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Freiheit für Gilad Shalit gefordert

Bundestag verabschiedet auf Initiative der Linken eine Resolution / Die Linke allerdings durfte nicht dabei sein - Ein Lehrstück?

Der israelische Soldat Gilad Shalit, der seit 2006 von der Hamas gefangengehalten wird, soll freigelassen werden. Das fordern die Union, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen in einem gemeinsamen Antrag (17/3422, siehe unten im Kasten), den der Bundestag am 11. November bei Enthaltung der Linksfraktion angenommen hat. Alle "Vermittlungsversuche und vertrauensbildenden Maßnahmen“ seien dafür zu nutzen. Der Bundestag solle diese Entführung "mit großem Nachdruck“ verurteilen, fordern die vier Fraktionen. Das Rote Kreuz müsse sofort Zugang zu Shalit bekommen, um seine medizinische Versorgung sicherstellen zu können. Das letzte Lebenszeichen war den Fraktionen zufolge ein im Oktober 2009 veröffentlichtes Video vom September des gleichen Jahres. Die Linke forderte ebenfalls die Freilassung Gilad Shalits. Ihr Antrag (17/3431, siehe unten im Kasten), in dem sie schreibt, dass die Freilassung auch als ein "humanitäres Zeichen“ für die Freilassung palästinensischer politischer Häftlinge aufgenommen werden könne, wurde mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP bei Enthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Eine Freilassung von Gefangenen auf beiden Seiten könne sich vertrauensbildend auf die Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern auswirken, argumentierte die Linksfraktion. (Quelle: www.bundestag.de)

Im Folgenden dokumentieren wir hierzu drei Artikel bzw. Kommentare. Weiter unten befinden sich die beiden Anträge (im Kasten).


Anlehnung an kalter Schulter

LINKE im Bundestag beklagt Mobbing durch andere Fraktionen

Von Uwe Kalbe *


Die LINKE im Bundestag kämpft ihren parlamentarischen Kampf oft auf einsamer Flur. Zugleich leidet sie unter fehlender Anerkennung durch die anderen Fraktionen. Wie jetzt beim Versuch, zu einem gemeinsamen Antrag zur Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit zu kommen, der 2006 von der Hamas entführt wurde.

Es liegt einige Jahre zurück, da mühten sich die beiden nach der Wahl 2002 verbliebenen PDS-Abgeordneten, Gesine Lötzsch und Petra Pau, um Gleichbehandlung, etwa um Tisch und Telefon im Plenarsaal. Zwar ist die LINKE, in der die PDS aufgegangen ist, mittlerweile zweitstärkste Oppositionsfraktion und mit 76 Abgeordneten im Bundestag vertreten – Abgrenzungs- und Benachteiligungsrituale haben sich jedoch erhalten. Jüngstes Beispiel ist ein Antrag, der am Donnerstag auf der Tagesordnung stand. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für die Freilassung des vor vier Jahren von der Hamas entführten israelischen Soldaten Gilad Shalit einzusetzen. Das Anliegen war in einer interfraktionellen Runde vom außenpolitischen Sprecher der LINKEN, Wolfgang Gehrcke, vorgebracht und von seinen Kollegen – erstaunt, wie »Spiegel-online« in einem Bericht vermerkt – begrüßt worden. Gehrcke bestätigte das gegenüber ND am Donnerstag. Auf dem Antrag selbst fehlt die LINKE jedoch. Grund dürfte ein Unvereinbarkeitsbeschluss sein, den die Union einst gegen die PDS gefällt hat und an dem sie festhält. Die Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann – ihrer Funktion wegen mit den interfraktionellen Absprachen befasst – bestätigt: »Außer bei Absprachen zur Geschäftsordnung gibt es keine gemeinsamen Anträge, egal, was es ist.« Ein demokratisches Miteinander, auf Landesebene normal, funktioniere im Bundestag immer noch nicht.

Die LINKE hat nun einen eigenen Antrag für die Freilassung Shalits eingebracht. Mit dem Zusatz: »... auch als humanitäres Zeichen für die Freilassung palästinensischer politischer Häftlinge«. Ob dies auf dem gemeinsamen Antrag mit den anderen Fraktionen hätte untergebracht werden können, weiß auch Gehrcke nicht. »So weit sind wir ja gar nicht gekommen.« Grüne und SPD kündigten an, sich zum Antrag der LINKEN zu enthalten. Nach Auskunft von Gehrcke wird die LINKE in Kürze auch einen Antrag zur Freilassung der 6000 Palästinenser einbringen, die aus politischen Gründen in israelischen Gefängnissen sitzen. Darunter viele Minderjährige.

