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Die Europäische Kommission soll die "formelle Einstufung der LTTE als terroristische Organisation ernsthaft in Betracht ziehen"

EU-Parlament verschärft den Ton gegenüber den tamilischen Befreiungstigern - Regierung in Colombo weiß gewaschen. Die Entschließung im Wortlaut

Im Folgenden dokumentieren wir eine Entschließung des EU-Parlaments zzr Menschenrechtslage in Sri Lanka. Darin werden zwar beie Konfliktparteien - die Regierung und die sog. Befreiungstiger" LTTE - wegen zahlreicher schwerer Menschenrechtsverletzungen kritisiert, gleichzeitig wird aber einseitig die LTTE zum Hauptverantwortlichen erklärt. Die Entschließung gipfelt in der Empfehlung an die Europäische Kommission, die LTTE als terroristische Vereinigung zu deklarieren. (Siehe auch: "Einseitige Schuldzuweisung".)



Entschließung des Europäischen Parlaments zu Lage in Sri Lanka*

Das Europäische Parlament,

– in Kenntnis des bewaffneten Konflikts, der seit 1983 in Sri Lanka herrscht und über 60.000 Todesopfer gefordert und die Flucht und Vertreibung von 800.000 Menschen zur Folge gehabt hat,

– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Sri Lanka vom 18. Mai 2000, 14. März 2002 und 20. November 2003 und seiner Entschließung vom 13. Januar 2005 zur Hilfe der EU nach der Tsunami-Katastrophe,

– in Kenntnis der Erklärung von Oslo vom Dezember 2002, in der die Regierung von Sri Lanka und die Organisation „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) vereinbarten, auf eine föderale Lösung innerhalb eines geeinigten Sri Lanka hinzuarbeiten,

– in Kenntnis der Erklärung von Tokio zu Wiederaufbau und Entwicklung vom 10. Juni 2003, in der die Hilfeleistungen der Geberländer an Fortschritte im Friedensprozess geknüpft wurden und auf folgende Punkte Nachdruck gelegt wurde: Einhaltung des Waffenstillstandsabkommens, Beteiligung der moslemischen Minderheit an den Gesprächen, Förderung und Schutz der Menschenrechte, Gleichstellung der Geschlechter und Fortschritte im Sinne einer endgültigen politischen Lösung,

– in Kenntnis der Unterstützung seitens der EU und der internationalen Gemeinschaft nach dem verheerenden Tsunami vom 26. Dezember 2004,

– gestützt auf Artikel 15 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass im Konflikt in Sri Lanke 60.000 Menschen ihr Leben verloren haben, 1 Million Menschen vertrieben wurden und Wachstum und wirtschaftliche Entwicklung der Insel einen Einbruch erlitten, was für viele Menschen in Sri Lanka zu schlimmen Lebensumständen geführt hat, deren Leben durch den Tsunami zerstört wurde und die nun unter den erneuten Gewaltausbrüchen zu leiden haben,

B. in der Erwägung, dass auf der Halbinsel Jaffna, in Trincomalee und Batticaloa zahllose Angriffe erfolgt sind und die offiziell registrierten Verstöße gegen die Waffenruhe in die Tausende gehen, wobei die meisten davon der LTTE anzulasten sind,

C. in der Erwägung, dass die Spannungen bewusst geschürt wurden durch den versuchten Mord an Generalleutnant Sarath Fonseka, Befehlshaber der Armee von Sri Lanka, am 25. April 2006, die Morde am Außenminister von Sri Lanka, Lakshman Kadirgamar, im August 2005 und am Parlamentsmitglied Joseph Pararajasingha im Dezember 2005 und den Angriff auf das Bezirksbüro des SLMM in Batticaloa am 13. Januar 2006 in einem bewussten Versuch, dass Waffenstillstandsabkommen zu untergraben,

D. in der Erwägung, dass am 11. Mai 2006 die LTTE ein unter der Flagge der SLMM fahrendes Schiff mit 710 unbewaffneten Mitgliedern der Sicherheitskräfte, die sich nach dem Heimaturlaub auf dem Weg zurück in den Dienst befanden, und mit Mitgliedern der Sri Lanka Monitoring Mission (SLMM) an Bord angegriffen, das von Kanonenbooten der Flotte begleitet wurde, wobei eines dieser Boote versenkt wurde und 18 Mitglieder der Mannschaft getötet wurden,

E. in der Erwägung, dass in diesem Jahr in Sri Lanka über 300 Menschen bei Angriffen und gewalttätigen Übergriffen getötet wurden,

