zu lenken. Immerhin hatte Rice dessen Direktorengremium von 1991 bis Januar 2001 angehört und dieses erst verlassen, als Präsident George W. Bush sie während seiner ersten Amtszeit zur Nationalen Sicherheitsberaterin ernannt hatte. Chevron, wozu auch Texaco und seit 2005 Unocal gehören, ist Teil eines Konsortiums mit dem Staatsunternehmen Myanmar Oil and Gas Enterprises (MOGE) und der französischen Ölfirma Total Oil Company, das im lukrativen Offshore-Gas- und Erdölgeschäft des Landes im Yadhana-Gebiet engagiert ist. Das Gas von diesen Feldern wird durch eine von Myanmar nach Thailand führende, 1,2 Milliarden Dollar teure Pipeline transportiert, an deren Konstruktion (neben kanadischem Kapital) maßgeblich die Halliburton Corporation im texanischen Dallas beteiligt war, eine Firma, der US-Vizepräsident Dick Cheney einst als Chief Executive gedient hatte.[3]

Für die Politik der EU vis-à-vis Birma fand der eingangs zitierte Publizist John Pilger bereits am 23. Januar 2005 im britischen New Statesman scharfe Worte. In seinem Beitrag »We Should Never Forget Burma« (»Niemals sollten wir Birma vergessen«) schrieb er: »Die Birma-Politik der EU ist geradezu ekelerregend. Die Europäische Union – Verfechter der ›Menschenrechte‹, wenn nur der Preis stimmt – betreibt gegenüber der birmanischen Junta eine schamlose Beschwichtigungspolitik, offensichtlich mit Blick auf den großen asiatischen Markt.« »Ich habe noch nie einen EU-Offiziellen getroffen", zitiert Pilger im selben Beitrag den Myanmar-Experten John Jackson, »der geleugnet hätte, daß in Birma ausländische Investitionen und der Militärhaushalt eng zusammenhängen. In derselben Woche, in der das Regime seinen ersten Scheck für eine Gaslieferung an Thailand erhielt – das Gasfeld wird von der französischen Total Oil Company betrieben –, blätterte es 130 Millionen Dollar in bar für den Kauf von zehn russischen MIG-29-Kampfflugzeugen hin.«

Als am fünften Asien-Europa-Gipfel (ASEM) im Oktober 2004 in Hanoi erstmalig auch Mitglieder der Militärregierung Myanmars teilnahmen, hatte es im Vorfeld des Treffens wegen dieser Teilnahme Zeter und Mordio gegeben. Klammheimlich lenkten schließlich alle Beteiligten ein, wobei sich Präsident Jacques Chirac mit Blick auf »seine« französischen Großfirmen Alcatel, die in Myanmar das Telefon- und Handynetz aufbaut, und Total, dem größten ausländischen Investor im Lande und in Teilbesitz des französischen Staates, gegen massive Sanktionen aussprach. Diese, so Chirac, träfen und verletzten die Ärmsten. Allein von 1998 bis 2002, also in der Hochphase der Unterdrückung der Opposition in Myanmar, betrug die Wareneinfuhr aus diesem südostasiatischen Land in die EU umgerechnet vier Milliarden Dollar.

UN und ASEAN – kein Ruhmesblatt

Als Myanmars Regierung im Oktober 2007 zugab, während der landesweiten Proteste im Vormonat etwa 3000 Personen festgenommen zu haben, reiste der von den Vereinten Nationen zuvor zum Myanmar-UN-Sondergesandten ernannte nigerianische Diplomat, Professor Ibrahim Gambari, in das Land. Zuvor besuchte er mehrfach Thailand, Malaysia, Indonesien, Indien, China und Japan, um mit Regierungsvertretern über einen moderaten Umgang mit den Machthabern in Myanmar zu verhandeln. Schließlich kam er im Land selbst mit Than Shwe und Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi zusammen. Der General nutzte die Gunst der Stunde und setzte sich medial geschickt in Szene. Selten nur kriegt die Bevölkerung im Staatsfernsehen das Oberhaupt zu Gesicht. Doch nun zeigten die Medien den General als scherzend-jovialen Gastgeber, der dem Sondergesandten von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon lächelnd einen Teil seines Kabinetts vorstellte und ihn gar mit Aung San Suu Kyi parlieren ließ. Nach New York zurückgekehrt, kritisierte Gambari, der Mitte der 80er Jahre dem nigerianischen Militärdiktator Muhammadu Buhari als Außenminister gedient hatte, den harten Einsatz des Militärs gegen die Proteste in Myanmar lediglich als »bedauerlich und beunruhigend«.

