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Spalten für Zuma

Führung des südafrikanischen Gewerkschaftsdachverbands erteilt Sonderkongreß Absage

Von Christian Selz *

Der 11. Februar wird in Südafrika nie ein gewöhnlicher Tag werden, zumindest nicht für die Älteren, die Hunderttausenden, die aktiv waren im Kampf gegen die Apartheid. Zum 24. Mal jährte sich am Dienstag die Freilassung Nelson Mandelas aus 27jähriger politischer Haft. Gefeiert wurde der Wendepunkt in der Geschichte des Landes gestern nicht, statt dessen überlagern die aktuellen Entwicklungen die Geschichte. Die schrieb die Führung des südafrikanischen Gewerkschaftsbunds ­COSATU, indem sie sich gegen ihr eigenes Statut stellte. Obwohl neun der 19 Mitgliedsgewerkschaften – und damit mehr als das nötige Drittel – einen außerordentlichen Gewerkschaftskongreß beantragt hatten, stemmte sich das Zentrale Exekutivkomitee (CEC) dagegen. Offiziell bekanntgegeben wurde die Entscheidung auf einer Pressekonferenz am Dienstag nachmittag in Johannesburg. Den vorgeschobenen Grund soufflierte ein ano­nymer »­­COSATU-Führer« der Onlineausgabe der Wochenzeitung Mail & Guardian aber schon am Vorabend: »Die Gewerkschaften haben das Geld zur Durchführung nicht.«

Das durchsichtige Manöver ist der verzweifelte Versuch der regierungsnahen ­COSATU-Führung um Präsident Sdumo Dlamini, den Gewerkschaftsbund weiter an den African National Congress (ANC) unter Staatspräsident Jacob Zuma zu binden. Zusammen mit der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) sind beide seit dem Kampf gegen die Apartheid in einer Dreierallianz verbündet. Der linke ­COSATU-Flügel steht mit der sozialdemokratisch geprägten Politik des ANC, dessen Regierungsmitglieder zudem immer wieder in Korruptionsaffären und Skandale um Vorteilsnahmen verwickelt sind, allerdings seit Jahren auf Kriegsfuß. Die National Union of Metalworkers South Africa (NUMSA), mitgliederstärkste Einzelgewerkschaft Südafrikas, hatte der Regierungspartei im Dezember gar erstmals die Unterstützung für den kommenden Wahlkampf versagt. Südafrika wählt am 7. Mai ein neues Parlament, das anschließend den Staatspräsidenten bestimmt.

Offensichtlich sieht der Zuma-loyale Flügel seinen Einfluß innerhalb der Arbeiterbewegung schwinden. Noch im September hatte Gewerkschaftspräsident Dlamini verkündet, er werde sich an die ­COSATU-Verfassung halten und den außerordentlichen Gewerkschaftskongreß einberufen. Die Entscheidung nun an das CEC zu delegieren, in dem die Regierungstreuen in der Mehrheit sind, war Teil seiner Kehrtwende. Die ­COSATU-Führung, längst bestens in ANC- und Regierungspositionen integriert, fürchtet die Wut der eigenen Mitglieder. Die dürften mehrheitlich hinter dem linken Flügel stehen und fordern die Wiedereinsetzung ihres im vergangenen August suspendierten Generalsekretärs Zwelinzima Vavi. Der hatte immer wieder »politische Hyänen« in der Zuma-Administration kritisiert, die sich auf Kosten der südafrikanischen Arbeiter bereicherten.

Die Probleme des Gewerkschaftsbundes sind mit der Entscheidung gegen den außerordentlichen Kongreß freilich nicht aus der Welt geschafft, im Gegenteil: Die Spaltung ist seit Dienstag noch tiefer. Die neun Einzelgewerkschaften, die die Einberufung des Gremiums bei Dlamini beantragt hatten, boykottierten die CEC-Sitzung. »Wir werden sie uns direkt vorknöpfen«, ließ ­NUMSA-Schatzmeister Mpumzi Maqungo den Mail & Guardian mit Blick auf den ANC-nahen Flügel wissen. »Die kapern die Organisation, sie nehmen den Bund als Geisel.« Die neun Gewerkschaften würden nun rechtliche Schritte erwägen, um die Einberufung des Sonderkongresses zu erzwingen.

Machtpolitisch hilft diese Spaltung der Gewerkschaften der ANC-Führung um Zuma. Eine starke Arbeiterbewegung wäre angesichts der zersplitterten Opposition die einzig ernstzunehmende Gefahr für den von Zuma mitgetragenen wirtschaftsnahen Kurs. Das Wahlprogramm des ANC basiert auf dem »Nationalen Entwicklungsplan« (NDP), einem Strategiepapier, das unter anderem eine schwächere Regulierung des Arbeitsmarktes und privatwirtschaftliche Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und somit zur Bekämpfung der Armut anstrebt. Die NUMSA lehnt den NDP kategorisch ab. Die eng mit dem ANC verwobene SACP sieht den Plan zwar punktuell kritisch, stimmt seiner Umsetzung aber zu.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 12. Februar 2014


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