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Klima der Angst

Südafrika: Streik in Platin-Bergwerken geht in vierten Monat. ANC-Minister attackiert. Recherche von Journalisten behindert

Von Christian Selz, Rustenburg *

Seit Ende Januar streiken die Kumpel der Platinminen von Rustenburg im Nordwesten Südafrikas. Eine Einigung mit den drei dominierenden Bergbaukonzernen Impala Platinum, Lonmin und der Anglo-American-Tochter Amplats scheiterte in der vergangenen Woche. Wie geladen die Stimmung im Platingürtel inzwischen ist, kann Fikile Mbalula seit Sonntag an der Zahl der Beulen an den Wagen seiner Dienstkolonne ablesen. Der Politiker des regierenden African National Congress (ANC) war zur Werbung für die Parlamentswahlen am 7. Mai in Freedom Park, einer verarmten Arbeitersiedlung am Rande des Bergbauzentrums, auf Stimmenfang gewesen, als ihn Anhänger der radikalen Bergarbeitergewerkschaft AMCU attackierten. Einem Bericht der südafrikanischen Nachrichtenagentur SAPA zufolge eskortierte die Polizei den amtierenden Minister für Sport und Erholung schließlich aus dem Viertel.

Die AMCU fordert 12500 Rand (rund 848 Euro) Einstiegsgehalt. Die Unternehmerseite bot zuletzt das selbe an – allerdings erst am Ende einer Staffelung ab 2017 und bei gleichzeitiger Streichung aller Zulagen. Besonders der Verlust des Wohngelds würde die Kumpel jedoch hart treffen. Größtenteils stammen sie aus weit entfernten Gegenden Südafrikas – ein Erbe des Arbeitsmigrantensystems aus der Zeit der Apartheid. Die Gewerkschaftsführung weigert sich deshalb, ihre Mitglieder über das Angebot abstimmen zu lassen. Doch den Arbeitern, die kaum finanzielle Unterstützung erhalten, geht nach drei Monaten ohne Gehalt das Geld aus. Zwar fahren auch die Konzerne massive Verluste ein – gut eine Milliarde Euro haben sie dem Wirtschaftsblatt Business Day zufolge zusammen bisher verloren –, doch die Chefetagen scheinen fest entschlossen, den Widerstand der zunehmend gespaltenen Kumpel zu brechen.

Wie unübersichtlich die Situation an den Minen inzwischen ist, wird bei einem Ortsbesuch in Rustenburg schnell deutlich. Gaddafi Mdoda, der als Sprecher eines Streikkomitees bei Amplats in Südafrika relativ bekannt geworden ist, wartet in einem Schnellimbiß im Stadtzentrum. »Dies ist kein Krieg, den eine Gewerkschaft allein führen kann«, sagt er. Mdoda spricht in relativ weit gefaßten Sätzen – und leise. Dann will er das Interview eine Stunde aufschieben, er müsse noch etwas von zu Hause holen. Im Restaurant sitzt mir nun ein Mann gegenüber, der mich mit seiner Handykamera ablichtet. Als ich mich umsetze, fährt ein Wagen vorm Fenster vor, der Beifahrer ist offenkundig ebenfalls passionierter Fotograf. Dann ruft Mdoda an, wir würden beschattet, ich solle aus der Stadt fahren, schauen, wer mir folgt und später zurückkehren. Doch die Männer lassen sich auch mit endlosen Schleifen durch die Innenstadt und nahegelegene Wohngebiete Rustensburgs nicht abschütteln. Auf der Autobahn kommt gar noch ein zweiter Wagen hinzu. Ein aggressives Überholmanöver mit unmißverständlichem Blickkontakt sowie eine direkt folgende Bremsung sollen wohl deutlich machen, daß Rustenburg kein Ort für ungestörte Recherchen ist.

Wer die Männer sind und wer sie schickt, wisse er nicht, sagt Mdoda später am Telefon. In Frage kommen etliche Organisationen – von den Konzernen bis zu der dem ANC nahestehenden Bergarbeitergewerkschaft NUM, die ihre Vormachtstellung an den Minen im vergangenen Jahr eingebüßt hat. Aber sogar die AMCU kommt in Frage, mit deren Führung Mdoda im Streit liegt. Deren Präsident Joseph Mathunjwa hatte ihn im Januar einen »Verräter« genannt, nachdem Mdoda eigenen Angaben zufolge mehr interne Transparenz und einen Aufschub des Streiks bis zu einer Einigung mit anderen Gewerkschaften wie der Metallarbeiterorganisation NUMSA gefordert hatte. Mathunjwa hielt bereits im Januar in der Zeitung City Press dagegen, der Ortsverband habe Mdoda ausgeschlossen. Letzterer sagt nun, die lokalen Strukturen hätten gar keine Möglichkeit, sich gegen ihren Präsidenten zu stellen. Überhaupt wolle »ein großer Teil der Arbeiter« zurück in die Schächte, um später gestärkt und vereint einen neuen Streikanlauf nehmen zu können. »Doch es gibt immer noch extrem viel Einschüchterung.« Mathunjwa, so sagt er, sei »sehr gut darin, die Arbeiter zu spalten«.

Wer immer Mdodas Schatten sind, an Berichterstattung über die Lage der Bergarbeiter ist ihnen offensichtlich wenig gelegen – an einer Spaltung der Belegschaften dagegen umso mehr. Zerbricht mit dem Streik der Kumpel auch für längere Zeit deren Einheit, triumphieren die Konzerne.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 30. April 2014


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