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Myanmars Junta verdient an "Nargis"

Generäle die großen Nutznießer der internationalen Zyklon-Hilfe

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Seit Zyklon Nargis im Mai weite Gebiete Myanmars zerstörte, hat das von einer Militärjunta beherrschte Land knapp 200 Millionen US-Dollar UNO-Hilfe erhalten. Ein großer Teil davon ist direkte Dollarhilfe, die in Rangun zum offiziellen Devisenkurs umgetauscht werden muss. Nutznießer sind vor allem die Generäle.

Weil in Myanmar der Schwarzmarktkurs über 20 Prozent über dem offiziellen liegt, erleiden die Vereinten Nationen mit ihren Hilfsgeldern allein durch diese Kursdifferenz einen großen Verlust. Devisen können nach dem Eingang in der staatlichen Myanmar Foreign Trade Bank in FEC, in »Fremdwährungszertifikate«, umgetauscht werden, zum Kurs von rund 880 Kyat für einen Dollar. Der Schwarzmarkt zahlt für einen Dollar rund 1100 Kyat.

Nutznießer ist dagegen das herrschende Militär. Denn von jedem einzelnen Hilfsdollar darf die Junta aufgrund komplizierter Devisenbestimmungen, die seit 15 Jahren in Kraft sind, rund 25 Prozent als Nettogewinn einstreichen. Laut der Online-Zeitung »Asia Times« berichten hohe UN-Beauftragte von bis zu zehn Millionen Dollar, die so direkt in die Taschen der Generäle gewandert seien. Auch John Holmes, der UN-Chefbeauftragte für humanitäre Hilfe, beklagt, dass der »beträchtliche Kursverlust« zu Lasten der Hilfsleistungen gehe. Offiziell meldet die UNO einen Umtauschverlust von 1,56 Millionen Dollar. »Wohin der Gewinn fließt, ist mir nicht ganz klar«, so Holmes.

Was sich an sonstigen UN-Leistungen bereits in den Taschen der Generäle befindet, wird man wohl nie erfahren. Gleich nach der Katastrophe war die Hilfe trotz des Widerstands der Generäle angelaufen. Die verteilten dann im eigenen Namen UN-Hilfsgüter. In einem Appell forderte die Junta drei Wochen nach den Zerstörungen ausländische Unterstützung in Höhe von über 11,7 Milliarden Dollar, ohne dass eine Bedarfsanalyse vorgelegt worden wäre. Bei einer späteren Geberkonferenz in Rangun wollte man sich dann mit einer Milliarde zufrieden geben. Doch seit bekannt wurde, wie die Generäle an der generösen Auslandshilfe kräftig mitverdienen, haben die US-Amerikaner, Briten und andere ihre Zahlungen unterbrochen.

Zwischen den Fronten stehen die Vereinten Nationen und die südostasiatische Organisation ASEAN, die zwischen dem Westen und der Junta zu vermitteln versuchte. Nach außen wird das Militär von den UN-Hilfsorganen auch weiter für seine »Kooperationsbereitschaft« gelobt. Gleichzeitig äußern UN-Beauftragte immer wieder die Hoffnung, dass sich diese auf weitere Gebiete ausdehnen möge. Wenn der Geldhahn zugedreht wird, drohen auch die Operationen der insgesamt 13 UN- und 23 internationalen Organisationen vor Ort eingeschränkt zu werden.

Am 10. August wurden UN-Hilfsflüge aus Bangkok eingestellt, die ersten zwei von fünf Hubschraubern wurden abgezogen. Weil diesen Monat auch die Phase der Soforthilfe zu Ende ging, sollten sich die Hilfsbemühungen jetzt eigentlich auf den Wiederaufbau konzentrieren. Weil die Luftbrücke nach Bangkok nicht länger existiert, gehört dazu auch der lokale Kauf von Baumaterialien – durch Firmen, die mit dem Militärregime verbunden sind. Demnach würden Länder wie die USA und Großbritannien – die Hauptgeldgeber der Zyklon-Hilfe sind, aber zugleich die Sanktionen gegen die Militärjunta verschärft haben – dem Regime über Hintertüren wieder zu Geld verhelfen. Die USA haben beispielsweise Sanktionen gegen die Junta-nahen Htoo Company und Maung Weik Company verhängt. Beide haben allerdings von der Regierung in Rangun den Zuschlag für Wiederaufbauprojekte erhalten, die von der internationalen Gemeinschaft finanziert werden sollen.

Doch seit Ende Juli bekannt wurde, dass die Junta dank der Kursmanipulationen satte Millionengewinne einstreichen konnte, ist die Geberlaune vielerorts vergangen. Zur Schadenbegrenzung erklärte der Minister für Nationale Planung und Wirtschaftsentwicklung, U Soe Tha, dass lokale Verkäufer von Hilfsmaterialien und –gütern keinerlei Verpflichtungen hätten, Dollars in FEC oder die Lokalwährung Kyat umzutauschen. Die ausländischen Geber hätten überdies freie Wahl, bei wem sie Material zukauften. Doch in einem Land der notorischen Lieferengpässe und desolaten Versorgungslage bleibt den Ausländern kaum eine Wahl. Geschäfte macht in Myanmar nur, wer selber Uniformierter ist oder Beziehungen zu »tatmadaw«, den Streitkräften, hat. Die Weltgemeinschaft bleibt im moralischen Dilemma gefangen. Den vom eigenen Regime ignorierten Nargis-Opfern ist nicht zu helfen, ohne auch das Regime zu stärken.

* Aus: Neues Deutschland, 26. August 2008


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