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Sanktionen in der Verlängerung

Ukrainische Waffenruhe hält trotz einzelner Feuergefechte / NATO-Manöver unweit der Krim

Von Klaus Joachim Herrmann *

Der Waffenstillstand in der Ukraine hält im Wesentlichen. Doch Manöver laufen und die Sanktionsspirale dreht sich.

Demonstrativ besuchte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Montag in Uniform die umkämpfte Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. »Das ist unsere Erde«, zitierte ihn die Agentur UNIAN, »und wir geben sie nicht auf.« In der Nacht hatte Kiew über Angriffe prorussischer Kräfte »aus drei Richtungen« berichtet. Poroschenko nannte eine »rein militärische« Lösung des Konflikts unmöglich.

Die Waffenruhe sei brüchig, halte aber, hieß es bei der (OSZE). Provokationen wurden von Experten regierungsnahen Freiwilligenbataillonen und Freischärlern der Aufständischen zugeschrieben. Der in Minsk unter OSZE-Vermittlung vereinbarte Austausch von Gefangenen wurde fortgesetzt und soll am Mittwoch vollständig erfolgen.

Als »Provokation« wurde von russischer Seite ein dreitägiges Manöver der US- und der ukrainischen Marine unweit der Halbinsel Krim eingestuft. Sieben Schiffe aus der Ukraine und fünf aus NATO-Bündnisstaaten seien daran beteiligt, wie ein ukrainischer Militärsprecher mitteilte. Das Manöver »in einer Krisenregion« solle »sicherstellen, dass wir auf dem Meer eine geschützte Zone einrichten und kontrollieren können«. An der Übung nehmen auch Kanada, Rumänien, Spanien und die Türkei teil.

Die angedrohten Sanktionen gegen Russland gingen erst einmal in die Verlängerung. Sie sollten ursprünglich um 15 Uhr bekanntgegeben werden, dann wurde das auf den Abend vertagt. Im Gespräch waren vor allem Maßnahmen der EU gegen die Ölkonzerne Rosneft und Transneft sowie die Ölsparte von Gazprom. Unternehmen mit einer Mehrheit in staatlicher Hand solle der Zugang zu den Finanzmärkten eingeschränkt werden. Beschränkungen waren für den Handel mit Technologien, für den Energiesektor, Waffen sowie Güter, die neben einem zivilen auch einen militärischen Nutzen haben können, angekündigt.

Moskau verwies schon Tage zuvor auf Gegenmaßnahmen. Regierungschef Dmitri Medwedjew brachte ein Überflugverbot ins Gespräch. Das könne ohnehin angeschlagene Fluglinien in den Bankrott treiben, sagte er der Zeitung »Wedomosti«. »Das wäre eine schlechte Geschichte. Wir hoffen, dass dies unseren Partnern einmal klar wird.« Medwedjew verwies darauf, dass bisherige Sanktionen die Ukraine-Krise nicht entschärft hätten.

An diesem Dienstag sollen von der niederländischen Flugsicherheitsbehörde vorläufige Erkenntnisse über den Absturz einer malaysischen Passagiermaschine über der Ostukraine vorgelegt werden. Für den vermuteten Abschuss und den Tod von 298 Menschen machten sich alle Konfliktparteien gegenseitig verantwortlich, ohne Beweise vorzulegen. Aus der Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage schloss die LINKE, dass auch die Bundesregierung nicht wisse, wer für die Katastrophe verantwortlich sei.

* Aus: neues deutschland, Dienstag 9. September 2014


Prag will Russland-Sanktionen umgehen

Auch die Slowakei ist gegen verschärfte Strafmaßnahmen / Diese würden die Spannungen nur unnötig anheizen

Von Jindra Kolar, Prag **


Tschechien will sich nur an den Sanktionen gegen Russland beteiligen, die dem Land nicht schaden. Man könne sich einen Exportstopp nicht leisten und würde Umwege suchen, sagt Premier Sobotka.

Tschechien wird sich keinen verschärften Sanktionen gegen Russland anschließen. Dieses Mandat erhielt Ministerpräsident Bohuslav Sobotka in einer Kabinettssitzung in Prag. Schon zu Beginn der Sanktionspolitik gegen Moskau hatten die in Prag Regierenden ihren Zweifel geäußert, ob dies die richtigen Maßnahmen seien. Der Sozialdemokrat Sobotka hatte stets betont, nur politische Verhandlungen könnten die Ukraine-Russland-Krise lösen.

Sanktionen würden vor allem auch der tschechischen Wirtschaft schaden. »Wir haben für die kommende Zeit bestimmte Exporte des Maschinenbaus nach Russland fest eingeplant«, erklärte Sobotka zur Begründung seiner Sanktionsablehnung. Vor allem das Ausfuhrverbot sogenannter Dual-Use-Produkte, die sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich genutzt werden können, würde die tschechische Wirtschaft empfindlich treffen. Geplant sind für 2014 Exporte dieser Güter im Wert von 61 Millionen Euro.

Doch Sobotkas Entscheid wurde nicht ohne Weiteres im Kabinett angenommen: Erst eine mehr als dreistündige hartnäckige Debatte im Ministerrat führte schließlich zum Ergebnis. Sowohl Vizepremier Pavel Belobradek als auch Kulturminister Daniel Herman, beide von der christdemokratischen KDU-ČSL, enthielten sich der Stimme. Belobradek erklärte, man solle »in einer solchen ernsten Situation, die auch die EU an ihre Grenzen bringt, nicht nur die wirtschaftlichen Aspekte im Auge behalten«. Sobotka hingegen äußerte seine Genugtuung, dass es ihm gelungen sei, »die nationalen Interessen Tschechiens zu schützen«.

Sowohl die Industriellenverbände als auch die Gewerkschaften zeigten sich mit der Regierungsentscheidung zufrieden. Wegen der bestehenden Sanktionen war im August in vielen Betrieben des Landes schon Kurzarbeit angeordnet worden. In Tschechien zeichnet sich erst seit diesem Jahr ab, dass die Rezession langsam überwunden und ein Wirtschaftswachstum erreicht wird. Anhaltende Sanktionen, so Wirtschaftsexperten, würden das Land wieder um Jahre zurückwerfen.

Deshalb begrüßten sowohl Wirtschafts- als auch Arbeitnehmervertreter Bemühungen der Regierung, von der EU angeordnete Sanktionen auf andere Weise zu lösen. Unter anderem wird über die Möglichkeit nachgedacht, die Exporte über Drittländer abzuwickeln. So kann man sich in Prag vorstellen, Maschinen und Maschinenteile, die dem Sanktionskatalog entsprechen, nach Kasachstan auszuführen, von wo aus sie dann die Empfänger in Russland erhalten könnten.

Mit ihren Bedenken steht die Tschechische Republik nicht allein. Auch in der Slowakei hegt man starke Zweifel, dass die Sanktionen ihren Zweck verfehlen könnten und eher die eigene Wirtschaft schädigten. Der sozialdemokratische Premier Robert Fico hat sich wie sein Prager Amtskollege gegen ein noch schärferes Wirtschaftsembargo gegen Moskau ausgesprochen. Nach Ficos Ansicht würde dies die Spannungen nur unnötig anheizen.

** Aus: neues deutschland, Dienstag 9. September 2014


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