Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Weil Enduring Freedom die notwendige militärische Antwort auf die Herausforderungen des Terrorismus ist ..."

"... müssen wir die Verlängerung dieses Mandats heute gemeinsam beschließen."
Bundestag debattiert und entscheidet über das dritte Jahr Krieg

Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus der Bundestagsdebatte über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen von Enduring Freedom. Die abschließende Debatte fand am 14. November 2003 statt, nachdem eine Woche zuvor bereits zur ersten Lesung der Vorlage die Standpunkte ausgetauscht worden waren (vgl. die Beiträge von Peter Struck und Petra Pau).
Wir halten uns an die Vorabveröffentlichung der nach § 117 der Geschäftsordnung des Bundestags (GOBT) autorisierten Fassung (www.bundestag.de).
Auf die Protokollierung von Beifallskundgebungen und Zwischenrufen haben wir verzichtet.
Die Plenarsitzung wurde von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, in der Schlussphase von Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms geleitet.



Auszüge aus den Parlamentsreden der 76. Sitzung des Deutschen Bundestag (15. Legislaturperiode) vom Freitag, den 14. November 2003

Präsident Wolfgang Thierse:
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
- Drucksachen 15/1880, 15/2004 -

Berichterstattung: Abgeordnete Gert Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Ludger Volmer, Dr. Rainer Stinner


Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die SPD-Bundestagsfraktion darf ich sagen: Wir werden dem Antrag der Bundesregierung zustimmen. Deutsche Streitkräfte werden auch in den nächsten zwölf Monaten zum Einsatz kommen, damit die Operation Enduring Freedom fortgesetzt werden kann. Wir stimmen dem Antrag auch deshalb zu, weil der Weltsicherheitsrat am 13. Oktober in seiner Resolution 1510 erneut bekräftigt hat, dass er die internationalen Bemühungen im Rahmen des von uns im Herbst 2001 gemeinsam gebilligten Zieles der Abwehr terroristischer Aktivitäten unterstützt.

Wir werden heute zum zweiten Male die Verlängerung eines außergewöhnlichen Mandats beschließen. Nichts wäre uns allen lieber - ich bin fest davon überzeugt, dass das für uns alle in diesem Hause gilt -, als feststellen zu können, dass die Verlängerung des Mandats nicht mehr nötig wäre. Aber ein Blick in die Krisenregion, auf die sich das Mandat räumlich bezieht, macht deutlich, worum es geht. In dieser Region geschieht nämlich leider nach wie vor Tag für Tag Schreckliches. Immer noch ist festzustellen, dass al-Qaida nicht überwältigt ist. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass das Mandat vom Bundestag bestätigt und verlängert wird.

Der Hintergrund der Erteilung dieses außergewöhnlichen Mandats ist ebenfalls außergewöhnlich. Am 11. September 2001 hat uns ein schreckliches Ereignis erschüttert, das in seinen Erschütterungen bis heute fortwirkt. Die Operation Enduring Freedom war die militärische Antwort darauf - militärisch muss sie das leider auch weiterhin bleiben -, dass jegliches zivilisierte Zusammenleben von terroristischen Anschlägen bedroht werden kann. Der Schrecken, der von Terroristen ausgelöst wurde, ist noch nicht bewältigt. Al-Qaida ist noch nicht überwältigt.

Aber - diese Frage muss der FDP gestellt werden - welches Signal würde davon ausgehen, das Mandat jetzt zu beenden? Denn darüber haben Sie debattiert. Wenn Sie sich inzwischen besonnen haben, dem Mandat zuzustimmen, dann können wir darüber nur froh sein.

Denn wenn das Mandat beendet oder - was dem gleichkäme - substanziell reduziert würde, dann stellt sich die Frage nach den Folgen. Würde davon nicht das Signal ausgehen, dass wir den Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht mehr so ernst nehmen, wie es nötig ist? Diese Frage müssen diejenigen beantworten, die dieses Mandat substanziell verringern wollen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass eine Fraktion im Deutschen Bundestag, die eine Außenpolitik in der Tradition von Hans-Dietrich Genscher betreibt - dieser hat stets betont, dass Deutschland zu seiner internationalen Verantwortung steht -, diese vernünftige, sinnvolle und konstruktive Außenpolitik ablehnt, indem sie hier mit Nein stimmt.

Klar ist: Deutschland steht auch in Zukunft zu den Verpflichtungen, die es eingegangen ist. Im Rahmen von Enduring Freedom haben 3 900 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ihren Beitrag geleistet. Sie haben, wo immer sie arbeiteten, internationales Ansehen gewonnen. Dafür sagen wir herzlichen Dank!

Die Zahl der Soldatinnen und Soldaten wird, wenn wir heute die Verlängerung des Mandats beschließen, ganz behutsam abgesenkt, von 3 900 auf 3 100. Diese Absenkung hat einen vernünftigen Grund: Die zunächst bestehende Sorge - wir alle erinnern uns -, dass al-Qaida möglicherweise über ABC-Waffen verfügt, hat sich glücklicherweise als gegenstandslos erwiesen.

Behutsamkeit ist ein wichtiges Stichwort in all unseren Debatten. Die Bundesregierung ist mit dem Mandat, das der Bundestag heute zum wiederholten Male verlängern wird - davon gehe ich aus -, immer behutsam umgegangen. Es wurden Obergrenzen festgelegt, bei denen immer klar war: Sie werden nicht berührt; sie werden unterschritten. Deswegen vertrauen wir darauf, dass diese Behutsamkeit von der Bundesregierung fortgesetzt wird.

Enduring Freedom hat uns einen gemeinsamen Lernprozess eröffnet: In einer ersten Stufe haben wir gelernt, welche Anforderungen die internationale Zusammenarbeit an uns gemeinsam stellt. Die Bundesregierung hat im Weltsicherheitsrat einen eigenen Beitrag dazu geleistet. In einer zweiten Stufe hat die Bundesregierung ihren Antrag ins Parlament eingebracht und sich den kritischen Fragen im Plenum und in den Ausschüssen gestellt. Wir haben diese kritischen Fragen auch uns selbst gestellt. Sie von der Opposition haben immer wieder darauf gedrängt, dass das Parlament in jeder einzelnen Phase, selbst wenn es nur Akzentverschiebungen gegeben hat, beteiligt ist.

Dieser gemeinsame Lernprozess zeigt, dass wir Parlamentarier in der Lage sind, auf die Herausforderungen eine gemeinsame, klare, vernünftige parlamentarische Antwort zu geben. Es bestand niemals - nicht ein einziges Mal - die Gefahr, dass das militärische Handeln der Bundeswehr der Politik aus den Händen gleitet. Diese Behutsamkeit wird die Bundesregierung - davon bin ich fest überzeugt - weiter an den Tag legen. Wir können in den Ausschüssen vertrauensvoll beraten. Der Außenminister und der Verteidigungsminister haben erklärt, dass das Parlament umfassend informiert wird, selbst wenn es nur Akzentverschiebungen innerhalb des Mandats geben sollte. Wir werden also voll beteiligt. Ich bin nicht nur zuversichtlich, dass die Bundesregierung ihr Versprechen einhält, sondern auch, dass wir Parlamentarier unsere Chance wirklich nutzen.

Weil Enduring Freedom die notwendige militärische Antwort auf die Herausforderungen des Terrorismus ist, müssen wir die Verlängerung dieses Mandats heute gemeinsam beschließen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dieser Verlängerung zustimmen.

Es war aber von Anfang klar: Der Kampf gegen al-Qaida verlangt mehr als nur eine militärische Antwort. Regionale Konflikte müssen beendet werden. Zusammenbrechende Staaten müssen wieder aufgebaut werden. Modernisierungsrückstände müssen aufgeholt werden. Darauf muss die internationale Staatengemeinschaft neu verpflichtet werden. Das ist unsere über Enduring Freedom hinausgehende politische Aufgabe.