Ausgerechnet Anfang Mai, als der Wirbelsturm »Nargis« den Süden des Landes verwüstete und von der UNO mehr und schneller denn je Hilfsleistungen gefordert waren, war von ihm als UN-Diplomat nichts mehr zu hören. Diesen Part mußte nun John Holmes, zuständiger Koordinator des UN-Nothilfeprogramms, übernehmen. Gambari weilte statt dessen auf Heimatbesuch in Nigeria. Dort stellte er sein jüngstes Buch vor, hielt danach Vorträge über das Nigerdelta und leitete Sitzungen des Nigerdelta-Komitees. Es ist also nicht verwunderlich, daß in Myanmar der Name Gambari für die Gleichgültigkeit des größten politischen Weltgremiums gegenüber dem Land und seiner Bevölkerung steht.

Das Regionalbündnis ASEAN wurde 1967 zu einer Zeit gegründet, als die US-Aggression gegen Vietnam eskalierte und es aus Sicht Washingtons dringlich schien, mit den Gründungsmitgliedern Thailand, Malaysia, Singapur, Indonesien und Philippinen ein antikommunistisches Bündnis als Bollwerk gegen Vietnam, Laos und Kambodscha zu schmieden. Nach dem Vietnamkrieg öffnete sich das Bündnis (zunächst für das Sultanat Brunei) nunmehr auch für diese Staaten sowie für Myanmar. Raison d'être der ASEAN war von Anbeginn zweierlei: Man mischte sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Mitglieds ein und schürte auch keine wie immer gearteten Konflikte, die den Bestand des jeweiligen Zentralstaates in Frage stellten. Als direkte Nachbarn im Süden und Osten zählten Thailand und Malaysia nebst dem autokratisch regierten Stadtstaat Singapur zu den glühendsten Befürwortern der Einbindung Myanmars in das Bündnis. Sie waren und sind es auch, die stets darauf drängten, die Militärjunta mit Glacéhandschuhen anzupacken, anstatt sie durch unnötigen Druck noch mehr in die Enge zu treiben und (selbst zaghafte) politische Reformprozesse unmöglich zu machen.

Innerhalb der ASEAN ist es zweifellos Singapur, das dem Regime in Myanmar politisch, wirtschaftlich und diplomatisch den Rücken stärkt, wenn nicht sogar ihm letztlich als entscheidende Lebensader dient. Mit bislang drei Milliarden US-Dollar an Direktinvestitionen zählen Singapurs Unternehmen zu den größten Investoren und Unterstützern der Regierung Myanmars. Von Hotelanlagen, Fluglinien, militärischem Gerät und Training, hochwertigen Telekommunikationssystemen bis hin zu Bankinstituten und Erholungsmöglichkeiten für Myanmars Juntamitglieder stellt Singapur alles Notwendige an Infrastruktur und Logistik für seinen nördlichen Nachbar bereit. Singapurs beste Kliniken kurieren den Seniorgeneral Than Shwe und seine Entourage ebenso sorgsam, wie beispielsweise eine der größten multinationalen Firmen des Stadtstaates, die Keppel Group, mit ihren Sedona Hotels in Yangon (übrigens die Tagungsstätte der internationalen Geberkonferenz) und Mandalay der myanmarischen Tourismusindustrie zwei Nobelherbergen bescherte. Der Australier Andrew Selth, ein ausgewiesener Kenner des myanmarischen Militärs, der unter dem Namen »William Ashton« mehrfach Beiträge für den britischen Jane's Intelligence Review verfaßte, recherchierte unter anderem folgendes: Singapur belieferte die Militärjunta Myanmars mit Waffen, die Israel von Palästinensern im Libanon erbeutete, und Singapurs Behörden statteten das myanmarische Verteidigungsministerium mit Computerprogrammen aus, um die Kommunikation zwischen den Regionalbefehlshabern in einer Weise zu verbessern, daß diese bereits vorbeugend gegen Dissens und Widerstand vorzugehen vermochten. Dazu stammten aus Singapur auch Ausrüstungen für ein sogenanntes Cyber-Kriegszentrum, um die Aktivitäten von Regimegegnern genau zu verfolgen und Myanmars Geheimpolizei in die Lage zu versetzen, Internetcafés im Bedarfsfall zu schließen.

Fußnoten
  1. Die internationale Geberkonferenz war gerade zu Ende, als die Junta wenige Stunden später anordnete, die Tochter des Staatsgründers Aung San ein weiteres Jahr unter Hausarrest zu stellen.
  2. »The Hypocrites Who Say They Back Democracy in Burma« (Die Heuchler, die sagen, sie unterstützten die Demokratie in Birma), 25. Oktober 2007
  3. Der Film »Total Denial« von Milena Kaneva (USA 2005, 70 Min., OmU) dokumentiert Zwangsarbeit, Vertreibung und Mord an unzähligen Dorfbewohnern infolge der Errichtung dieser Ölpipeline und das Gerichtsverfahren gegen die Großunternehmen Total und Unocal, die seit 2005 zur Chevron Corporation gehört.
* Aus: junge Welt, 27. Juni 2008


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