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"Im West-Sudan (Darfur) eine humanitäre Katastrophe verhindern"

Bundestag verabschiedet einstimmig eine Resolution zur Lage der Flüchtlinge im Sudan

Am 26. Mai 2004 brachten alle im Bundestag vertretenen Fraktionen einen gemeinsamen Antrag ein, der sich mit der Situation im Sudan befasst. Wir dokumentieren im Folgenden diesen Antrag, der nach einer längeren Debatte am selben Tag einstimmig angenommen wurde.


Deutscher Bundestag, 15. Wahlperiode 26.05.2004
Drucksache 15/3197


Antrag
der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP

Im West-Sudan (Darfur) eine humanitäre Katastrophe verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
  • Während es bei den Friedensverhandlungen zwischen dem Norden und dem Süden des Sudan in den vergangenen Monaten Fortschritte gegeben hat, hat sich die Situation im Westen des Sudan in der Region Darfur so dramatisch zugespitzt, dass sie Anlass zu größter Sorge gibt.
  • Aufgrund der wirtschaftlichen Marginalisierung der Region Darfur ist ein schwerwiegender Konflikt mit eklatanten Menschenrechtsverletzungen entstanden. Dieser Konflikt hat folgende Ursachen: Der sudanesischen Regierung wird vorgeworfen, sie versuche, ihren Einfluss in der Region Darfur auszubauen. Dazu habe sie arabische Nomadenstämme bewaffnet, die fruchtbares Land erobern wollen, das wiederum von schwarzafrikanischen Stämmen bewirtschaftet wird. Um sich gegen diese bewaffnete Landnahme zu wehren, haben sich innerhalb der schwarzafrikanischen Stämme Rebellengruppen gebildet, die ihrerseits gegen die arabischen Nomadenmilizen und Regierungstruppen kämpfen. Seit Beginn dieser Kampfhandlungen im Frühjahr 2003 sollen nach Angaben der Vereinten Nationen ungefähr 10.000 Menschen getötet und mehr als eine Millionen Zivilisten vertrieben worden sein, davon mehr als 130.000 in den Tschad. Den nomadischen Milizen, den Janjaweed-Milizen, die mit Billigung oder gar Unterstützung der sudanesischen Regierung vorgehen, werden schwerste Menschenrechtsverletzungen, Massenmorde und Massenvergewaltigungen angelastet. Der sudanesische Regierung wird vorgeworfen, mit Hilfe dieser Milizen ethnische Vertreibungen großen Ausmaßes zu betreiben.
  • Vor diesem Hintergrund wurden unter der Ägide der AU Waffenstillstandsgespräche zur Darfur-Krise in Ndjamena/Tschad geführt und mit einem am 8.4. unterzeichneten und am 11.4. in Kraft getretenen Waffenstillstandsabkommen (für 45 Tage) zu Ende gebracht. Dieses Abkommen soll zwar den humanitären Hilfsorganisationen schnellen Zugang zu den Flüchtlingen und zur notleidenden Bevölkerung ermöglichen. In der Praxis wird aber der Zugang für die Hilfsorganisationen nach wie vor massiv behindert. Die Janjaweed-Milizen setzen ihre Angriffe auf die Zivilbevölkerung fort. Dadurch werden die Flüchtlinge an der Rückkehr gehindert. Die Afrikanische Union hat entschieden, eine Waffenstillstandskommission einzusetzen, die unter anderem die Einsetzung einer Beobachtermission vorbereiten soll.
  • Die Situation ist dramatisch, und wegen des Beginns des Regenzeit in wenigen Tagen ist größte Eile geboten. Denn mit dem Einsetzen der Regenzeit Ende Mai droht eine humanitäre Katastrophe.
  • Es besteht die Gefahr, dass die dramatische Situation in Darfur den Friedensprozess zwischen dem Norden und dem Süden gefährdet. Die Darfur-Krise muss gleichzeitig gelöst werden, denn ohne eine Lösung der Darfur-Krise ist keine dauerhafte Lösung des innersudanesischen Konflikts denkbar.
II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Darfur-Krise zur Linderung der Not der sudanesischen Bevölkerung insgesamt 5 Millionen Euro bereitgestellt hat, im Rahmen der humanitären Nothilfe weitere Mittel zur Verfügung stellen wird und sich kontinuierlich und energisch für die Behandlung der Lage in Darfur im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, in der EU sowie bei den G 8 eingesetzt hat, um mittels internationalen Drucks auf die sudanesische Regierung eine drohende humanitäre Katastrophe in Darfur zu verhindern.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
  1. Den Druck auf die sudanesische Regierung aufrecht zu erhalten, damit internationale Hilfsorganisationen ungehinderten und sofortigen Zugang in die Region Darfur erhalten und mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihre Arbeit leisten können.
  2. Den Druck auf die sudanesische Regierung aufrecht zu erhalten, die sogenannten Janjaweed-Milizen unverzüglich zu entwaffnen und aus der Krisenregion Darfur zurückzuziehen, den Waffenstillstand einzuhalten, die Angriffe auf die Zivilbevölkerung sowie die Menschenrechtsverletzungen sofort einzustellen.
  3. Auf alle am Regionalkonflikt beteiligten Parteien weiterhin einzuwirken und auf eine strikte Einhaltung des Waffenstillstandes vom 8.April 2004 zu dringen, damit die Flüchtlinge freiwillig und sicher in ihre Heimat zurückkehren können.
  4. Sich bei allen Konfliktparteien für den raschen Beginn politischer Gespräche einzusetzen, um eine dauerhafte Friedenslösung für die Region Darfur zu erarbeiten und umzusetzen.
  5. Die von der AU eingesetzte Waffenstillstandskommission zu unterstützen.
  6. Darauf hinzuwirken, dass die von der AU geplante Beobachtermission möglichst schnell eingesetzt und, wie von der EU beschlossen, unterstützt wird.
  7. Innerhalb der EU dahingehend Einfluss nehmen, dass die gemeinsam mit der AU gestaltete Friedensfazilität schnellstmöglich zu einer Stabilisierung der Situation in Darfur genutzt wird und die für die afrikanische Friedensfazilität vorgesehenen Mittel der EU so schnell wie möglich für den Einsatz afrikanischer Friedenstruppen zur Verfügung gestellt werden.
  8. Ihre Bemühungen im VN-Sicherheitsrat dahingehend fortzusetzen, dass der VNSicherheitsrat die sudanesische Regierung zur Einhaltung ihrer internationalen Verpflichtungen einschließlich der Einhaltung des Waffenstillstands drängt.
  9. Sich dafür einzusetzen, dass der VN-Sicherheitsrat – wie schon die EU – ein umfassendes Waffenembargo verhängt.
  10. Sich nachdrücklich dafür zu engagieren, dass der auf der 60. Sitzung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen eingesetzte unabhängige Experte seine Tätigkeit sofort und ungehindert aufnehmen kann und vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen Bericht erstattet.
  11. Die gesamtsudanesischen Friedensverhandlungen zwischen dem Norden und dem Süden zu unterstützen und alle Konfliktparteien zu einem schnellstmöglichen Abschluss dieser Verhandlungen zu drängen.
  12. Sich für eine Überwachung der Einhaltung des Friedensprozesses im Süd-Sudan durch die Vereinten Nationen einzusetzen sowie einen möglichen deutschen Beitrag zu prüfen.
Berlin, den 26. Mai 2004

Franz Müntefering und Fraktion
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

* Elektronische Vorab-Fassung

Quelle: www.bundestag.de


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