Die Globalisierung wirft einen dunklen Schatten auf Hunderte Millionen Menschen. In diesem Schatten explodieren Kriminalität, Bürgerkrieg und privatisierte Gewalt. Hier ist der Nährboden, auf dem Terrorismus wachsen kann.
(...)
Eines ist klar: Die Zivilisationen brauchen eine große gemeinsame Anstrengung. Kofi Annan hat in seinem Brief an die Generalversammlung deutlich beschrieben, was notwendig ist. Mit einem Zitat aus diesem Brief möchte ich schließen:

Erstmals in der Geschichte der Menschheit haben wir die Ressourcen, das Wissen und die Kenntnisse, damit die Armut beseitigt wird, und zwar zu Lebzeiten eines Kindes, das geboren worden ist, als die Millenniumserklärung beschlossen wurde.

Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Heute beschließen wir die Verlängerung des Mandats für Enduring Freedom. Aber der Menschheit zu helfen, dass sie aus dem Schatten der Globalisierung heraustritt, damit alle an dem Nutzen und den Chancen der Globalisierung beteiligt werden können, ist eine weitergehende politische Aufgabe, der wir uns verpflichtet fühlen.

Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU stimmt der Verlängerung der Beteiligung der Bundeswehr an der Antiterroroperation Enduring Freedom zu. Die gemeinsam zwischen Regierung und Opposition ausgehandelte Protokollnotiz, quasi eine Anlage zum Mandatsantrag der Bundesregierung, hat dafür eine wichtige Voraussetzung geschaffen. In der Protokollnotiz sichert die Bundesregierung nämlich zu, bei einer Schwerpunktverlagerung im Rahmen der Mandatspraxis den Bundestag über Ort und Umfang der Einsätze vorab und detailliert zu unterrichten sowie die zuständigen Ausschüsse, den Auswärtigen Ausschuss, den Verteidigungsausschuss und den Haushaltsausschuss, zu beteiligen.

Herr Kollege Weisskirchen, Sie haben eben gesagt, wir könnten der Bundesregierung doch vertrauen. Sie habe zwar hohe Obergrenzen gesetzt, aber werde von dem Mandat zurückhaltend Gebrauch machen. Es mag sein, dass das Vertrauen gerechtfertigt ist. Aber Aufgabe des Parlamentes ist es auch, ein klein wenig Kontrolle auszuüben. Deshalb ist es gut, dass wir die Protokollnotiz gemeinsam erarbeitet und hinzugefügt haben.

Wir stellen fest, dass Protokollnotizen zu Mandaten der Regierung inzwischen geübte Verfassungspraxis geworden sind. Ich betone aber für meine Fraktion, dass sie nur ein Notbehelf sind. In Wahrheit brauchen wir ein Parlamentsbeteiligungsgesetz. Über ein solches Gesetz finden in Kürze erste informelle Gespräche zwischen den Fraktionen statt. (...)

Heute geht der Einsatz der Bundeswehr in das dritte Jahr. Wir alle danken unseren Soldaten und ihren Familien für ihren großartigen Einsatz, für das Tragen von Lasten und Risiken.

Der internationale Terrorismus bleibt die größte Bedrohung unserer Sicherheit. Daran wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich nichts ändern.

Die Anschläge von New York, Djerba, Bali, Mombasa, Riad, Rabat, Jakarta und wieder Riad, um nur einige zu nennen, sind das Werk fanatischer Islamisten. Sie berufen sich bei ihrer totalitären Ideologie auf den Koran. Sie instrumentalisieren ihn, unterziehen junge Muslime einer Gehirnwäsche und senden sie dann als lebende Bomben in die Welt.

Niemand kann ausschließen - Herr Kollege Weisskirchen, es wird zunehmend wahrscheinlich -, dass Gruppen wie al-Qaida bald auch über Massenvernichtungswaffen verfügen. Wir haben keine Beweise dafür, Gott sei Dank. Aber dass diese Gruppen bestrebt sind, chemische und biologische Massenvernichtungswaffen, so genannte schmutzige Nuklearwaffen zu erhalten, wissen wir. Wir wissen weiter, dass die Verbreitung von Technologien für Massenvernichtungswaffen voranschreitet.

Die Verbindung von Terror und Massenvernichtungswaffen ist die größte Gefahr, nicht nur eine Gefahr für Amerika und Israel, sondern auch - das müssen wir endlich begreifen - eine Gefahr für uns in Europa. Wir können uns nicht wegducken. Wir sind Teil dieser westlichen Zivilisation und wir alle sind im Visier der Dschihadisten und Islamisten und ihrer Anhänger.

Ein weltweites Kalifat wollen diese Leute. Sie berufen sich auf den Islam. Osama Bin Laden fühlt sich als Avantgarde von 1,3 Milliarden Muslimen in der ganzen Welt. Er will den Krieg der Zivilisationen und sein Ziel ist es, überall auf der Welt den Aufstand des Islam gegen andere Kulturen zu provozieren. Wir müssen alles tun, diesen Krieg der Zivilisationen zu vermeiden und stattdessen einen Dialog der Zivilisationen zu führen.

Gestern Nachmittag fand im Andachtsraum des Reichstages eine Andacht, eine interreligiöse Begegnung, statt. Initiiert hatten das der Politikwissenschaftler Michael Wolffsohn und der Vizepräsident des Bundestages Norbert Lammert. Ein katholischer und ein evangelischer Prälat, ein jüdischer Rabbi, ein muslimischer Imam waren dort. Es war eine sehr beeindruckende Stunde in dem kleinen, wie ich finde, sehr schönen Andachtsraum. Der Imam Ibrahim Gemici von der Moschee in Berlin-Kreuzberg sagte dabei, er distanziere sich von den Gewalttaten Osama Bin Ladens, er sei betroffen darüber, dass der gute Name des Islam von diesen Fanatikern missbraucht werde.

Genau das ist es. Wir müssen zwischen Muslimen und islamistischen Fanatikern trennen und zu dieser Trennung ermutigen. Nicht in einen Topf werfen, sondern unterscheiden! Darauf kommt es an, wenn man die Terroristen und ihre Sympathisanten wirksam bekämpfen will.
(...)
Die große Mehrheit der Muslime in aller Welt will friedlich mit den Nachbarn, mit Andersdenkenden, mit anderen Religionen zusammenleben. Diese rechtschaffenen Muslime sind unsere Partner, unsere Freunde. Ihnen zu mehr Würde, mehr Anerkennung zu verhelfen, das ist unser Ziel, nicht aber, sie alle als potenzielle Bedroher unserer Zivilisation über einen Kamm zu scheren. Aber dieses Ziel erreichen wir nur, wenn die Muslime sich trauen, sich gegen die Islamisten aufzulehnen. Dazu gehört viel Mut. Wir sollten sie ermutigen, klar zu machen, dass sie mit diesen Osama Bin Ladens nichts zu tun haben!

Wir in Deutschland gewinnen unsere Bürger nur dann für Toleranz gegenüber Muslimen und Moscheen, wenn wir intolerant und entschlossen gegen extreme Islamisten vorgehen.

Es führt zu mehr Toleranz gegenüber Muslimen, wenn der Staat die Bereitschaft zeigt, sich von extremen Vertretern des Islamismus zu trennen. Den Kalifen von Köln wollen wir nicht bei uns in Deutschland. Wir wollen nicht diejenigen, die mit einer festen, mit einer abgeschlossenen Gedankenwelt zu uns kommen und die ganze Welt erlösen wollen. Denen müssen wir entgegentreten.

