Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Die Bundesregierung muss allen Modernisierungsplänen entschlossen entgegentreten"

Am 8. November wurde im Bundestag über Atomwaffen gesprochen. Inge Höger (Die Linke) brachte den Standpunkt der Friedensbewegung auf den Punkt


Im Folgenden dokumentieren wir die Bundestagsrede der Links-Abgeordneten Inge Höger zum Abzug der Atomwaffen aus Deutschland.
Der Debatte am 8. November 2012 lagen zwei Anträge zu Grunde: Einer von der SPD (er ist hier herunterzuladen: Drucksache 17/11323 [externer Link] und der andere von der Linksfraktion: Drucksache 17/11225 [externer Link].

Zum Protokoll der gesamten Debatte geht es hier:
Stenografischer Bericht.
Der entsprechende Tagesordnungspunkt 19 befindet sich auf den Seiten 24826-24830 sowie (zu Protokoll gegebene Reden) S. 24958-24959.

Die Rede von Inge Höger kann hier im livestream verfolgt werden:




Inge Höger:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die überwältigende Mehrheit der Menschen in Deutschland ist gegen Atombomben. Über 80 Prozent sagen dies in Umfragen. Selbst im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb wurde ein Abzug der Atomwaffen in Aussicht gestellt. Angesichts des verheerenden Zerstörungspotenzials von Atombomben war dies erfreulich. Leider hat sich diese Passage des Koalitionsvertrages inzwischen als Luftnummer entpuppt.

Die Bundesregierung scheint die Abrüstung im eigenen Land nicht ernst zu nehmen. Im Gegenteil: Sie hat dazu beigetragen, dass Atombomben auf absehbare Zeit in Deutschland stationiert bleiben. Diese Regierung hat wiederholt zugestimmt, dass Atomwaffen ein zentraler Teil der Kriegs- und Abschreckungsstrategie der NATO bleiben, zuletzt beim NATO-Gipfel in Chicago. Atomare Abrüstung geht anders.

Die Bundesregierung – Frau Zapf hat schon darauf hingewiesen – unterstützt die Modernisierung der US-Atomwaffen in Deutschland. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich um mehr als um eine oberflächliche Modernisierung. Es geht um die Stationierung weitgehend neuer atomarer Waffensysteme. Zur Mitwirkung an genau dieser Neustationierung hat sich die Regierung am Rande des NATO-Gipfels im Frühjahr verpflichtet.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sehr richtig!)

Zu diesem Aufrüstungsprojekt gehört auch die Modernisierung der Tornados, von denen aus deutsche Piloten die US-Atomwaffen abwerfen können. Allein die Umrüstung und Lebenszeitverlängerung der Tornados wird die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler etwa 250 Millionen Euro kosten. Das gesamte atomare Modernisierungsprojekt kostet circa 10 Milliarden Euro. An diesen Kosten wird sich Deutschland voraussichtlich beteiligen. Hier wird wieder einmal Politik gegen den Willen und auf Kosten der Bevölkerung gemacht.

Die geplante neue Generation von Atomwaffen eröffnet völlig neue Einsatzoptionen. Die bisher frei fallenden Bomben sollen zu lenkfähigen, angeblich intelligenten Waffen werden. Diese können dann effektiver und zielgerichteter als bisher eingesetzt werden. Wahrscheinlich werden dadurch neue Einsatzmöglichkeiten geschaffen, wie etwa ein Angriff auf befestigte unterirdische Ziele. Durch die Neuerungen wird die Hemmschwelle für einen Einsatz der Atomwaffen gesenkt und ein Atomkrieg wahrscheinlicher.

Die bisherige Politik der atomaren Abschreckung war schon mehr als fahrlässig. Durch die Umsetzung der Modernisierungspläne wird ein tatsächlicher Einsatz noch wahrscheinlicher. Wer so mit dem Feuer spielt, handelt völlig unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieser fatalen Entwicklung müssen wir uns entschlossen entgegenstellen. Ganz nebenbei wird der Öffentlichkeit vorgegaukelt, dass die Gefährdung für die Anwohnerinnen und Anwohner der Stationierungsorte durch die neuen, angeblich sicheren Waffen verringert wird. Erst einmal gilt: Nur Abrüstung macht die Welt sicherer. Aber auch auf der technischen Ebene stimmen die Beschwichtigungen nicht. Die größte Gefährdung für die Umgebung eines Atomwaffenstützpunktes geht von Feuerunfällen aus. Einen feuerresistenten Kern werden die Atombomben auch nach der Modernisierung nicht haben.

Die Gefahren, die durch die Stationierung und den Einsatz von Atombomben ausgehen, können nur durch weltweite Abrüstung beendet werden. Die Bundesregierung muss gegenüber den USA und innerhalb der NATO allen Modernisierungsplänen entschlossen entgegentreten. Sie darf dabei nicht vor einem Veto oder der Kündigung des Stationierungsvertrages zurückschrecken. Alle Atombomben müssen endlich aus Deutschland abgezogen und verschrottet werden.

(Beifall bei der LINKEN)


Zurück zur Atomwaffen-Seite

Zur Bundestags-Seite

Zurück zur Homepage