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Südafrika wartet auf Verurteilung von "Dr. Tod"

Menschenrechtler, Ärzte und Juristen fordern Berufsverbot für den Giftmischer der Apartheid

Von Markus Schönherr, Kapstadt *

Wouter Basson erfand Bomben mit Choleraviren, Rattengiftschokolade und eine Spritze, die Frauen ihre Fruchtbarkeit nimmt. In Südafrika soll nun eine Ethikkommission über »Doktor Tod« entscheiden.

Wouter Basson leitete von 1981 bis 1992 das »Project Coast«, ein Programm für chemische und biologische Kriegswaffen des südafrikanischen Apartheidregimes. Obwohl er seinen Eid verletzte, niemandem ein Leid zuzufügen, ist der Arzt bis heute auf freiem Fuß.

»Wie lange müssen wir noch warten, bis Dr. Tod seine Strafe bekommt?«, fragt die Wochenzeitung »Mail & Guardian«. Bereits im Dezember vergangenen Jahres bestätigte die Südafrikanische Ärztekammer HPCSA, Basson habe »als Mediziner unethisch gehandelt«, als er Zyanidkapseln an Soldaten verteilte und sie mit vergiftetem Whisky für ihre Gegner versorgte. Doch bis heute drückt sich die Ärztevereinigung um ein klares Urteil. Viele Südafrikaner sind schockiert darüber, dass Basson nach wie vor als Kardiologe Patienten in seiner Kapstädter Praxis behandelt. Nachdem die HPCSA ihr Urteil auf unbestimmte Zeit vertagt hat, verlangen Menschenrechtsaktivisten, Ärzte und Rechtsexperten nun, dass »Dr. Tod« für immer aus dem Ärzteregister verbannt wird. »Für seine Verbrechen muss Basson zur Verantwortung gezogen werden. Er muss endlich seine Schuld begleichen bei der Gesellschaft und allen, die seiner Arbeit während der Apartheid zum Opfer fielen«, sagt Salim Abdool-Karim, Direktor des Zentrums für Aids-Forschung in Kwazulu-Natal. Zusammen mit zahlreichen anderen Medizinern unterzeichnete er eine Petition, die ein Berufsverbot für Basson fordert.

Auf der Anklagebank zu sitzen, ist für Basson nichts Neues. Bereits 1997 war er wegen Besitzes illegaler Substanzen festgenommen worden. Die Polizei beschlagnahmte eine »Verkaufsliste«, die alle todbringenden Erfindungen des Arztes aufzählt, darunter ein Schlangengiftpräparat und Schokoladen mit verschiedenen Giften. 2002 wurde er mangels Beweisen freigesprochen.

Basson bekräftigte stets, bis zum Ende der Apartheid 1994 nicht als Arzt, sondern als Soldat gehandelt zu haben. »Alles, was ich tat, war komplett legal und genoss das volle Wissen und die Zustimmung der damaligen Regierung«, sagte Basson gegenüber »Mail & Guardian«.

Aber Louis Reynolds, Vorsitzender des »People’s Health Movements«, einer weltweiten Gesundheitsorganisation, kontert: »Hätte er wirklich als Soldat gehandelt, hätte er sich als Arzt austragen lassen müssen. Es ist problematisch, zwischen den Rollen eines Soldaten und eines Arztes zu wechseln, während man das Wissen, die Fähigkeiten und die Privilegien eines Arztes nutzt.« Zudem unterscheide sich Reynolds zufolge die militärische Ethik in keiner Weise von der medizinischen Ethik.

Es gibt wenige Stimmen, die für Basson sprechen. Khosi Lethlape, Präsident der Afrikanischen Medizinischen Vereinigung (AfMA), macht den Gesundheitssektor totalitärer Regime verantwortlich: Darin machten sich Mediziner oft selbst zum Opfer, wenn sie sich ethisch korrekt verhalten. Als Beispiel nannte Lethlape einen südafrikanischen Arzt, der 2002 entlassen wurde, als er Aids-Aufklärung leistete. Zu jener Zeit regierte Thabo Mbeki, der vehement den Zusammenhang zwischen HIV und der Immunschwächekrankheit Aids leugnete und Aids-Patienten eine Kur aus Roter Bete, Knoblauch und Zitronensaft empfahl. Die Verurteilung von »Doktor Tod« sei ein Moment, den Südafrika mit viel Ungeduld erwarte, schrieb der »Mail & Guardian«. Doch zugleich warnte die Zeitung, die Kommission, vor der Basson steht, habe nur selten effektiv geurteilt. Auch jene Ärzte, die 1985 für den Tod des Anti-Apartheid-Aktivisten Steve Biko schuldig gesprochen wurden, seien nicht aus dem Ärzteregister gestrichen worden.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag 26. Juni 2014


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