So wichtig aber Repression gegen solche Leute ist, so wichtig Militär und Geheimdienste bei der Bekämpfung des Terrorismus sind - noch wichtiger sind die Mittel der „soft power“, der „weichen Macht“, wie sie Joseph Nye genannt hat, der Dialog der Kulturen, die Öffnung unserer Märkte, Entwicklungspolitik, Maßnahmen zur Eindämmung der Bevölkerungsexplosion, Demokratieförderung, Bildungschancen für junge Menschen außerhalb von Medressen oder Akademien in Bonn und sonst wo. Das Militär, die Mission Enduring Freedom, das ist die Faust, die zur Bekämpfung von Extremisten notwendig ist. Dazukommen muss aber auch die ausgestreckte Hand. Dazukommen muss auch der Versuch - da sind wir völlig einer Meinung -, dem totalitären Islam den Nährboden zu entziehen, indem Armut, Not und Würdelosigkeit in der arabischen Welt bekämpft werden.

Außenminister Fischer hat Anfang September eingeräumt, dass es ein Fehler gewesen ist, nach dem 11. September 2001 nicht sogleich in eine transatlantische Strategiedebatte einzutreten. Wir freuen uns, dass das jetzt - leider mit großer Verspätung - geschieht. Dazu ist mit dem Solana-Papier auf dem EU-Gipfel in Thessaloniki ein erster wichtiger Schritt gemacht worden. Es geht darum, dass wir uns mit den Amerikanern auf eine langfristige Strategie für den Größeren Mittleren Osten verständigen. Wir alle - nicht nur die Amerikaner - haben den Persischen Golf lange Zeit ausschließlich als Tankstelle betrachtet: Hauptsache, das Öl floss. Solange das Öl floss und Stabilität gewahrt war, war es uns recht.

Das reicht nicht mehr. Ich glaube, die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass wir mehr leisten müssen. Wir müssen uns Mühe geben, uns dort langfristig engagieren. Wir müssen jungen Menschen in dieser Region eine Alternative aufzeigen. Heute haben sie nur die Wahl, entweder in mehr oder weniger autoritären Diktaturen und korrupten Regimen mitzuarbeiten oder aber sich islamistischen Gruppen anzuschließen.

Wir müssen mit unseren Ideen von Menschenrechten, von Freiheit ohne doppelte Standards ein gutes Beispiel geben. Wir müssen um Vertrauen werben. Gemeinsam mit den Amerikanern müssen wir eine langfristige Strategie für einen friedlicheren und freiheitlicheren Mittleren Osten erarbeiten und umsetzen.(...)

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass zwei Dinge in nächster Zeit gelingen: erstens, dass wir die so genannte Roadmap wiederbeleben und gemeinsam mit den Russen, den Amerikanern, der EU und der UNO dazu beitragen, den Frieden im Nahen Osten wieder voranzubringen. Denn das ist ein Schlüssel, um die Herzen der Menschen in der arabischen Welt zu gewinnen.

Das Zweite ist, dass der Irak demokratisiert und stabilisiert wird. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Amerikaner, sondern eine Aufgabe für uns alle. Wir als CDU/CSU haben in der Debatte genau vor einem Jahr darauf hingewiesen, wie schwer es sein würde, den Irak nach einem möglichen Militärschlag als Staatengebilde zu erhalten, zu demokratisieren und zu stabilisieren. Die Risiken waren jedem von uns in diesem Hause bekannt. Wir haben auch sehr frühzeitig - Wolfgang Schäuble an der Spitze - darauf hingewiesen, dass Amerika zwar allein einen Krieg gewinnen kann, aber es ihm alleine nicht gelingen wird, Frieden zu schaffen. Dazu sind die Anstrengungen der gesamten internationalen Staatengemeinschaft notwendig. So sollte nicht der eine oder andere mit verdeckter Schadenfreude sagen: Seht einmal, Amerika, wir haben es euch immer gesagt, ihr schafft es nicht. Vielmehr sollten wir gemeinsam mit den Amerikanern nach Konzepten suchen, wie man im Irak vorankommt. (...)

Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

(...) Der heutige Tag bietet vielleicht eine gute Gelegenheit, eine Zwischenbilanz bezüglich des Kampfes gegen den Terrorismus zu ziehen. Diese Zwischenbilanz fällt ambivalent aus.

Wir haben gesehen, dass es notwendig war, zumindest das strategische und organisatorische Zentrum von al-Qaida mit militärischen Mitteln stillzulegen und die Taliban als Machthaber zu vertreiben, um in Afghanistan die Chance für einen friedlichen Entwicklungsprozess zu gewinnen. Dieser Aufgabe müssen wir uns nach wie vor stellen. Ich kann nicht verstehen, wie Teile der Friedensbewegung heute in einem Papier ähnlich wie vor zwei Jahren behaupten können, dies sei ein Ermächtigungsbeschluss der Regierung, um sich in militärische Abenteuer zu stürzen.

(...) Es ist auch positiv zu werten, dass die internationale Allianz zur Bekämpfung des Terrorismus trotz der Irakkrise zusammengehalten hat. Wir wissen, dass die politische Gemeinsamkeit der gesamten internationalen Völkergemeinschaft in dieser extrem wichtigen Frage ein wesentliches Pfund im Kampf gegen den Terrorismus ist; nur so kann er effektiv geführt werden. Allein die Tatsache, dass die Allianz zusammengeblieben ist, ist als ein großer Erfolg zu werten.

Was diese Allianz allerdings mit militärischen Mitteln erreicht hat, muss man etwas zwiespältiger bewerten. Auf der einen Seite wurde zwar das Organisationszentrum getroffen, auf der anderen Seite ist al-Qaida in die Fläche ausgewichen und versucht, in den Failing States der Region bzw. in schon destabilisierten Regionen neu Fuß zu fassen. Auch die Hauptkampffelder in Afghanistan sind noch nicht vollständig stabilisiert.

Damit stellt sich die Frage nach den Gründen für die unzureichenden Erfolge. Meines Erachtens ist eine der Hauptursachen für die Defizite darin zu sehen, dass durch den Irakkrieg ein ganzes Jahr lang eine völlig falsche Priorität bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesetzt wurde.

Der Irakkrieg, wie wir heute wissen, war kein Schlag gegen den Terrorismus, sondern er hat dazu geführt, dass der Terrorismus neuen Zulauf aus der Masse der frustrierten arabisch-islamischen Jugend bekommt.

Deshalb sind wir nach wie vor der Meinung, Herr Pflüger, dass es damals richtig war, sich gegen den Irakkrieg zu wenden. Die negativen Prognosen, die wir damals aufgestellt haben, sind leider - ich sage wirklich: leider - Realität geworden.

Der Irakkrieg hat ein Jahr lang viele militärische, politische und ökonomische Kräfte gebunden - auf absehbare Zeit wird dies noch so bleiben -, die für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus verloren gegangen sind. Im Schatten dieser Fehlallokation von Ressourcen aller Art konnte sich der internationale Terrorismus ausbreiten.

Gleichzeitig wurde durch den Irakkrieg die Priorität faktisch verschoben: von der eigentlich notwendigen politischen Bekämpfung des Terrorismus hin zu einer militärischen. Es wurde die Fiktion aufgebaut, als sei der Terrorismus endgültig militärisch zu schlagen. Dem ist aber nicht so. Herr Pflüger, Sie haben das vorhin in Ihrer Rede, deren Aussagen ich größtenteils teile, selber bestätigt.

Der politische Charakter des Kampfes gegen den Terrorismus hatte doch drei große Ziele: erstens die Isolierung der Terroristen, zweitens das Aufzeigen politischer Alternativen für den gesamten Nahen und Mittleren Osten, insbesondere Alternativen zum arabischen Nationalismus und zum islamistischen Fundamentalismus, und drittens die Lösung des Kernkonfliktes zwischen Israel und Palästina.