F. in der Erwägung, dass internationale Beobachter sagen, dass die jüngste Gewaltwelle die schwerwiegendste Bedrohung für den unter Vermittlung Norwegens ausgehandelten Waffenstillstand von 2002 darstellt, der schon früher durch eine große Zahl von gemeldeten Verstößen, einschließlich bewaffneter Hinterhalte, Entführungen, Bedrohungen, Morde, Folterungen und Rekrutierung von Kindern als Soldaten geschwächt worden war,

G. in der Erwägung, dass nach der ersten Verhandlungsrunde im Februar in Genf die Friedensgespräche nach einem erneuten Rückzug der LTTE aus einer zweiten Gesprächsrunde im April auf unbestimmte Zeit ausgesetzt wurden, wodurch die Gelegenheit für Fortschritte auf politischer Ebene torpediert wurde,

H. in der Erwägung, dass bei Wiederaufnahme des Friedensprozesses die Einbeziehung einer großen Zahl von Gemeinschaften und politischen Organisationen in Sri Lanka, einschließlich Vertretern der Muslims aus dem Norden, angestrebt werden sollte,

I. in der Erwägung, dass Menschenrechtsorganisationen nicht die Möglichkeit hatten, Verstöße gegen die Menschenrechte in effizienter Weise zu untersuchen und die SLMM nicht das Mandat hat, bei solchen Verstößen selbständig zu ermitteln,

1. begrüßt nachdrücklich die Initiative von Sri Lanka und der LTTE, im Februar an den Verhandlungstisch zurückzukehren, und verurteilt daher die einseitige Weigerung der LTTE, an der zweiten Verhandlungsrunde in Genf teilzunehmen, die für April 2006 anberaumt war;

2. appelliert mit Nachdruck an die LTTE, die Friedensverhandlungen mit der Regierung von Sri Lanka unverzüglich wieder aufzunehmen, sich darauf einzustellen, ihre Waffen außer Betrieb zu setzen und die Voraussetzungen für eine endgültige politische Lösung des Konflikts zu schaffen;

3. verurteilt nachdrücklich die erneute Serie von Anschlägen der LTTE und die große Zahl von Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten und die ständigen Verstöße gegen das Waffenstillstandsabkommen;

4. bedauert die schweren Verletzungen des Waffenstillstandsabkommens durch die LTTE durch Aktionen zur See, insbesondere den Angriff auf die Seestreitkräfte von Sri Lanka am 11. Mai dieses Jahres, bei dem viele Menschen umkamen und Beobachter der SLMM in große Gefahr gerieten;

5. fordert die Parteien des Waffenstillstandsabkommens auf, die Sicherheit der SLMM zu gewährleisten, die eine unbewaffnete Organisation ist, die sowohl von der Regierung als auch von der LTTE eingeladen wurde, um das Waffenstillstandsabkommen zu überwachen, damit diese Organisation ihren Auftrag erfüllen kann, und lobt die beteiligten Länder – Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden – für ihre unschätzbare Arbeit;

6. fordert sowohl die LTTE als auch die Regierung Sri Lankas auf, auf weitere Aktionen zu verzichten, die den Friedensprozess untergraben können, namentlich auf Angriffe auf die Zivilbevölkerung;

7. verurteilt den empörenden Missbrauch von Kindern durch ihre Rekrutierung als Kindersoldaten, was ein Kriegsverbrechen ist, und fordert alle Rebellengruppen und namentlich die LTTE auf, diese Praxis zu beenden, die Kinder, die bereits in ihren Diensten sind, freizulassen und eine Grundsatzerklärung abzugeben, in Zukunft keine Kinder als Soldaten zu rekrutieren; fordert die Regierung Sri Lankas auf, rechtliche Maßnahmen zu ergreifen, um diese Praxis zu verhindern und unter Strafe zu stellen;

8. stellt fest, dass die LTTE nicht alle Völker der Tamilen von Sri Lanka vertritt und fordert die LTTE auf, den politischen Pluralismus und andere demokratische Meinungen im Norden und Osten von Sri Lanka zuzulassen, um auf diese Weise den Interessen aller Völker und Gemeinschaften gerecht zu werden;

9. verurteilt nachdrücklich die gezielte Unterdrückung von Presse in tamilischer Sprache und tamilischer Organisationen und fordert eine gründliche Ermittlung in den Fällen der Morde an Mayilvaganam Nimalarajan und Dharmeratnam Sivaram sowie an den zwei Mitarbeitern der Zeitung „Uthayan“;

10. stellt fest, dass die jüngste Wahl Sri Lankas zum Mitglied des UN-Menschenrechtsrates eine Verpflichtung für die Regierung darstellt, ihr Engagement zu bekunden, bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte die höchsten Standards anzulegen;

