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Nach Irland und Polen fehlt jetzt nur noch Tschechien

Präsident Klaus stellt neue Bedingungen für sein Signum unter den EU-Reformvertrag von Lissabon

Von Jindra Kolar, Prag *

Der EU-Vertrag von Lissabon hat die beiden vorletzten Hürden genommen. Die irische Bevölkerung stimmte im Referendum für Lissabon, Polens Präsident Lech Kaczynski unterzeichnete am Sonnabend das Vertragswerk und schloss somit die Ratifizierung für sein Land ab. Tschechien bleibt das einzige Land, in dem das Abkommen noch nicht ratifiziert worden ist.

Der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus ist der Einzige, der mit dem Verweigern oder doch zumindest Verzögern seiner Unterschrift den Lissabon-Prozess behindert. Längst hatten die Kammern des Parlaments zugestimmt, längst war auch die Hürde des Verfassungsgerichts genommen. Doch Klaus und seinen politischen Freunden von der Front der Europaskeptiker fallen immer neue Möglichkeiten ein, dem Stück noch eine Szene anzuhängen.

Allerdings verlautet von der Burg, dem Amtssitz des Präsidenten in Prag, Klaus warte ja nur auf den neuerlichen Entscheid des Verfassungsgerichts, das erneut von eine Gruppe Senatoren aus dem bürgerlichen Lager angerufen wurde. Senator Jiri Oberpfalzer von der ODS, der einstigen politischen Heimat von Klaus, begründete die erneute Anrufung des Gerichts damit, dass im ersten Entscheid nur ein Teil des Lissabonner Vertrages geprüft worden sei. Jetzt sei aber das gesamte Dokument abzuwägen. Das kann nach der Ansicht von Beobachtern in Prag den Ratifizierungsprozess zwar noch verzögern, letztlich aber nicht verhindern.

Klaus stellte unterdessen neue Bedingungen an die EU für seine Unterschrift. Telefonisch forderte der tschechische Präsident vom derzeit amtierenden schwedischen EU-Ratspräsidenten Fredrik Reinfeldt, dem Vertragswerk zwei Textänderungen beizufügen, um die Souveränität der einzelnen Staaten zu stärken. »Ich habe Klaus geantwortet, dass dies jetzt eine schlechte Nachricht für eine in der EU ungünstigen Zeit sei«, sagte der schwedische Premier der Presse. Klaus habe keine genauen Vorstellungen geäußert, sondern erklärt, dass dies aus dem Urteil des Verfassungsgerichts hervorgehen würde, ergänzte Reinfeldt. Unwillen erntete der Herr auf der Burg auch im eigenen Land. Jiri Paroubek, Chef der Sozialdemokraten, meinte, wenn 26 Staaten das Vertragswerk anerkannt hätten, könne es wohl keinen echten Verweigerungsgrund geben.

Ministerpräsident Jan Fischer gab sich optimistisch. Seine Regierung werde drängen, so Fischer, dass das Verfassungsgericht den Antrag der Senatoren sowie der Vizevorsitzenden der rechtsorientierten Partei Freier Bürger, Liana Janackova, im Eilverfahren behandeln werde. »Ich gehe davon aus, dass die Ratifizierung bis zum Jahresende auch in Tschechien abgeschlossen sein wird«, sagte er.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Oktober 2009


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