Was aber sind die Konsequenzen, die wir nach dem Irakkrieg beobachten? Wir sehen: Nicht die Terroristen sind isoliert, sondern der Westen verliert in der arabisch-islamischen Welt an Prestige. Wir sehen, dass die Entwicklung im Irak alles andere als Vorbildcharakter für andere Staaten der Region hat, die vielleicht transformationsbereit wären. Wir sehen auch, dass andere Staaten der Region nun argwöhnisch darauf achten, ob sie nicht selber auch Angriffsziel werden könnten.

Ich möchte in diesem Kontext noch sagen - man kann das nicht deutlich genug unterstreichen -: Wir können wirklich außerordentlich dankbar sein, dass die Initiative der europäischen Außenminister mit dazu beigetragen hat, die Irankrise, die sich sehr zuzuspitzen begann, zu einem Zeitpunkt zu entschärfen, als es noch möglich war, eine militärische Eskalation zu verhindern. Sonst hätten wir heute ein viel größeres Desaster.

Leider müssen wir auch festhalten, dass im Schatten des Irakkrieges die verschiedensten Akteure im Nahostfriedensprozess - man müsste eigentlich zu der Bezeichnung „Nahostkonflikt“ zurückkehren - ohne jegliche legitimatorische Figur auf konstruktives Verhalten verzichten. Nach wie vor gibt es die grauenhaften Selbstmordanschläge im Rahmen des Dschihad. Auf der anderen Seite lässt die israelische Regierung diesen schrecklichen Zaun bauen, was ebenfalls nicht dazu beiträgt, dass die Vorgaben der Roadmap eingehalten werden.

Daraus kann es für uns eigentlich nur eine wesentliche Konsequenz geben, nämlich dass wir zu einer Diskussion darüber zurückfinden müssen, welche politischen Methoden angewendet werden können, um dem internationalen Terrorismus die Grundlage zu entziehen. Die Antwort muss sich auf die drei Defizite beziehen, die ich gerade angesprochen habe.
(...)
(...) Vielleicht müssen wir uns von einigen überhöhten Zielen verabschieden. Wir wissen, was für uns das beste politische System ist: Demokratie, Liberalität. Aber wir erleben, dass es außerordentlich schwierig ist, unsere Vorstellungen von Politik, Demokratie und Liberalität ohne weiteres in den Gegenden dieser Welt zu implementieren, in denen die gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür fehlen. Das heißt nicht, dass man sich nicht anstrengen soll; beim Wiederaufbau Afghanistans unternehmen wir große Anstrengungen. Wir sehen aber, dass dieser Ansatz an seine Grenzen stößt. Vielleicht muss er auch an seine Grenzen stoßen, weil unser politisches System historisch auf der Basis einer bestimmten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung gewachsen ist, die an anderer Stelle fehlt. (...)

Günther Friedrich Nolting (FDP):

(...) Saddam Hussein und die Taliban haben ihre Länder - und nicht nur die - durch ein Terrorregime jahrelang in Angst und Schrecken gehalten. Menschenleben wurden skrupellos in vieltausendfacher Zahl ausgelöscht. Im Rahmen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus wurden die Menschen in Afghanistan und im Irak von diesen Despoten befreit. Die an Grausamkeit kaum zu überbietende internationale Terrororganisation al-Qaida wurde geschwächt. Trotzdem, der Terror geht weiter; er nimmt in letzter Zeit sogar wieder zu. Täglich sterben unschuldige Menschen.

Dem Terror ist das Handwerk zu legen; Herr Kollege Weisskirchen, da stimmen wir überein.

Das bedarf der Anstrengung aller. Selbstverständlich hat sich Deutschland unvermindert an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu beteiligen, so wie es der Bundeskanzler den USA in seiner Rede vor zwei Jahren, in der er sich für uneingeschränkte Solidarität ausgesprochen hat, versprochen hatte.

Die FDP als Bürgerrechts- und Rechtsstaatspartei lässt keinen Zweifel daran, dass sie alle Maßnahmen unterstützt, die diesem Ziel dienen.

Aber die Bundesregierung und der sie anführende Bundeskanzler machen es uns nicht leicht. So wurden wir am 16. November 2001 gezwungen, die deutsche Teilnahme an der Operation Enduring Freedom abzulehnen, da der Bundeskanzler zur Sicherstellung der eigenen Mehrheit mit dieser Entscheidung die Vertrauensfrage verknüpfte. So zwingt er uns auch heute zur erneuten Ablehnung, da er - vermutlich wiederum aus koalitionsinternen Gründen - einen Vorratsbeschluss über mindestens 2 400 Soldaten herbeiführen will.

Wie vom Verfassungsgericht 1994 festgestellt, ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee. Diese Auffassung teilen wir Liberalen ausdrücklich.

Das Parlament und nur das Parlament entscheidet über den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Ausland. Wir Parlamentarier tragen daher die Verantwortung.

In diesem Sinne hat der Bundestag vor zwei Jahren der Bundeswehr ein Mandat erteilt, sich im damals notwendigen Umfang von maximal 3 900 Soldaten an der Bekämfpung des internationalen Terrorismus zu beteiligen. Das Mandat war notwendig und es war in allen Einzelheiten den Bedürfnissen angemessen. Wir hatten Soldaten in Afghanistan, in Kuwait und am Horn von Afrika. Was ist davon geblieben? Die KSK-Soldaten sind zwischenzeitlich aus Afghanistan abgezogen worden; der ABC-Abwehrverband ist nicht mehr in Kuwait stationiert und die Marinekräfte am Horn von Afrika sind auf einen Bruchteil der ursprünglichen Stärke reduziert. Insgesamt sind heute noch 295 Bundeswehrsoldaten unter dem Mandat Enduring Freedom im Einsatz. Dazu kommen noch 405 im Rahmen von Active Endeavour im Mittelmeer und der Straße von Gibraltar, sodass sich eine Gesamtzahl von rund 700 ergibt.

Was aber verlangt die Bundesregierung von uns, vom Parlament? Sie verlangt die Mandatierung und einen aus meiner Sicht angesichts der Zahl von rund 700 Soldaten, die jetzt im Einsatz sind, überzogenen und nicht zu rechtfertigenden Personalumfang von 3 100. Die Bundesregierung verlangt vom Parlament die freiwillige Aufgabe seiner Rechte, die ihm vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zugebilligt worden waren.

Der Bundestag würde der Bundesregierung einen Freibrief für den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Ausland ausstellen; er würde Kontroll- und Mitwirkungsrechte in einem der sensibelsten Bereiche gestaltender Politik nicht wahrnehmen - und das ohne jegliche Not. Dazu sage ich: Die Protokollerklärung reicht uns nicht aus, weil das Parlament eben nicht mehr entscheiden kann. Herr Kollege Pflüger, ein bisschen Kontrolle, wie Sie es ausgeführt haben, ist uns zu wenig.

Die FDP hat in dieser Woche ein Gesetz zur Mitwirkung des Deutschen Bundestages bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr vorgelegt. Wir wollen die Rechte des Parlamentes stärken. Herr Kollege Weisskirchen, Sie beschränken sich heute darauf, dass Sie sagen: Wir haben Vertrauen in die Bundesregierung. Das ist uns zu wenig.

Die Bestrebungen zur Verabschiedung solch eines Gesetzes würden damit nahezu ad absurdum geführt. Das ist mit uns Liberalen nicht zu machen. (...)

Noch einmal zum Personalumfang des Mandats: Die Bundesregierung will die Zahl der eingesetzten Soldaten von 3 900 auf 3 100 reduzieren. Sie hat das Kontingent also um bis zu 800 ABC-Abwehrsoldaten verkleinert. Ausgerechnet ABC-Abwehrkräfte! Auf Nachfrage, ob denn vonseiten des internationalen Terrorismus keine Bedrohung mehr durch biologische oder chemische Waffen bestehe, antwortete der Außenminister sinngemäß, dass diese Soldaten sehr schnell durch einen Beschluss des Bundestages eingesetzt werden könnten.

