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CIA-Folterbericht wird veröffentlicht

Beschluss von US-Senatsausschuss nach jahrelangem Streit *

Dunkelhaft, simuliertes Ertränken, Schlafentzug: Mit Foltermethoden versuchte der US-Geheimdienst CIA unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush, aus Terrorverdächtigen neue Informationen herauszubekommen. Nun sollen Teile eines bislang geheimen Berichts des US-Senats dazu publik gemacht werden, beschloss der Geheimdienstausschuss nach jahrelangem Streit am Donnerstag (Ortszeit). Der Ausschuss stimmte mit elf zu vier Stimmen für die Veröffentlichung. Demnach sollen rund 500 Seiten des insgesamt 6300 Seiten langen Berichts zugänglich gemacht werden.

Damit wird ein dunkles Kapitel der jüngeren Geschichte wieder in Erinnerung gerufen. Was der US-Geheimdienst als »erweiterte Verhörtechniken« bezeichnete, nennen viele Kritiker Folter. Zu den zwischen 2002 und 2009 eingesetzten und vom US-Justizministerium abgesegneten Methoden gehörten neben dem berüchtigten »Waterboarding« (simuliertes Ertränken) auch der Zwang, in schmerzhafter Körperstellung oder Dauerbeschallung mit Musik auszuharren.

Die Methoden waren nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zumeist in geheimen CIA-Gefängnissen in aller Welt angewendet worden. Solche Gefängnisse soll es unter anderem in Afghanistan, Litauen, Polen und Rumänien gegeben haben.

Senatorin Dianne Feinstein, die sich für eine Veröffentlichung eingesetzt hatte, äußerte sich entsetzt. Dies sie »Brutalität, die in krassem Widerspruch zu unseren Werten als Nation steht.« Und: »So etwas tun Amerikaner nicht.«

* Aus: neues deutschland, Samstag, 5. April 2014


Terrorshowbusineß

Geheimbericht über CIA-Folter

Von Arnold Schölzel **


Dianne Feinstein ist »schockiert«, sagt sie. Die CIA hat ihre geheimen Gefängnisse überall auf der Welt für Folter genutzt. Das Wort selbst benutzt die Vorsitzende des Komitees für Geheimdienste im US-Senat nicht. Sie spricht von »Brutalität, die in scharfem Kontrast zu unseren Werten als Nation« steht, von einem »Fleck in unserer Geschichte«, »nie wieder darf gestattet werden, daß das noch einmal geschieht« und schließlich: »Das ist nicht, was Amerikaner tun.« Frau Feinstein ist aus Kalifornien, einer Metropole des Showbusineß.

Natürlich tun US-Amerikaner genau das, nämlich Foltern, und zwar immer wieder. Um nicht zu weit in die Geschichte zurückzugehen: Nach eigenen Angaben kamen in den CIA-Folterkammern, die in Vietnam eingerichtet worden waren, mehr als 20000 Menschen um. Zerhackt, erwürgt, erschlagen, verhungert, verdurstet, erschossen. Alles, wie der damalige Völkermord, für Freiheit statt Kommunismus. Beim amtierenden Präsidenten ist davon das Killen per Drohne übriggeblieben. Die »Tagesschau« vom Donnerstag nannte das »völkerrechtlich fragwürdig«. ARD und Süddeutsche Zeitung haben herausgefunden, daß die Drohnenbefehle über die Bundesrepublik laufen.

Die hilft selbstverständlich. Fragen zum gemeinschaftlichen Staatsterrorismus beantwortet sie dem mehrheitlich desinteressierten Parlament nicht, der Generalbundesanwalt verhindert Ermittlungen. Keine Bundesregierung wird offenbaren, was ein US-Geheimdienst irgendwo auf der Welt anstellt. Als die Fotos aus Abu-Ghraib 2004 um die Welt gingen, hieß es: »Einzelfälle«. Die damalige Nationale Sicherheitsberaterin der USA und Miterfinderin der neusten Variante dessen, was Amerikaner nicht tun, Condoleezza Rice, erklärte 2005: »Die USA nutzen weder den Luftraum noch einen Flughafen irgend­eines Landes für den Transport eines Gefangenen, wenn wir glauben, daß er oder sie gefoltert werden.« Die damals gerade gewählte Bundeskanzlerin Angela Merkel grinste dazu in die Kameras.

Laut der Organisation »The Open Society Justice Initiative« unterstützten 54 Länder, darunter die Bundesrepublik, Österreich und Schweden, die CIA-Gefängnisse. Die Vereinten Nationen listeten 20 davon auf. Der Europarat berichtete über einen Geheimvertrag dazu mit den NATO-Partnern. Polen und Rumänien waren dabei, leugnen es bis heute. Der BND und Frank-Walter Steinmeier als Verantwortlicher im Bundeskanzleramt ließen wissentlich in Guantanamo Bay, in Syrien, Ägypten und Marokko foltern.

Zum Showbusineß gehört, 500 von 6300 Seiten, ausgesucht von der CIA, zu veröffentlichen und weiterzumachen. Ansonsten gilt: Im Kosovo brieten Serben albanische Föten, alleiniger Urheber des 11. September war ein saudischer Scheich in einer afghanischen Höhle, Ghaddafi war kurz vorm Völkermord, Assad hatte als einziger in Syrien Sarin und Putin ist Hitler. Die Show geht weiter.

** Aus: junge Welt, Samstag, 5. April 2014


Schockierende Brutalität

Olaf Standke über den CIA-Folterreport des US-amerikanischen Senats ***

Erst hatte die CIA mit »harschen Verhörmethoden« nach dem 11. September 2001 gegen die Anti-Folterkonvention der Vereinten Nationen verstoßen. Dann verkaufte der US-Auslandsgeheimdienst diese Verletzung der Menschenrechte wider besseres Wissen als Erfolgsrezept im Kampf gegen Terroristen. Und zuletzt wurden Kongressmitarbeiter, die an einem Bericht darüber arbeiteten, überwacht, obwohl die CIA im Inland keine Befugnisse hat. 6300 Seiten lang ist der Report, etwa 500 sollen nach dem Willen des Geheimdienstauschusses im Senat öffentlich werden – wenn der Präsident zustimmt. Selbst republikanische Mitglieder votierten angesichts der »schockierenden Brutalität« für Transparenz.

Der Bericht widerlegt die Legende, dass Misshandlung in Krisenzeiten zulässig sei, weil sie Menschenleben rettet. Die in der Bush-Ära politisch nicht nur geduldete, sondern verordnete Folter in CIA-Geheimgefängnissen war verwerflich und letztlich kontraproduktiv, so die Botschaft der Senatoren. Mit welchen Folgen, ist auch ein Lackmustest für Barack Obama. Der hat Foltermethoden zwar immer abgelehnt und nach seiner Wahl 2009 sogar verboten; die versprochene strafrechtliche Verfolgung der Folterknechte aber wurde 2012 kurzerhand eingestellt. Und die verantwortlichen politischen Köpfe der Bush-Administration blieben ohnehin unbehelligt.

*** Aus: neues deutschland, Samstag, 5. April 2014 (Kommentar)


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