Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Tankzüge nach Mombasa

Monopoly um Sudans Öl. Von Jürgen Elsässer

"Wenn die deutsche Regierung in der Darfur-Krise so einseitig wie bisher gegen Khartum Partei ergreift, hat das auch ökonomische Gründe", schreibt Jürgen Elsässer im Vorspann zu seinem jüngsten Artikel über den Sudan. Wir dokumentieren im Folgenden den Beitrag, der am 3. September in der Wochenzeitung "Freitag" erschien.


Ende August ist die Frist abgelaufen, die der UN-Sicherheitsrat der sudanesischen Regierung zur Befriedung der Lage in Darfur gelassen hatte. Inwiefern Khartum dabei erfolgreich war, ist im höchsten Gremium der UNO ebenso umstritten wie die Verhängung etwaiger Strafmaßnahmen. Bislang standen sich dort zwei Blöcke gegenüber: Auf der einen Seite die Vermittler, angeführt von China und Russland, die jede äußere Einmischung ablehnen. Auf der anderen die Hardliner um Deutschland und Großbritannien, die für schnelle Sanktionen plädieren und mit einem gewaltsamen Eingreifen liebäugeln.

Kerstin Müller, grüne Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, hatte sich schon im Dezember für eine Militärintervention ausgesprochen. Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) wirbt seit Mai für die Entsendung einer Eingreiftruppe, die aus afrikanischen Soldaten bestehen und von der EU finanziert werden soll. Der FDP-Politiker Gerhart Baum sprach sich Mitte Juli für eine "internationale Militärintervention mit deutscher Beteiligung" aus.

Während in diversen Medien mit humanitären Argumenten Stimmung für eine Intervention gemacht wird, sind die wahren Gründe ganz profan. "Im Sudan ist sehr viel Geld zu verdienen", war ein Beitrag in der FAZ Ende Juli überschrieben. "Grund sind die Ölvorkommen des Landes und damit seine potenzielle Zahlungsfähigkeit. Die Ölreserven ... belaufen sich nach vorsichtigen Schätzungen auf zwei Milliarden Faß, von denen wiederum 700 Millionen nachgewiesen sind ... Die tägliche Fördermenge in Sudan liegt gegenwärtig bei 312.000 Faß Rohöl, Tendenz steigend. Bis Ende 2005 soll die Fördermenge auf 500.000 Faß erhöht werden ..." - Zum Vergleich: Saudi-Arabien und Russland fördern täglich bis zu acht Millionen Barrel (*).

Die Lagerstätten befinden sich hauptsächlich in Zentral- und Südsudan. Die christlich-animistischen Rebellen des Sudanese People Liberation Movement (SPLM/A) im Süden kämpfen seit über 20 Jahren für die Abspaltung von der moslemischen Bevölkerungsmehrheit im Zentrum und im Norden. In dem auf beiden Seiten grausam geführten Bürgerkrieg starben 1,5 Millionen Menschen. "Hintergrund dieses Abnutzungskrieges war der Versuch der Vereinigten Staaten, Sudan ... zu isolieren und ›einzukreisen‹. Mit fast schon religiösem Eifer wurden die Rebellen im Südsudan unterstützt, die sich großer Sympathie in konservativen christlichen Kreisen Amerikas erfreuten", heißt es in einer weiteren FAZ-Expertise von Anfang August.

Gerade als im späten Frühjahr 2003 zur Beendigung dieses blutigen Konflikts im Süden Verhandlungen begonnen hatten, griffen die mit den Südrebellen verbündeten Aufständischen in der Westprovinz Darfur, die sich Sudanese Liberation Movement (SLM) sowie Justice and Equality Movement (JEM) nennen, zu den Waffen (siehe Dokumentation). So von zwei Seiten in die Zange genommen willigte die Regierung in Khartum Ende Mai 2004 schließlich in einen Friedensvertrag ein, der dem Süden über ein Referendum im Jahr 2010 die Unabhängigkeit ermöglicht - und damit die Kontrolle über das Öl. Auch die Darfur-Rebellen haben mittlerweile Appetit auf den klebrig-schwarzen Saft und fordern 13 Prozent der künftigen Öleinnahmen. Dabei ist noch umstritten, wie groß die Vorkommen im Westen überhaupt sind. Nachgewiesen ist jedenfalls, dass sich ein Feld durch ganz Süd-Darfur bis zur Grenze mit der Zentralafrikanischen Republik erstreckt.