Warum, Herr Außenminister, soll dieses Verfahren nur bei den ABC-Abwehrsoldaten Anwendung finden, aber nicht bei den anderen?

Sie haben in der letzten Woche den Begriff der geübten Mandatspraxis gebraucht und gesagt, dass Sie den ernst nehmen wollten. Ich weiß nicht, was Sie unter dem Begriff der geübten Mandatspraxis verstehen. Mich interessiert einzig und allein, dass die Parlamentsrechte gewahrt bleiben. Ich kann es nicht verantworten, dieser Bundesregierung für den Zeitraum von zwölf Monaten einen Freibrief für einen bewaffneten Einsatz von mehr als 2 400 Bundeswehrsoldaten in einem Gebiet, das sich von Nordafrika über die arabische Halbinsel bis nach Zentralasien erstreckt, zu geben.

Die FDP sieht sich gezwungen, diesen Antrag abzulehnen. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber wir wollen den Erhalt der Parlamentsrechte, nicht mehr und nicht weniger.

Vielen Dank.

Dr. Christoph Zöpel (SPD):

(...) Wir haben das Mandat nach leidenschaftlichen Debatten im Parlament und in den Fraktionen erteilt. Auch wenn Debatten in den Fraktionen immer eine intellektuelle und politische Anstrengung bedeuten - für die Regierung manchmal besonders -: Ich bin weiterhin stolz auf die engagierten Debatten vor zwei Jahren in meiner Fraktion. Sie waren nützlich und haben dem Ansehen des Parlaments gedient. Der deutschen Öffentlichkeit wird gezeigt: Dieses Parlament als Ganzes - das sage ich ausdrücklich - ist außerordentlich behutsam, bevor deutsche Soldaten außerhalb unseres Territoriums und außerhalb der Bündnisverpflichtungen eingesetzt werden.

Ich werte auch alle Beiträge der Opposition heute in diesem Sinne. Sie kämpfen für dieses Recht des Parlaments, für diesen Anspruch einer demokratischen Öffentlichkeit. Daher respektiere ich vor allem auch Bedenken in der FDP. Ich glaube nur, Ihre Folgerungen sind nicht schön. Wenn Sie die intellektuelle und anstrengende Auseinandersetzung in der SPD-Fraktion, auf die ich stolz bin, als ein Argument für Ihr Nein heute anführen, dann diskreditieren Sie Ihre eigene Position, eine kritische Opposition sein zu wollen. Das hat mir weh getan.
(...)
Der Verteidigungsminister hat uns, wie bei allen anderen Einsätzen der Bundeswehr, jede Woche - ich betone: jede Woche - darüber informiert, wie viele Soldaten im Rahmen von Enduring Freedom im Einsatz sind. Sie können nachlesen, welche Personalschwankungen es gegeben hat. Nehmen Sie mir diese Bemerkung nicht übel: Wenn Sie tatsächlich so besorgt wären, wie Sie es heute artikulieren, dann hätte ich es während der letzten Monate für angebracht gehalten, dass Sie die abnehmende Zahl der eingesetzten Soldaten parlamentarisch aufgegriffen hätten und nicht erst vor dieser Abstimmung. Allein das über Monate anhaltende Nichteingehen auf die kontinuierliche Berichterstattung über den geminderten Einsatz durch Ihre Fraktion wirft einen leichten Schatten auf Ihre heutige Rede.

Wir sind behutsam vorgegangen, wir alle, die wir parlamentarische Verantwortung tragen, und vor allem die Bundesregierung. Es sind nicht mehr Soldaten eingesetzt worden als nötig. Aber eine Zahl von Soldaten vorzuhalten, die leicht unter der des ersten Mandats liegt, bleibt richtig.
(...)
Es bleibt dabei, dass die deutschen Soldaten in Afghanistan eingesetzt werden - über die Verhältnisse dort müssen wir heute nicht sprechen; das haben wir im Zusammenhang mit dem ISAF-Einsatz ausführlich getan -, sonst nur in Staaten, deren Regierung zustimmt. Werden sie irgendwo eingesetzt, wo es keine Regierung gibt, muss der Bundestag damit befasst werden. Diese Sicherungskautel hat gehalten. Sie wird auch weiterhin halten; ich habe da keinerlei Bedenken. Ich sage es noch einmal: Die Lage ist nicht übersichtlicher geworden durch die Selbstüberschätzung der USA.

Es ist schon fragwürdig, wenn es heißt, diese Regierung möchte einen Freibrief für militärische Abenteuer. Wenn es eine Leistung dieser Regierung gab, die weiterhin Gültigkeit hat, dann war es die Verweigerung des Eingehens eines Abenteuers militärischer Selbstüberschätzung, welches die USA eingegangen sind. (...)

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU):

(...) Die heute anstehende Entscheidung über die Fortsetzung des Einsatzes Enduring Freedom ist keine Routineentscheidung, meine Damen und Herren. Es geht, wie bei allen Entscheidungen über Auslandseinsätze, auch immer um Leben und Gesundheit unserer Soldaten. Auf der einen Seite müssen wir die Risiken für unsere Soldatinnen und Soldaten sehr sorgfältig und verantwortungsbewusst abwägen. Andererseits - es ist schon darauf hingewiesen worden -: Die verheerenden Anschläge in Saudi-Arabien, Indonesien und zuletzt in Nasirija zeigen, dass der internationale Terrorismus nach wie vor an jedem Ort und zu jeder Zeit zuschlagen kann.

Daher ist auch der bewaffnete Teil des Kampfes gegen den Terrorismus, zu dem Enduring Freedom gehört, nach wie vor notwendig. Wir sind uns sicher, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, darüber einig, dass die Bekämpfung des internationalen Terrorismus nicht alleine eine militärische, sondern eine komplexe gesamtpolitische Aufgabe ist, die auch polizeiliche, soziale, finanzielle, auch entwicklungspolitische Elemente mit einschließt. Der militärische Beitrag ist Enduring Freedom. Und dazu leistet die Bundesrepublik Deutschland ebenso wie ein großer Teil der Weltgemeinschaft - es sind ja immerhin 50 Nationen - ihren Beitrag.

Wie ist die Bilanz nach zwei Jahren? Einheiten der KSK, des Kommandos Spezialkräfte, nahmen in Afghanistan an der Seite der Antiterrorallianz am Kampf gegen das Talibanregime und gegen al-Qaida teil. Vor wenigen Wochen ist dieser Einsatz zu Ende gegangen. Die Soldaten der KSK haben ihre schwierige und gefährliche Aufgabe hervorragend gelöst. Lassen Sie mich das an dieser Stelle ausdrücklich sagen.

Im weiteren Verlauf der Operation Enduring Freedom wurden Einheiten der Bundesmarine an das Horn von Afrika verlegt und überwachten mit Erfolg den Schiffsverkehr in diesem Seegebiet. Inzwischen wurden die Marineeinheiten auf eine Fregatte und einen Seefernaufklärer reduziert. Die am Horn von Afrika eingesetzte Task Force 150 hat die Knotenpunkte eines Überwachungsnetzes so engmaschig gesetzt, dass ein unerkanntes Durchschlüpfen fast nicht mehr möglich ist. Nach der Kontrolle von über 15 000 Schiffen und fast 100 näheren Untersuchungen an Bord von verdächtigen Schiffen gab es in der vergangenen Woche erste Erfolge: Am 3. und 4. November ist es der Besatzung der Fregatte „Lübeck“ gelungen, zwei Trawler mit einer großen Menge an Waffen und Munition aufzubringen. Die „Lübeck“ beschattete beide schwimmenden Waffenlager bis zum Zielhafen. Waffen und Munition wurden in Oman von den örtlichen Sicherheitskräften beschlagnahmt.

