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EU lockt verlockendes Usbekistan

Sanktionen werden gelockert, Hoffnung auf "Wandel durch Annäherung"

Von Vougar Aslanov *

Ab 1. November hebt die Europäische Union eine ihrer Sanktionen gegen Usbekistan auf. Es geht um die Einreisebeschränkung für acht hochrangige usbekische Beamte, die für die Erschießung von Demonstranten in der Stadt Andishan am 13. Mai 2005 mitverantwortlich sein sollen.

Brüssel hatte gegen Usbekistan am 14. Dezember 2005 Sanktionen verhängt, nachdem Taschkent die Bildung einer internationalen Kommission zur Untersuchung der Ereignisse in Andishan abgelehnt hatte. Nach offiziellen Angaben wurden dabei 187 Menschen von Sicherheitskräften erschossen. Menschenrechtler sprechen sogar von 700 getöteten Demonstranten.

Usbekistan war nach dem Beginn des US-amerikanischen »Kriegs gegen den Terrorismus« zu einem der wichtigsten Partner Washingtons geworden. Die Regierung in Taschkent verpachtete den USA den Militärflughafen Karschi-Chanabad und trat der prowestlichen Organisation GUUAM bei, der außerdem Georgien, die Ukraine, Aserbaidshan und Moldova angehörten. Trotzdem wurde Präsident Islam Karimow von Washington wie auch von verschiedenen Organisationen wegen Demokratie- und Menschenrechtsdefiziten in seinem Land kritisiert. Und entgegen ursprünglichen Versprechungen hielten sich die US-Amerikaner mit Investitionen in Usbekistan zurück. Die »Revolutionen« in Georgien, der Ukraine und im benachbarten Kirgistan belasteten die Beziehungen zusätzlich. Karimow argwöhnte, er selbst könne das nächste Opfer eines USA-gesponserten Umsturzes werden.

Als die islamische Organisation Akromija im Mai 2005 in Andishan Unruhen organisierte, in deren Verlauf ein Gefängnis gestürmt wurde, hielten die usbekischen Machthaber das für den Beginn der »Orangen-Revolution auf usbekisch«. Ob Akromija, eine von Geschäftsleuten geleitete Gruppe, tatsächlich in der Lage gewesen wäre, Karimow zu stürzen, bleibt fraglich. Jedenfalls erhielten die Sicherheitskräfte am 13. Mai. 2005 den Befehl, auf die Demonstration zu schießen, der sich viele friedliche Einwohner Andishans angeschlossen hatten.

Als Reaktion auf die scharfe Kritik und die folgenden Sanktionen des Westens suchte Karimow nach neuen Partnern. Von China erhielt er Investitionszusagen im Umfang von anderthalb Milliarden USDollar. Im Juli 2005 stellte er den USA ein Ultimatum: Binnen 180 Tagen sollten sie den Flughafen Karschi-Chanabad räumen. Die US-Trupppen zogen ab – auf den Flughafen Manas in Kirgistan.

Usbekistan trat derweil der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG) und der Organisation des Vertrages über Kollektive Sicherheit (OVKS) bei. Aus der GUUAM wurde durch den Austritt Usbekistans die GUAM.

In Karimows Version der Ereignisse in Andishan waren die Akromija-Anhänger von der USABotschaft in Taschkent und von westlich angeleiteten Organisationen finanziert worden, um Usbekistans Verfassungsordnung zu zerstören. Organisationen wie Human Rights Watch und Freedom House wurden daraufhin verboten. Journalisten und Menschenrechtsaktivisten sahen sich Verfolgungen ausgesetzt.

Die Region und ihre Reichtümer sind jedoch zu verlockend, als dass sie der Westen dem Einfluss Russlands und Chinas überlassen wollte. Insbesondere der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier drang auf eine Lockerung der Sanktionen gegen Taschkent. Seit 2007 scheint Karimow denn auch Zugeständnisse machen zu wollen, ohne die Partnerschaft mit Moskau und Peking aufs Spiel zu setzen. Eine internationale Untersuchung der Andishan-Ereignisse lehnt er nach wie vor ab, doch einige Menschenrechtler und Journalisten wurden frei gelassen. Die US-Armee darf Karschi- Chanabad wieder anfliegen, allerdings »nur« unter NATO-Kennzeichen, ohne dort eigene Soldaten zu stationieren. Der Bundeswehr war die Nutzung des Flughafens Termes für ihren Einsatz in Afghanistan ohnehin nie untersagt worden.

Die zweite Sanktion der EU – das Verbot des Waffenexports nach Usbekistan – wird übrigens vorerst aufrecht erhalten. Nach Auffassung der EU gibt es nach wie vor keine Garantie dafür, dass Waffen nicht gegen die Bevölkerung des Landes eingesetzt werden. Weshalb westliche Menschenrechtsorganisationen denn auch vor jeglicher Aufweichung von Sanktionen warnen.

* Aus: Neues Deutschland, 30. Oktober 2008


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