Dass die deutsche Regierung so einseitig gegen die Regierung in Khartum Partei ergreift und die Mitschuld der Rebellen für die humanitäre Krise in den Hungerregionen niemals thematisiert, hat einen einfachen Grund: Ein deutsches Unternehmen hat ein Milliarden schweres Geschäft mit den Aufständischen vereinbart. Dabei geht es nicht um Ölförderung, sondern um Öltransport. Auftragnehmer ist die Firma Thormählen Schweißtechnik aus Bad Oldesloe, die beispielsweise 2002 die ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und Frankfurt/Main gebaut hat. Anfang Juli wurde der Deal in der kenianischen Hauptstadt Nairobi perfekt gemacht. Thormählen soll eine Eisenbahnverbindung von der südsudanesischen Stadt Juba über Uganda nach Kenia bauen, so dass Tankzüge sudanesisches Öl über 2.500 Kilometer bis zur kenianischen Hafenstadt Mombasa transportieren können.

Damit unterstützt das deutsche Unternehmen die Aufteilung Sudans. "Das ist die Lebensader unserer Unabhängigkeit", bejubelte Costello Garang, einer der Anführer der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLM/A, den Vertragsabschluss. Die Eisenbahnverbindung "könnte die politische und geographische Landkarte des Kontinents ändern", stimmt das kenianische Magazin The Nation zu.

Bisher wird das sudanesische Öl zwar hauptsächlich im Süden und im Zentrum des Landes gefördert, aber ausschließlich über einen Hafen im Norden exportiert - Port Sudan am Roten Meer. Diese Führung der Pipeline entlang der Nord-Süd-Achse hält den Staat bislang zusammen - die Regierung setzt deshalb alles daran, sie auszubauen.

Ihr Partner dabei ist vorrangig die Volksrepublik China. So hält die China National Petroleum Company bedeutende Lizenzen für die Ölförderung im Süden und hat nun auch den Zuschlag für das Block-6-Feld in Darfur bekommen. Dagegen zogen sich Konzerne wie Chevron (USA), Talisman (Kanada) und OMV (Österreich), die zum Teil schon in den siebziger Jahren Bohrrechte erworben hatten, mittlerweile ausnahmslos aus dem Sudangeschäft zurück. Hier spielte der Druck aus Washington eine große Rolle: Nachdem die Fundamentalisten im Jahr 1989 in Khartum die Macht ergriffen hatten, sollte das Regime des Präsidenten Omar al-Bashir durch Sanktionen isoliert werden.

Das von den genannten Westunternehmen hinterlassene Vakuum im Ölgeschäft füllen heute malaiische, indische und eben chinesische Konkurrenten, die sich nur dann verdrängen lassen dürften, wenn das sie begünstigende Regime in Khartum gestürzt oder der Ölreichtum dessen Kontrolle entzogen würde. Ende Juli unterzeichnete ein chinesisch geführtes Konsortium einen Vertrag über eine neue Pipeline nach Port Sudan. Mit 1,7 Milliarden Dollar konnte Khartum dafür allerdings nur etwas mehr als die Hälfte der drei Milliarden Dollar bieten, die von den Südrebellen Thormählen für die Schienenstrecke nach Mombasa offeriert wurden.

Ein Wettlauf mit der Zeit: Wird zuerst die "chinesische" Nordpipeline fertig, die den Sudan stabilisieren würde? Oder die "deutsche" Eisenbahn-Trasse nach Süden, die ihn zerreißt? Je mehr die Regierung in Khartum durch westliche Einmischung geschwächt wird, um so wahrscheinlicher wird Variante zwei. Den Ausschlag wird wohl die Haltung der amerikanischen Regierung geben, die sich bisher zurückhält, da sie ihre Truppen auf anderen Schauplätzen braucht und Präsident al-Bashir beim (so genannten) Kampf gegen den Terrorismus kooperiert.

* Ein Barrel gleich 159 Liter

Von Jürgen Elsässer ist im Frühjahr das Buch Kriegslügen. Vom Kosovokonflikt zum Milosevic-Prozeß erschienen (Verlag Kai Homilius).

Aus: Freitag 37, 3. September 2004


Zu weiteren Beiträgen über Sudan

Zur Themenseite "Öl"

Zurück zur Homepage