In einer weiteren Region beteiligt sich die Bundesrepublik Deutschland militärisch am Kampf gegen den Terror. Deutsche Marineeinheiten sind im Rahmen der Operation Active Endeavour im Mittelmeer und an der Straße von Gibraltar im Einsatz. Sie begleiten dort nach einem Bericht von „Report“ vom 10. November englische und amerikanische Frachter. Im Rahmen ihres Auftrages sollen die deutschen Schnellboote jedoch auch den Seeverkehr gegen terroristische Angriffe schützen, die insbesondere von anderen Seefahrzeugen ausgehen können, wie zum Beispiel Kamikazeangriffe von mit Sprengstoff beladenen Schiffen, so wie es bei der USS-Cole der Fall war.
(...)
Im Antrag der Bundesregierung wird die bisherige Personalobergrenze von bis zu 3 900 Soldaten auf 3 100 abgesenkt und auf die Bereitstellung von ABC-Abwehr-Kräften generell verzichtet. Was dennoch auffällt, Herr Kollege Nolting, Sie haben darauf hingewiesen und haben dies unterstrichen: dass die Diskrepanz von 710 oder von angeblich 290 eingesetzten Soldaten zu den mandierten Soldaten tatsächlich gewaltig ist; der Unterschied beträgt 90 Prozent. Dass aber für die Auftragserfüllung ein gewisses Maß an Flexibilität vorhanden sein muss, wird niemand bestreiten.

Gestatten Sie mir, aus meinen Erfahrung mit militärischer Planung, zu sagen: Man muss entscheiden, welche Kräfte jeweils vorgehalten und wie diese Kräfte strukturiert werden. Darauf hat uns die Bundesregierung eine, so meine ich, ausreichende Antwort erteilt. Es ist ein Unterschied, ob man Sanitätskräfte oder Fallschirmjäger bereithält. Diese Überlegung müssen wir zuerst anstellen.

Als Zweites ist zu bedenken: Es ist sicher kostengünstiger, Kräfte bereit zu halten, als sie in den Einsatz zu schicken, wenn sie nicht gebraucht werden.

Ich meine, dass die Bundesregierung unseren Bedenken durch ihre Protokollnotiz und die Spezifizierung der bereitgestellten militärischen Fähigkeiten Rechnung getragen hat.

Auch wenn ich persönlich keinen Zweifel daran habe, dass die Bundesregierung mit dem heute zu verlängernden Mandat zurückhaltend und verantwortungsvoll umgeht so, bleibt dennoch die Art des Zustandekommens und die Möglichkeiten des Parlaments - Sie haben darauf hingewiesen - für mich unbefriedigend.

Eine engere Kooperation, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bereits im Vorfeld wäre sicher der gemeinsamen Verantwortung dienlicher. Im Übrigen meine ich, dass hier die Notwendigkeit des Parlamentsbegleitgesetzes, an dem wir gerade arbeiten, deutlich wird. (...)

Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

(...) Deutschland hat auf den multilateralen Ebenen von UN, OSZE, EU, NATO und G 8 wichtige Beiträge zur Terrorismusbekämpfung geleistet. Dennoch bleibt der Einsatz militärischer Mittel derzeit ein unverzichtbarer Bestandteil im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Im Zuge von Enduring Freedom hat die Deutsche Marine einen stabilisierenden Einfluss am Horn von Afrika und im Mittelmeer ausgeübt. Die Seestreitkräfte haben wichtige Handelswege gegen Piraterie und Waffenschmuggel abgesichert. In keinem Fall ist es dabei zu militärischen Auseinandersetzungen gekommen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit einem leistungsfähigen Kontingent in die multinationale Operation Enduring Freedom eingebracht. Hierfür sowie für die Beteiligung an ISAF genießt Deutschland hohe Anerkennung, wie uns gerade Anfang dieser Woche bei der Parlamentarischen Versammlung der NATO in Orlando wieder bestätigt worden ist. Diese Anerkennung gilt ganz besonders den Peacekeeping-Fähigkeiten der Bundeswehr.

Die Bundesregierung hat den personellen Umfang in ihrem Beschlussvorschlag zu Enduring Freedom um 800 Soldaten auf 3 100 reduziert. Der Einsatz der ABC-Abwehrkräfte mit sechs „Fuchs“-Spürpanzern wurde beendet und das Kommando Spezialkräfte, KSK, aus Afghanistan abgezogen. Der Vorwurf der FDP, die Bundesregierung verlange einen Blankoscheck beim Antiterroreinsatz, weil in der Realität momentan weit weniger Soldaten gebraucht werden, als es das Mandat erlaubt, ist - mit Verlaub - blanker Unsinn.
(...)
Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist noch lange nicht gewonnen. Denken wir doch nur an die Anschläge in Kabul auf die ISAF-Soldaten, an die Attentate von Riad, Casablanca und Jakarta. Denken wir an Bali, Djerba und Mombasa. Die Bedrohung durch al-Qaida ist nach wie vor real vorhanden. Der Umfang von 3 100 Soldaten ermöglicht ein schnelles und flexibles Handeln. Eine weitere Reduzierung der Anzahl der Soldaten wäre ein völlig falsches Signal an die Terroristen, aber auch an unsere Bündnispartner. Eine stärkere Absenkung der Obergrenze könnte von der internationalen Gemeinschaft und von unseren Partnern als Ausstieg aus der Operation Enduring Freedom, dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus sowie unseren internationalen Verpflichtungen gesehen werden. (...)

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.

Am 16. November 2001 stimmte der Bundestag zum ersten Mal über den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan ab. Kanzler Schröder hatte in gewohnt dramatischer Manier die Abstimmung inszeniert.

Ich kann mich noch gut an ein Bild erinnern: Eine ältere Frau, ein mütterlicher Typ mit einer großen Tasche, geht auf Gerhard Schröder zu und gibt ihm die Hand. Es war Christa Lörcher, die einzige Sozialdemokratin, die ihre Zustimmung verweigert hatte. Das Handbuch des Deutschen Bundestages weist aus, dass Christa Lörcher seit dem 15. November 2001 als fraktionslos galt. Im Dokumentationssystem des Bundestages ist dies als Vorgangstyp „Begrüßungen, Glückwünsche, Nachrufe“ systematisiert. Am 13. Oktober dieses Jahres widmete die „taz“ Christa Lörcher eine ganze Seite unter dem Titel: „Eine Gewissenhafte“. Diesen Artikel kann ich Ihnen nur empfehlen, denn es wird genau beschrieben, wie Christa Lörcher die Woche im November 2001 erlebt hat. Ich zitiere:

Wie sie montags einer Schulklasse aus Donaueschingen erklärt hat, dass Abgeordnete nach Artikel 38 des Grundgesetzes gemäß ihrem Gewissen entscheiden dürfen. Wie sie schon abends zum Bundeskanzler zitiert wurde. Wie er jede Kritik als Misstrauen gegen seine Person abkanzelte. Sie erinnert sich ... An die Landesgruppe, die fordert, dass sie ihr Mandat abgeben soll, wenn sie nicht nachgebe. Wie alle Maßstäbe plötzlich auf dem Kopf stehen, wie Kollegen ihr vorwerfen, ihr Verhalten sei verantwortungslos, unsolidarisch, egoistisch.

Mir hat die Haltung von Christa Lörcher sehr imponiert. Ich habe große Hochachtung vor ihr.

