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Verdammtes Badezimmer

George W. Bush ist wieder da, mit Memoiren, aber Schreiben kann er nicht

Von Philipp Schläger, New York *

Viele, die bislang daran gezweifelt hätten, daß er überhaupt reden könnte, würden überrascht sein, daß er nun auch noch schreibe, scherzt George W. Bush, nachdem er fast zwei Jahre lang eisern geschwiegen hat. Fast nichts drang seit seinem Abtritt im Januar 2009 an die Öffentlichkeit. In der vergangenen Woche erschienen seine Memoiren, und Bush ist wieder da. Auf nahezu allen Kanälen wirbt er für sein Buch »Decision Points« (»Entscheidungspunkte«).

Die Werbetour begann mit einem erstaunlich freundlichen Interview des NBC-Journalisten Matt Lauer und einem noch gemütlicheren Gespräch mit Oprah Winfrey. Lächelnd zurückgelehnt, die Beine übereinandergeschlagen, erinnerte sich Bush in ihrer Sendung an Momente seiner Präsidentschaft, stellte seinen Familiensinn heraus und seine »menschliche Seite«. Er und die Talkmasterin hielten Händchen. Am Ende umarmte sie ihn. Es folgten Interviews mit CNN. In dieser Woche kam bisher vor allem Fox News auf seine Kosten.

Bushs Version seiner Amtszeit bleibt auch im Buch erstaunlich oberflächlich. Als Schlüsselereignis bezeichnet er den 11. September 2001. Die folgenden, für seine Präsidentschaft zentralen Diskussionen handelt er gern in wenigen, schemenhaften Absätzen ab. Guantanamo und die Folterpolitik bekommen in dem 497 Seiten dicken Buch (inklusive Fotostrecken und Index) gerade einmal sechs Seiten. Doch die haben es in sich. Ganz offen bekennt sich der Expräsident dazu, das Waterboarding in mehreren Fällen persönlich angeordnet zu haben. »Damn right!« (»Verdammt richtig!«) lautete seine Antwort auf die Frage von CIA-Direktor George Tenet, ob der vermeintliche Hintermann der Anschläge vom 11. September, Khalid Scheich Mohammed, auf diese Weise gefoltert werden sollte. Beim Waterboarding werden Opfer mehr oder weniger kontrolliert ertränkt (es ist nicht nur ein »simuliertes Ertrinken«, wie immer wieder berichtet wird).

Das Waterboarding habe Terrorangriffe in den USA und Großbritannien verhindert, behauptet Bush. Ohne Belege. Britische Behörden widersprachen seiner Darstellung. Besonders grotesk ist die Schilderung der Reaktion eines weiteren Gefolterten. Das mutmaßliche Mitglied Al-Qaidas, Abu Zubaydah, sei erst nach der Mißhandlung zur Aussage bereit gewesen, schreibt Bush. Zur Begründung habe Zubaydah erklärt, daß er Zwängen gemäß den Regeln des Islam nur bis zu einer bestimmten Grenze widerstehen müsse. Das Waterboarding stelle diese Schwelle dar. Aus religiösen Gründen sei ihm die Aussage erst nach der Anwendung der Folter erlaubt gewesen. »Ihr müßt das für alle Brüder tun«, forderte er nach Darstellung Bushs (Seite 169). In Bushs Welt bitten die Gefolterten um Folter. Mehr als gut kommt das Gefangenenlager Guantanamo weg: Ärztliche Versorgung, Lese- und Sportgelegenheiten stellt er als »vorbildlich« heraus.

Auch der Irak-Krieg sei kein Fehler gewesen. Bush verneinte etwa Lauers Frage, ob dafür nicht eine Entschuldigung bei den Amerikanern angebracht sei: »Sich zu entschuldigen, würde ja heißen, daß die Entscheidung eine falsche Entscheidung war.« Ihm werde zwar immer noch schlecht, wenn er daran denke, daß die Massenvernichtungswaffen im Irak nicht gefunden wurden, sagte Bush, und es klang, als seien diese Waffen bis heute einfach zu gut versteckt. Dies sei am Ende aber egal, so Bush. Der Irak habe Kapazitäten für den Bau von Massenvernichtungswaffen gehabt, und die Welt sei ohne Saddam Hussein schlichtweg besser dran. Dieser habe schließlich auch mit dem 11. September zu tun gehabt. Eine Behauptung, die im Buch mehrmals wiederholt wird.

Gerhard Schröder habe ihm, was den Irak-Krieg anging, zunächst Unterstützung angeboten, dann hintergangen, meint Bush. Der Exbundeskanzler hat dieser Darstellung widersprochen. Er habe Bush versichert, daß Deutschland zuverlässig an der Seite der USA stehen werde, wenn sich der Irak wie Afghanistan als Schutzraum für Al-Qaida-Kämpfer erweisen sollte. Dieser Begründungszusammenhang der Bush-Administration habe sich jedoch im Laufe des Jahres 2002 als »falsch und konstruiert« herausgestellt.

Bush kritisiert auch verbündete NATO-Truppen in Afghanistan, die wegen restriktiver Regeln ihres Einsatzes eher Platz wegnähmen, als zu helfen. Ein konkretes Land nennt er jedoch nicht. Die Finanzkrise versteht er als Werk einiger Spekulanten. Ein Tiefpunkt seiner Präsidentschaft war sie genauso wenig wie alles bisher Erwähnte. Für einen solchen Tiefpunkt sorgte allerdings der Rapper Kanye West, der Bush angesichts des miserablen Krisenmanagements nach Hurrikane »Katrin« bei einer live im Fernsehen übertragenen Spendengala vorwarf, daß ihm Schwarze egal seien. Diese Äußerung habe ihn zutiefst verletzt, meint Bush. West hat sich bei ihm entschuldigt.

Noch am Authentischsten wirkt das erste Kapitel des Buchs, in dem es um Bushs Alkoholsucht geht. Schon die Passagen über seine Kindheit legen dann fälschlicherweise nahe, daß er aus armen Verhältnissen kommt. Zeitweise habe sich seine Familie ein Bad mit zwei Prostituierten geteilt, schreibt er. Der Kolportage-Eindruck, den das Buch macht, wurde in der Internetzeitung Huffingtonpost auch darauf zurückgeführt, daß Bush zahlreiche Anekdoten und Dialoge aus Büchern und Zeitungen kopiert hat. Er hat sich bedient, ohne auf die Quellen zu verweisen. Seine Schilderung der Ankunft des afghanischen Staatschefs Hamid Karsai in Kabul – mit Zitaten, Bush selbst war nicht anwesend – findet sich fast identisch in der New York Review of Books, stammt hier vom Journalisten Ahmed Raschid. Es gibt sogar Passagen aus Büchern des Starjournalisten Bob Woodward, deren Glaubwürdigkeit das Weiße Haus öffentlich in Zweifel gezogen hatte, als der Autor noch Präsident war.

* Aus: junge Welt, 17. November 2010


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