Vier ehemalige hochkarätige Staatsmänner plädieren für eine atomwaffenfreie Welt
Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Egon Bahr und Hans-Dietrich Genscher überraschen in der FAZ mit bedenkenswerten Alterseinsichten - Kurzfassung und Erklärungen
Die vier "elder statesmen" George P. Shultz, William J. Perry, Henry A. Kissinger and Sam Nunn machten es vor zwei Jahren vor, vier deutsche ältere Politiker im Ruhestand machen es nun nach: In einem Namensartikel, der in einem großen deutschen Meinungsblatt erscheint (die amerikanischen Politiker hatten 2007 und 2008 das Wall Street Journal gewählt, die Deutschen nehmen standesgemäß die Frankfurter Allgemeine Zeitung), plädieren sie für eine atomwaffenfrei Welt. Die Rede ist von Alt-Kanzler Helmut Schmidt (SPD), Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU), dem früheren Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) sowie dem SPD-Politiker und Politikberater Egon Bahr. Der Vorgang ist politisch von großer Bedeutung, zeigt er doch, dass in der Atomwaffenfrage der gesellschaftliche Konsens - über 80 Prozent der Bevölkerung sind für die Abschaffung der Atomwaffen - auch höchste politische Entscheidungsträger der etablierten Parteien erreichen könnte. Ich frage mich nur, warum Politiker sehr häufig erst nach ihrer aktiven Zeit zur besseren Einsicht gelangen. Die Welt wäre weiß Gott friedlicher, wenn die Staatsmänner und -frauen schon in ihrer aktiven Zeit die richtigen Ideen vertreten würden.
(Pst))
Im Folgenden dokumentieren wir
Den Artikel in der FAZ haben wir der Website der IPPNW zu verdanken. Er kann hier als pdf-Datei heruntergeladen werden: "Für eine atomwaffenfreie Welt"
Pst
Die Meldung der Nachrichtenagentur:
Deutsche Staatsmänner für atomwaffenfreie Welt
Alt-Kanzler Helmut Schmidt (SPD), Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU), der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) sowie der SPD-Politiker Egon Bahr fordern die Atommächte zu Gesprächen über Abrüstung auf.
Frankfurt/Main (ddp). Alt-Kanzler Helmut Schmidt (SPD), Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU), der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) sowie der SPD-Politiker Egon Bahr fordern die Atommächte zu Gesprächen über Abrüstung auf. In einem gemeinsamen Beitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Ausgabe vpom 09.01.09) mahnen die vier Staatsmänner: «Das Schlüsselwort unseres Jahrhunderts heißt Zusammenarbeit.»
Die USA und Russland müssten den Anfang machen, da sie über die meisten Atomsprengköpfe verfügten. Aber nur über eine enge Zusammenarbeit mit Europa und China könne erreicht werden, auch Staaten einzubeziehen, die nach Atomwaffen strebten oder zumindest die Fähigkeit zu deren Erwerb hätten.
Das Angebot des russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew für eine neue gemeinsame europäische Sicherheitsstruktur solle unbedingt ernsthaft geprüft werden, fordern die Staatsmänner. Nicht hilfreich sei die Absicht der Amerikaner, in Polen und der Tschechischen Republik Raketen und Radaranlagen zu stationieren.
Deutschland, das auf Massenvernichtungswaffen verzichtet habe, sei in einer guten Position, die Atomwaffenstaaten zu verpflichten, diese Waffen nicht gegen solche Länder einzusetzen, die nicht nuklear bewaffnet seien. Die Amerikaner sollten deshalb alle Atomwaffen aus der Bundesrepublik abziehen. Wenn der nördliche Teil des Globus stabilisiert werden könne, schaffe dies die Bedingungen für eine nuklearwaffenfreie Welt, betonten Schmidt, Weizsäcker, Genscher und Bahr.
ddp, 8. Januar 2009
IPPNW-Presseinfo vom 9. Januar 2009
IPPNW begrüßt Erklärung der vier Staatsmänner in der FAZ
Raketenabwehr stoppen und US-Atomwaffen abziehen
Die IPPNW begrüßt die heutige Erklärung der vier Staatsmänner Egon
Bahr, Hans-Dietrich Genscher, Helmut Schmidt und Richard von
Weizsäcker in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die IPPNW ist der
Meinung, dass eine weitere Abrüstung erst möglich wird, wenn die USA
positive Signale an Russland senden. Dazu gehören vor allem der Abzug
der letzten US-Atomwaffen aus Europa und ein Stop der Stationierung
der Raketenabwehr in Europa.