Vor der heutigen Sitzung sind keine Auseinandersetzungen aus den Regierungsfraktionen an die Öffentlichkeit gedrungen. Es hat sich quasi eine Abstimmungsroutine entwickelt, die vor zwei Jahren noch undenkbar schien. Als der Deutsche Bundestag am 16. November 2001 zum ersten Mal über den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan abstimmte, waren die Debatte und die Abstimmung der einzige Punkt auf der Tagesordnung. Heute sind diese Abstimmungen Bestandteil normaler Tagesordnungen. Die Gewöhnung der deutschen Öffentlichkeit an Auslandseinsätze der Bundeswehr scheint gelungen.

Die PDS im Deutschen Bundestag lehnt den Einsatz von bewaffneten deutschen Streitkräften im Rahmen dieses Mandats ab.

Erinnern wir uns, mit welchen Argumenten im Jahr 2001 der Bundeswehreinsatz begründet wurde. Die uneingeschränkte Solidarität mit den USA sollte bewiesen werden. Osama Bin Laden, der als verantwortlich für die Anschläge auf das World Trade Center erklärt wurde, sollte gefasst werden. Dem internationalen Terrorismus sollte die Grundlage entzogen werden.

Inzwischen wurden die Kriegsziele schleichend umgedeutet. US-Präsident Bush stellt sich in dieser Woche vor die Kameras und verkündet der Weltöffentlichkeit: „We liberated two countries: Iraq and Afghanistan.“ Wie ist die Reaktion der Bundesregierung auf diese Rede? War die Bundesregierung nicht gegen den Krieg gegen den Irak?

Meine Kollegin Petra Pau hat in der Sitzung vor einer Woche gefordert, dass Rechenschaft darüber abgelegt wird, ob und wie die Ziele des Mandats erreicht wurden und ob Mittel und Wege zum Erreichen dieser Ziele richtig waren. Statt einer Antwort sind im Protokoll ihrer Rede unqualifizierte Zwischenrufe von den Grünen nachzulesen.

Immer wieder wird vom Rednerpult des Deutschen Bundestages aus erklärt, dass man den Soldatinnen und Soldaten wünsche, dass sie gesund zurückkehren mögen. Dieser Wunsch ist richtig und zu unterstützen. Aber wie ernst nimmt man die Drohungen der afghanischen Kriegsherren gegen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr? Dazu ist hier in der Debatte wenig gesagt worden.

Wir, die PDS, bleiben dabei: Den Kampf gegen den Terrorismus kann man gewinnen, einen Krieg gegen den Terrorismus kann man nur verlieren.

Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU):

(...) Internationaler Terrorismus ist eine Herausforderung, deren Bewältigung sicherlich nicht in Wochen- oder Monatsfristen zu leisten ist, sondern die kommenden Jahre und Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Entscheidend ist allerdings die Anschlussfrage. Was sind die langfristigen Konsequenzen aus dieser Erkenntnis?

Mit der Ausgestaltung von Enduring Freedom überschreiten wir erstmals die begehrlich gesuchte Schwelle der Tagespolitik und wagen wenigstens einmal den Ansatz einer notwendig längerfristigen Perspektive.

Erwächst aber demzufolge aus den neuen großen Herausforderungen eine neue Linie der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik? Meiner Meinung nach ist das nicht der Fall. Zwar mögen sich derzeit die Linien mancher Paradigmenwechsel, die vollzogen wurden, offenbaren, aber sie tragen kaum unsere eigene Handschrift.

Wenn wir ehrlich sind, ringen wir, seitdem wir 1989 aus der Rolle im Zentrum eines globalen Konflikts heraustreten durften, um unsere Positionierungen. Wir sollten uns deswegen und angesichts der aktuellen und kommenden Bedrohungen aufgerufen fühlen, eine noch zentralere, noch aktivere, insbesondere aber konzeptionell wirksamere Rolle im internationalen Kontext auszufüllen.

Ein Merkmal unserer Außen- und Sicherheitspolitik war stets ihre Kontinuität. Angesichts der zunehmenden Unberechenbarkeit der Bedrohungen mag Kontinuität zwar schwieriger erscheinen - das ist richtig -, sie muss aber eine Grundmaxime unseres außenpolitischen Handelns bleiben.

Das erfordert allerdings - Friedbert Pflüger hat es angesprochen - die Formulierung einer eigenen, langfristig angelegten Strategie und letztlich wahrscheinlich einer Doktrin, wie sie in vielen unserer Nachbarstaaten bereits existiert.

Wenn schon keine neuen Linien unserer Außenpolitik erkennbar sind, gibt es dann wenigstens den Entwurf einer neuen Strategie? Auch das ist bislang nicht der Fall. Die grundlegenden Analysen der Gefährdungen und die daraus entspringenden Strategien werden von anderen verfasst, sei es von Solana, der vor zwei Tagen hier war, sei es, dass eine Verbindung zum amerikanischen Präsidenten erkennbar ist. Vieles würden wir gerne mit dem Bundeskanzler, dem verehrten Herrn Bundesaußenminister und dieser Regierung in Verbindung bringen. Gelegentlich ist das auch der Fall. Aber eines verbinden wir nicht mit ihnen, nämlich einen klaren Ansatz oder wenigstens den Versuch, eine über den tagespolitischen Horizont hinausreichende Strategie zu entwickeln.

Das ist ein Vorwurf, der uns alle betrifft, aber die Bundesregierung qua ihrer immanenten Gestaltungskraft in besonderem Maße. Wir halten eine solche Strategie für notwendig, um bei der einflussreichen Mitgestaltung derzeit kursierender Ansätze mitwirken zu können.

Herr Bundesaußenminister, Sie besuchen ab Sonntag die Vereinigten Staaten und wollen meines Wissens auch in Princeton eine Rede halten. Das wäre ein wunderbarer Anlass, dort analog Ihrer Berliner Rede auch einmal die großen und weitreichenden strategischen Ansätze der Außenpolitik der Bundesregierung darzustellen.

Darüber hinaus müssen wir wohl auch die Logik der Abfolge unseres internationalen Handelns einer Überprüfung unterziehen und letztlich eine Umkehrung vornehmen. Nicht eine Ansammlung gegebenenfalls unschlüssiger Einzelentscheidungen ergibt ein tragfähiges Konzept. Vielmehr muss sich aus der Formulierung des Konzepts die Logik der Handlungsform ergeben. Das ist zwar banal, aber de facto ein Missstand. Es geht dabei um ein Konzept, das sich nicht vor der sicherlich kritischen Einbindung einer europäischen Sicherheitsstrategie in die nationale Sicherheitsstrategie der USA, vor der Formulierung und Einbeziehung einer Strategie für den Nahen und Mittleren Osten und vor der Neuausrichtung einzelner Institutionen - Stichwort NATO und Vereinte Nationen, und zwar im gegenseitigen Wechselspiel - scheut.
(...)
Wir brauchen Mut, um zu verdeutlichen, wie verwundbar und potentielle gefährdet auch unser Land angesichts der Bedrohungslage mittlerweile geworden ist. Wir brauchen Mut, um gewohnte, lieb gewonnene und bislang behütet erscheinende Strukturen dieser Erkenntnis anzupassen. Die Stichworte „NATO“ und „Vereinte Nationen“ sind bereits gefallen; innenpolitische Stichworte müssten folgen. Wir brauchen Mut, um in unserer Bevölkerung um mehr Verständnis statt um mehr Unverständnis für unsere Partner zu werben. Außerdem brauchen wir Mut, um begründetes Unverständnis in einen wirklich konstruktiven, gegebenenfalls freundschaftlichen Dialog, insbesondere mit den Vereinigten Staaten, münden zu lassen.
(...)
Lassen Sie uns schließlich den Mut haben, den Menschen unseres Landes Außenpolitik nicht nur über hochinteressiert wirkende Gesichter zu vermitteln, sondern auch über die Formulierung eigener Interessen! Verschämtes Verschweigen eigener Interessen dient heute nicht einmal mehr dem eigenen Gewissen. (...)

