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Diplomatische Gesten

Bolivien erkennt Palästina als Staat an. Norwegen wertet palästinensische Generalvertretung in Oslo auf. Israel bestellt Botschafter ein

Von Karin Leukefeld *

Als vierter lateinamerikanischer Staat hat am Wochenende Bolivien einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 offiziell anerkannt. Argentinien, Brasilien und Uruguay hatten bereits zuvor positiv auf einen entsprechenden Wunsch der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) reagiert, Ecuador, Paraguay und Peru werden folgen. Die US-Regierung, die bisher von den Palästinensern als stärkster Garant für eine Zwei-Staaten-Lösung angesehen worden war, lehnt die Anerkennung ebenso ab wie die Europäische Union, weil das für eine Friedensregelung mit Israel »nicht hilfreich« sei.

Das israelische Außenministerium reagierte mit scharfer Ablehnung gegen die Erklärung Boliviens. Man sei gegen jeden Schritt, der Ergebnisse von Verhandlungen vorwegnehme, bevor diese überhaupt begonnen hätten, hieß es. Einseitige Anerkennungen würden die Autonomiebehörde »nicht ermuntern, an den Verhandlungstisch zurückzukehren«. Gereizt reagierte Tel Aviv auch auf die Nachricht, daß Norwegen die palästinensische Generalvertretung in Oslo am vergangenen Donnerstag (16. Dez.) zu einer »Diplomatischen Delegation« heraufgestuft hat. Der norwegische Botschafter wurde ins israelische Außenministerium einbestellt. »Wenn die Palästinenser meinen, sie könnten politische Fortschritte erreichen, ohne mit Israel zu verhandeln, werden sie die Friedensgespräche nie wieder aufnehmen«, zitierte die israelische Tageszeitung Haaretz einen zuständigen Beamten. Ähnlich wie Norwegen wurden in den vergangenen vier Monaten auch in den USA, Frankreich, Spanien und Portugal die palästinensischen Vertretungen aufgewertet. Das sei eher eine symbolische Geste, erklärte der norwegische Botschafter in Tel Aviv. Im diplomatischen Verhältnis zu den Palästinensern werde sich nichts ändern.

Die Kampagne für die Anerkennung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 wird von der Autonomiebehörde mit Vehemenz vorangetrieben, seitdem die US-Administration nicht mehr auf dem Stopp des Siedlungsbaus in der Westbank und in Ostjerusalem besteht. Ein Siedlungsstopp gilt für die palästinensische Seite als Voraussetzung für direkte Gespräche mit Israel. Nicht als »Bedingung« sondern als »völkerrechtliche Verpflichtung«. Der amtierende Präsident Mahmud Abbas hat für seine Position Rückendeckung von den Außenministern der Arabischen Liga erhalten, die in der vergangenen Woche in Kairo eine entsprechende Erklärung abgaben.

Ein palästinensischer Staat in den Grenzen von 1967 umfasse nur noch 22 Prozent des historischen Palästinas, erinnerte am Wochenende Richard Falk, Professor für Internationales Recht und UN-Sonderbeauftragter für die Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten. Diese 22 Prozent seien weniger als die Hälfte dessen, was der UN-Teilungsplan von 1947 bei einer Zwei-Staaten-Lösung für einen palästinensischen Staat vorgesehen habe und was die Palästinenser damals ebenso wie die arabischen Nachbarstaaten als »kolonialistischen Trick« abgelehnt hätten, schrieb Falk in einem Kommentar für den arabischen Nachrichtensender Al Dschasira. Die Ablehnung sei »sehr verständlich«, so Falk, schließlich habe die UNO damals den Teilungsplan ohne Befragung geschweige denn Zustimmung der betroffenen Bevölkerung entworfen. Daß die palästinensischen Vertreter später einem Staat in den Grenzen von 1967 zugestimmt hätten, sei ein »außergewöhnliches Entgegenkommen« gewesen, das weder von Israel noch von den USA jemals gewürdigt worden sei.

* Aus: junge Welt, 20. Dezember 2010


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