Die Ärzteorganisation teilt die Ansicht der vier hochkarätigen
Politiker, dass Deutschland hier eine Schlüsselrolle zu spielen hat.
Ein Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland würde demonstrieren, dass
die USA ihre Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag glaubhaft
verfolgen.
Xanthe Hall, Abrüstungsexpertin der IPPNW sagt: "Wenn ein
US-Bündnispartner wie Deutschland die nukleare Teilhabe nicht mehr
praktiziert, beenden Deutschland und die USA einen jahrzehntelangen
Vertragsbruch. Beide Länder haben sich im Atomwaffensperrvertrag dazu
verpflichtet, Atomwaffen weder weiterzugeben noch anzunehmen. Die
derzeitige Praxis in Deutschland erlaubt die Weitergabe der Atomwaffen
an deutsche Bundeswehrsoldaten für den Einsatz. Ein solcher Einsatz
wird vom Verteidigungsministerium jedoch explizit als rechtswidrig
verboten." Die IPPNW ist Trägerin der bundesweiten Kampagne "unsere
zukunft - atomwaffenfrei", deren Ziele die überwiegende Mehrheit der
deutschen Bundestagsabgeordneten unterstützt. Mehr Informationen unter
http://www.atomwaffenfrei.de
Die IPPNW schließt sich zudem ausdrücklich der Kritik der vier
Staatsmänner an der Stationierung der Raketenabwehr in der
tschechischen Republik und Polen an. Diese Pläne belasten das
Verhältnis zwischen den USA und Russland und stehen einer
Wiederaufnahme der Verhandlungen über bilaterale
Atomwaffenreduzierungen entgegen, welche die IPPNW für dringend
erforderlich hält, weil der START-I-Vertrag(1) 2009 ausläuft. Das
Problem eskalierte aus Sicht der Ärzteorganisation mit der Kündigung
des ABM-Vertrages(2) im Jahr 2002. Um die Abrüstung voranzutreiben,
sei die Wiederherstellung dieses Vertrages unerlässlich.
"Wir begrüßen die von den vier Politikern vorgeschlagenen Maßnahmen,
würden aber noch einen Schritt weiter gehen und fordern Verhandlungen
für einen umfassenden Vertrag zur Abschaffung aller Atomwaffen", so
Xanthe Hall. Die IPPNW setzt sich in ihrer weltweiten Kampagne "ICAN"
für eine "Atomwaffenkonvention" ein - einen Vertrag über das Verbot
und die Abschaffung dieser Massenvernichtungswaffen. Mehr
Informationen dazu unter www.icanw.org
Egon Bahr wird am 28. Januar 2009 um 19 Uhr in der Jerusalemkirche in
Berlin bei einer Veranstaltung der IPPNW und der
Friedrich-Ebert-Stiftung über den Weg zu einer atomwaffenfreien Welt
reden. Seine Vorstellungen wird er anschließend mit Jan Lodal,
ehemaliger Präsident des Atlantic Council (USA, Uta Zapf,
Ko-Präsidentin des Parlamentarischen Netzwerks für Abrüstung (PNND)
und Regina Hagen vom Wissenschaftlernetzwerk INESAP diskutieren.
Die Erklärung der Staatsmänner finden Sie unter
http://www.atomwaffenfrei.de/fileadmin/user_upload/pdf-dateien/4dtstatesmen.pdf
(1) START-I-Vertrag = Strategic Arms Reduction Treaty (Vertrag zur
Verringerung der Strategischen Nuklearwaffen) zwischen den USA und der
Sowjetunion von 1991
(2) ABM-Vertrag = Anti-Ballistic Missile Treaty (Raketenabwehrvertrag)
zwischen den USA und der Sowjetunion von 1972
09. Januar 2009 - 12
AG Abruestung, Ruestungskontrolle und Nichtverbreitung
Deutsche Staatsmaenner fordern atomare Abruestung
Zu der heute in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
veroeffentlichten gemeinsamen Erklaerung von Helmut Schmidt,
Richard von Weizsaecker, Hans-Dietrich Genscher und Egon Bahr
erklaert der Sprecher fuer Abruestung, Ruestungskontrolle und
Nichtverbreitung der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Muetzenich:
Die Erklaerung vier wichtiger ehemaliger deutscher Politiker
kommt zum richtigen Zeitpunkt. Wir brauchen neue Schritte zur
Abruestung und Ruestungskontrolle. Mit dem bevorstehenden
Amtsantritt von Barack Obama verbinden sich Hoffnungen auch auf
diesem Gebiet. Waehrend seiner Berliner Rede hatte der damalige
Praesidentschaftsbewerber neue Abruestungsinitiativen
angekuendigt und das Ziel einer atomwaffenfreien Welt
beschworen. Jetzt ist die Zeit zum Handeln. Auch die
europaeischen Regierungen und Institutionen sind aufgefordert
vergleichbare Anstrengungen zu unternehmen. Die Bundesregierung
koennte hier eine Menge bewirken.