Rainer Arnold (SPD):

(...)Es ist doch für unsere Gesellschaft insgesamt eine sehr schöne Erfahrung, dass deutsche Soldaten das Ansehen unseres Landes mehren.

Deutschland hat sich von Beginn an dazu bekannt, entsprechend seiner Größe und seinen Möglichkeiten eine aktive Rolle bei diesen internationalen Verpflichtungen zu spielen. Darüber muss die FDP noch einmal nachdenken. Herr Nolting, die Koalition kann auf Sie und auf Ihre Stimme politisch sehr gut verzichten. Aber denken Sie doch bitte einmal über die Signale nach, die Sie in die Welt aussenden!

Nach Ihrer Meinung sollte sich Deutschland trotz der aktuellen Bedrohungslage zurücknehmen. Deutschland würde damit auch im Hinblick auf die Terroristen falsche Signale aussenden. Wir wissen jedenfalls - das ist sehr wichtig, Herr von und zu Guttenberg -, dass der militärische Beitrag nur ein Teil eines umfassenden politischen Ansatzes sein kann und sein wird. Haben Sie aber Verständnis, dass ich mich in meiner Rede auf die militärischen Konsequenzen konzentriere.

Wir reden heute über asymmetrische Bedrohungen, mit denen die internationale Sicherheitspolitik konfrontiert ist. Das Hauptmerkmal dieser Bedrohungen ist: Terroristen können überall und jederzeit losschlagen. Die Erkenntnisse über terroristische Täter, ihre Hintergründe, ihre Motive, ihre Waffen und ihre Vorgehensweise haben sich fundamental verändert. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Vorgänger schicken Terroristen heute keine konkreten Forderungen voraus, um ihre Drohungen zu untermauern. Vielmehr schlagen sie ohne Vorwarnung und mit großem Zerstörungswillen zu und schieben allenfalls absurde Begründungen nach. Angesichts dieser Bedrohungssituation ist es wichtig, dass die militärischen Instrumente immer wieder flexibel justiert werden können. Deshalb ist es auch richtig, dass wir der Bundesregierung einen Spielraum für schnelles und flexibles Reagieren geben.

Die Zusammensetzung der Truppenteile ist vor diesem Hintergrund sachgerecht; denn sie erfolgt aufgrund der aktuellen Lageanalyse. Es ist in der Tat richtig, dass wir der Bundesregierung eine gewisse personelle Flexibilität zugestehen. Diese ist angemessen und notwendig. Sie - das sage ich an die Adresse der Kollegen von der FDP - ist gar nichts Außergewöhnliches, wie die Entsendungen der Vergangenheit zeigen. Herr Kollege Nolting, am 18. Juni dieses Jahres haben auch Sie dem KFOR-Mandat zugestimmt. Damals haben wir 8 500 Soldaten mandatiert, obwohl nur 3 500 im Einsatz waren. Bei dem SFOR-Mandat war es ähnlich: 3 000 Soldaten wurden mandatiert, obwohl nur 1 300 im Einsatz waren. (Günther Friedrich Nolting (FDP): Das ist doch nicht vergleichbar!)

So war es auch bei der letzten Verlängerung des Mandats für Enduring Freedom: Nur ein Drittel der Soldaten, die wir per Mandat entsandt haben, wurde tatsächlich im Einsatzgebiet benötigt. Bis auf drei Kollegen hat Ihre Fraktion diesem Mandat geschlossen zugestimmt.

Damals hat niemand von Ihnen den absurden Vorwurf eines Blankoschecks für die Regierung erhoben. Was hat sich also verändert? Ich möchte wirklich keine Schärfe hineinbringen.

Herr Kollege Nolting, die Frage, ob Sie der jetzigen Verlängerung des Mandats für Enduring Freedom zustimmen, ist, wie gesagt, für das politische Ergebnis sicherlich nicht wichtig. Aber für die Soldatinnen und Soldaten ist es - das war jedenfalls in der Vergangenheit immer der Fall - ein sehr wichtiges Signal, dass alle demokratischen Parteien geschlossen hinter dem Parlamentsheer stehen.
(...)
In den letzten Jahren hat sich im Parlament eine gewisse Mandatspraxis herausgebildet. Alle bisherigen Parlamentsbeteiligungen und Entsendungen haben gezeigt, dass sich bestimmte Informationsstränge eingespielt haben. Ich möchte noch einmal sehr deutlich machen: Es wäre ein gutes politisches Signal, wenn auch die Oppositionsfraktionen an unserem gemeinsamen Ansinnen festhalten würden, in den nächsten Monaten ein Entsendegesetz, ein Parlamentsbeteiligungsgesetz, fraktionsübergreifend, also im Konsens, zu verabschieden. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.
(...)
Ich möchte noch ganz kurz über die Marinekräfte sprechen. Sie leisten sowohl im Mittelmeer als auch am Horn von Afrika einen Beitrag, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Sie müssen sehen: 40 Prozent der Schiffe und Boote unserer Marine sind in ständiger Einsatzbereitschaft. Sie können schnell, flexibel und weitestgehend autark zur neuen Schwerpunktbildung verwendet werden. Sie können lange Zeit auf See bleiben und mit der entsprechenden Unterstützung der Marineaufklärungsflieger auch große Seeräume überwachen.

Wir müssen uns eines immer wieder klar machen: 90 Prozent des Welthandels und auch des Waffenschmuggels erfolgen auf den Seewegen. Jeder von uns weiß, welch großes Interesse gerade eine exportorientierte Wirtschaft daran haben muss, dass die Seewege gut geschützt sind.

Auch wenn der Einsatz der Marine gar nicht so sehr auffällt - erst kürzlich ist allerdings wieder ein Schiff mit Waffen aufgebracht worden -, muss man sehen: Der Beitrag der Marine besonders östlich von Afrika ist ein präventiver Beitrag und das ist das Entscheidende. Allein dadurch, dass sie da ist, sorgt sie dafür, dass die Seewege dort sicherer sind.

Dasselbe gilt auch für die Bereitstellung des Kommandos Spezialkräfte aus Calw. Darüber kann hier nicht viel geredet werden. Ich möchte an dieser Stelle aber eines sehr deutlich sagen: Die Qualität des KSK aus Calw - wir erwarten von den jungen Männern hohe physische und psychische Voraussetzungen; es gibt eine strenge Auslese; die Ausstattung des Kommandos Spezialkräfte aus Calw ist gut - führt dazu, dass die Angehörigen dieses Kommandos zu denen gehören, die weltweit einen hervorragenden Beitrag leisten können. Sie gehören zu den besten Soldatinnen und Soldaten, die auf der Welt überhaupt verfügbar sind. Wir können ein gutes Stück weit stolz auf ihre Arbeit sein. Respekt und ein ausdrückliches Dankeschön an die Soldaten, die unter besonders schweren Bedingungen auf sich allein gestellt in den Bergen von Afghanistan in den letzten Monaten ihren Beitrag geleistet haben! (...)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ich schließe die Aussprache.
(...) Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 15/2004 zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/1880 anzunehmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Bitte benutzen Sie dafür die üblichen Stimmkarten und nicht die Wahlausweise, die in Ihren Fächern lagen oder liegen; sie werden anschließend benötigt.
(...)
Ich gebe Ihnen nun das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung mit dem Titel „Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen“ bekannt. Abgegebene Stimmen 586. Mit Ja haben gestimmt 540, mit Nein haben gestimmt 41, Enthaltungen 5. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, möchte ich Ihnen noch Folgendes mitteilen: Die Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass sie heute den Ausschluss des Abgeordneten Martin Hohmann aus ihrer Fraktion beschlossen hat. Der Kollege Hohmann wird dem Haus ab sofort als fraktionsloser Abgeordneter angehören.

Quelle: www.bundestag.de

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