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Im Zweifel für den Aggressor

EU kritisiert zwar israelische Siedlungspolitik, will aber palästinensischen Staat nicht anerkennen

Von Karin Leukefeld *

Trotz massiver Kritik an der Siedlungspolitik Israels können sich die Außenminister der Europäischen Union nicht dazu durchringen, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 anzuerkennen. Man werde die Anerkennung aussprechen, wenn es »angemessen« erscheine, hieß es beim EU-Außenministerrat am Montag auf eine entsprechende Anfrage von palästinensischer Seite. Aktuell sei ein »dringender Fortschritt für eine Zweistaatenlösung erforderlich«. Bundesaußenminister Guido Westerwelle wiederholte, daß eine Anerkennung des palästinensischen Staates ohne einen Friedensvertrag mit Israel nicht hilfreich sei. Man nehme »mit Bedauern zur Kenntnis«, daß Israel nicht aufhöre, jüdische Siedlungen zu bauen, so die Erklärung weiter. »Die (europäische) Meinung über Siedlungen auch in Ostjerusalem ist klar: Sie sind nach dem Völkerrecht illegal und ein Hindernis für den Frieden.«

Auf palästinensischer Seite ist die Enttäuschung über die einseitige Parteinahme von USA und Europa zugunsten Israels groß. In einer Erklärung der PLO ebenfalls vom Montag hieß es, die israelische Politik bedrohe »die Stabilität in der Region« und verfolge vorrangig »Siedlungen, Expansion und anhaltende Besatzung«. Von der US-Regierung erwarte man Garan­tien für einen »kompletten Stopp des jüdischen Siedlungsbaus in der Westbank und Ostjerusalem«, erklärte ein Sprecher der Organisation. Die USA seien aufgefordert, den palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 anzuerkennen. Sollte Washington das verweigern, erwarte man zumindest, daß die US-Administration eine entsprechende Resolution durch den UN-Sicherheitsrat und die UN-Vollversammlung (durch ihr Veto) nicht verhindere.

Sowohl Europa als auch die arabischen Staaten hätten durch ihre Passivität der US-Rolle im Mittleren Osten zu viel Gewicht gegeben, hieß es in einem Kommentar für Al-Dschasira International. Obwohl die EU versuche, vereint aufzutreten, hätten einzelne Staaten sehr unterschiedliche Positionen zum Nahostkonflikt. Die Uneinigkeit werde durch den wachsenden Einfluß Israels auf die europäische Politik gestärkt.

Ansatzpunkte für Druck auf Israel gäbe es für die EU reichlich. Ein Assoziierungsabkommen mit Israel räumt »der einzigen Demokratie im Mittleren Osten« bevorzugte Wirtschafts- und Handelsoptionen mit Europa ein, Experten in Technik und Forschung werden ausgetauscht und Forschungsprojekte abgesprochen. Israel hat Zugang zu Entscheidungsebenen im militärischen und Entwicklungsbereich und Geheimdienststrukturen. Daß seine sture Haltung gegenüber den Palästinensern den eigenen Staat in Gefahr bringen könnte, hat man in Tel Aviv offenbar erkannt. Um das ramponierte Image aufzupolieren hat das israelische Außenministerium seinen Öffentlichkeitsfonds für acht europäische Hauptstädte, darunter auch Berlin, verdoppelt, berichtete Haaretz Ende November.

* Aus: junge Welt, 15. Dezember 2010


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