11. fordert die Kommission und die Regierung Sri Lankas auf sicherzustellen, dass die Menschenrechtskommission Sri Lankas wieder ihre Arbeit aufnehmen kann, und betont, dass effiziente unabhängige Ermittlungen in allen bekannten Fällen von Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte oder bewaffnete Gruppen geführt werden müssen und die Täter vor Gericht gebracht werden müssen unter Einhaltung der internationalen Regeln betreffend faire Prozesse, und besteht darauf, dass alle Parteien als Schlüsselelement für künftige Friedensverhandlungen umfassende Menschenrechtsvereinbarungen unterzeichnen sollten;

12. fordert von beiden Seiten, als sofortige Geste des guten Willens, den Einsatz von Antipersonen-Landminen einzustellen und bei ihrer Beseitigung zu helfen, wobei zu diesem Zweck die Regierung von Sri Lanka mit gutem Beispiel vorangehen sollte, indem sie das Übereinkommen von Ottawa unterzeichnet, und die LTTE den Appell von Genf „Deed of Commitment“ unterzeichnen sollte;

13. ist besorgt darüber, dass eine Vereinbarung über eine Verteilung der internationalen Hilfe noch nicht umgesetzt wurde; ist der Ansicht, dass die Hilfe der EU und anderer internationaler Geberländer bzw. -organisationen nach dem Tsunami den Opfern dieser Katastrophe ohne Rücksicht auf ihre ethnische oder religiöse Zugehörigkeit zugute kommen muss; ist jedoch besorgt über die Verteilung und die Verwendung der Tsunami-Mittel, die nicht die erwarteten Auswirkungen auf das tägliche Leben der Opfer und auf den Wiederaufbau Sri Lankas haben; stellt fest, dass politische Behinderungen der „Post-Tsunami Operations Management Structure“ bereits die Freigabe von weiteren 50 Millionen EUR an Hilfsgeldern verzögert haben, wodurch Wiederaufbauarbeiten im Norden und Osten von Sri Lanka verhindert wurden;

14. bedauert, dass durch die Ausgaben für schwere Verteidigungsgüter viele Jahre lang Mittel von den dringend erforderlichen Investitionen in wirtschaftliche und soziale Infrastrukturen in Sri Lanka abgezogen wurden;

15. fordert die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um alle illegalen Versuche der LTTE, ein System von Zwangsabgaben auf Teile der tamilischen Gemeinschaft, die in der Europäischen Union leben, aufrecht zu erhalten, zu unterbinden;

16. fordert Kommission und Mitgliedstaaten auf, als Teil dieses Prozesses dem Beispiel anderer Länder zu folgen und die Vermögenswerte auf Bankkonten, in Firmen, Gesellschaften und Unternehmen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die mit der LTTE in Verbindung stehen, einzufrieren;

17. stellt fest, dass die EU erklärt hat, dass Delegationen der LTTE bis auf weiteres in keinem Mitgliedstaat der EU empfangen werden und dass die EU die formelle Einstufung der LTTE als terroristische Organisation ernsthaft in Betracht zieht;

18. fordert Rat, Kommission und Mitgliedstaaten auf, sich weiterhin für eine gerechte und nachhaltige Lösung für den Konflikt in Sri Lanka einzusetzen, und bekundet seine Unterstützung für das gesamte Volk von Sri Lanka und ihren Präsidenten Mahinda Rajapakse in ihren gemeinsamen Bemühungen, sich den vor ihnen liegenden Herausforderungen zu stellen;

19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der übrigen Mitgliedstaaten der Co-Chairs Group (Norwegen, USA und Japan), dem Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie den Regierungen der Schweiz, Sri Lankas und der übrigen Länder der SAARC sowie der LTTE zu übermitteln.

* GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
eingereicht gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung von
  • Geoffrey Van Orden, Thomas Mann, Philip Bradbourn, Charles Tannock UND Bernd Posselt im Namen der PPE-DE-Fraktion
  • Pasqualina Napoletano, Jill Evans, Neena Gill, Emilio Menéndez del Valle und Elena Valenciano Martínez-Orozco im Namen der PSE-Fraktion
  • Elizabeth Lynne, Sajjad Karim und Marios Matsakis im Namen der ALDE-Fraktion
  • Jean Lambert, Raül Romeva i Rueda, Gérard Onesta und Pál Schmitt im Namen der Verts/ALE-Fraktion
  • Eoin Ryan im Namen der UEN-Fraktion

Quelle: Dokumente des EU-Parlaments; Plenarsitzungsdokument, 17.05.2006: Zur Lage in Sri Lanka


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