Auf dem Weg dorthin muessen Russland und die USA den Anfang
machen, da sie ueber die bei weitem meisten Atomsprengkoepfe
verfuegen. Die zentrale Voraussetzung fuer Fortschritte bei der
nuklearen Abruestung bleibt deshalb die Entspannung im
amerikanisch-russischen Verhaeltnis. Wir brauchen Russland als
Partner, um auch hier zu dauerhaften Fortschritten zu kommen.
Dabei muss das Angebot des russischen Praesidenten Dmitrij
Medwedjew fuer eine neue gemeinsame europaeische
Sicherheitsstruktur ernsthaft geprueft werden.
Die weitgehend unbeachtete Ratifizierung des
IAEA-Zusatzprotokolls durch US-Praesident Bush am 30. Dezember
2008 ist ebenfalls ein wichtiges und richtiges Signal und macht
Hoffnung fuer die 2010 anstehende Ueberpruefungskonferenz des
Atomwaffensperrvertrages. Weitere Schritte - wie die laengst
ueberfaellige Ratifizierung des Atomteststopp-Vertrags durch die
USA und die Verlaengerung des Verifikationssystems zum START
I-Vertrag ueber den Dezember 2009 hinaus - muessen folgen.
Zudem muss auf dem NATO-Jubilaeumsgipfel im April dieses Jahres
in Strassburg und Baden-Baden die Bedeutung der
Ruestungskontrolle, Abruestung und Nichtverbreitung in der
Allianz neu bewertet und gestaerkt werden. Bundesaussenminister
Frank-Walter-Steinmeier bemueht sich seit langem darum, die
Abruestungspolitik voranzubringen. Stellvertretend seien hier
nur seine Vorschlaege zur Multilateralisierung des
Brennstoffkreislaufes, die deutsch-norwegische
Abruestungsinitiative im Rahmen der NATO sowie die Bemuehungen
zur Rettung des Regimes ueber konventionelle Streitkraefte in
Europa (KSE) genannt.
Die Autoren haben Recht: Das Schluesselwort unseres Jahrhunderts
heisst in der Tat "Zusammenarbeit", da kein globales Problem
durch Konfrontation oder durch den Einsatz militaerischer Macht
zu loesen ist. Der Amtsantritt von Obama kann und muss zu einer
Wiederbelebung der internationalen Abruestungspolitik genutzt
werden. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands wird alles
dafuer tun, um Obama mit eigenen Abruestungsinitiativen den
Ruecken zu staerken.
Bundesregierung muss Abrüstungsforderungen in praktische Politik umsetzen
„Dass Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Egon Bahr und Hans-Dietrich Genscher sich für die Wiederbelebung nuklearer Abrüstungsprozesse aussprechen, zeugt von einem beachtlichen Lernfortschritt“, kommentiert Paul Schäfer, abrüstungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, die Forderung der Ex-Spitzenpolitiker nach einer „atomwaffenfreien Welt“. Schäfer erklärt weiter:
„Mit der Benennung konkreter Maßnahmen – Stopp der US-amerikanischen Raketenabwehrpläne, Ende der nuklearen Teilhabe, Vernichtung atomarer Kurzstreckenraketen, Ratifizierung des Atomtestverbots durch die USA, Einführung eines Erstschlagsverbots – zeigen die Polit-Honoratioren zwar in die richtige Richtung; leider aber erst Jahre, nachdem sie das Spielfeld verlassen haben. Aus den Reihen der Bundesregierung und der aktiven Politiker in den Regierungsparteien indessen ist bestenfalls Wortgeklingel zu hören.
DIE LINKE rät der Bundesregierung wie den Koalitionsfraktionen, sich an der Altersweisheit ihrer ehemaligen Führungskräfte zu orientieren. Sie fordert Kanzlerin und Außenminister auf, die von den Autoren skizzierten ‚Meilensteine’ zügig abzuschreiten und in außenpolitisches Handeln umzusetzen.“
Die beiden Aufrufe der "elder statesmen" aus den USA:
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