* Aus: Neues Deutschland, 12. November 2010


Gemobbte Linke

Zwei Anträge für Gilad Schalit

Von Werner Pirker **


Zwei Anträge, welche die Freilassung des von der palästinensischen Widerstandsbewegung Hamas gefangen-gehaltenen israelischen Soldaten Gilad Schalit fordern, standen gestern im Bundestag zur Abstimmung. Der eine wurde vom etablierten Parteienblock aus CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen eingebracht, der andere von den Außenseitern wider Willen, der Partei Die Linke. Daß diese ihre Solidarität mit dem israelischen Kriegsgefangenen nicht in einem frak­tionsübergreifenden Antrag zum Ausdruck bringen durfte, wird von Der Linken umso schmerzhafter empfunden, als sie es war, welche die Initiative zur Verabschiedung einer entsprechenden Bundestagsresolution ergriffen hatte.

Die Idee, die Linkspartei zugunsten von Gilad Schalit aktiv werden zu lassen, kam von Stephan Kramer, dem in engstem Kontakt zur israelischen Botschaft stehenden Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland. Gregor Gysi hat sie umgehend aufgegriffen. Der hegemoniale Block übernahm sie. Sie umzusetzen, bedurfte es der Linksfraktion nicht mehr. Den Antrag formulierten andere. Die Linke durfte ihn nicht einmal unterschreiben. In ihrem eigenen Antrag wird immerhin noch der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß eine Freilassung Schalits als »humanitäres Zeichen für die Freilassung palästinensischer politischer Häftlinge« aufgenommen werden könnte. Dies auch zu fordern, hätte freilich nicht dem Sinn der von Herrn Kramer unterbreiteten Idee entsprochen. Gysi und Genossen wären sogar bereit gewesen, den Antrag des Mehrheitslagers mitzutragen, hätte man sie nur gelassen.

In diesem werden die palästinensischen Gefangenen gar nicht erst erwähnt. Auch nicht die völkerrechtswidrige Besatzung und der Krieg gegen die palästinensische Zivilbevölkerung, der mit unterschiedlicher Intensität schon seit Jahrzehnten geführt wird. Kriegsverbrecherischer Handlungen werden allein die palästinensischen Widerstandskräfte bezichtigt. So wurde der von der Bundeskanzlerin zur deutschen Staatsräson erhobenen »Solidarität mit Israel« auch in dieser Resolution vollauf Genüge getan. Unter Ausschluß der Linkspartei, was diese zu heftigen Wehklagen über das vom Machtkartell gegen sie betriebene Mobbing veranlaßte.

Um die an der linken Basis vielfach empfundene Solidarität mit den Palästinensern in Grenzen zu halten, hat die Linke-Führung die strikte Order ausgegeben, sich einseitiger Parteinahmen im Nahost-Konflikt zu enthalten. Das Einseitigkeitsverbot gilt aber offenbar nur für die eine, die palästinensische Seite. Mir ihrer »Freiheit für Gilad Schalit«-Initiative hat die Linksfraktion sich an die Spitze einer einseitigen Parteinahme zu stellen versucht. Daß sie dazu nicht für würdig befunden wurde, ist das letzte an Ehre, das ihr noch geblieben ist. Warum aber nimmt die Oligarchie die Nahost-Kapitulation Der Linken nicht an? Weil diese immer noch als Antikriegspartei auftritt. Auch das muß nicht für ewig sein.

** Aus: junge Welt, 12. November 2010


Zwei Anträge

Von Wolfgang Hübner ***

Gestern sollte der Bundestag über eine Resolution für die Freilassung des Israelis Gilad Shalit abstimmen. Der Soldat wurde vor über vier Jahren von der palästinensischen Hamas entführt. Im Bundestag herrscht über diese Forderung Einigkeit – dennoch standen zwei Anträge zur Abstimmung. Die Linksfraktion hatte einen solchen Beschluss zuerst vorgeschlagen. Weil aber die Union um keinen Preis Anträge gemeinsam mit der LINKEN stellen will, kopierte sie das Ansinnen; SPD und Grüne schlossen sich dann lieber den Regierungsfraktionen an.

Es ist längst nicht das erste Mal, dass Initiativen der LINKEN bzw. PDS abgelehnt oder ignoriert und dann von anderen als eigene Idee verkauft werden. Im aktuellen Fall steckt indessen mehr Brisanz. Denn die deutsche Politik hat den Blick schon fest auf das Jahr 2013 gerichtet – auf die nächste Bundestagswahl. Die Klügeren unter den Sozialdemokraten und Grünen diskutieren über die Bedingungen und Möglichkeiten gemeinsamen Regierens mit der LINKEN. Andere spekulieren darauf, die derzeitige rot-grüne Umfragenmehrheit zu konservieren und die Linkspartei am langen Arm auszuhungern. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Antragslage ein Affront gegen die LINKE, die dadurch aber immerhin die Gelegenheit hat, anders als die Anderen auch auf die in Israel inhaftierten palästinensischen Politiker hinzuweisen. Da haben dann getrennte Anträge wieder ihren Sinn.

*** Aus: Neues Deutschland, 12. November 2010 (Kommentar)

Gemeinsamer Antrag von CDU/CSU, FDP, SPD, Bü90/Die Grünen

BT-Drucksache 17/3422

Freiheit für Gilad Shalit

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Bei einem Angriff der Hamas und zwei weiterer militanter Palästinensergruppen am 25. Juni 2006 auf einen Posten der israelischen Streitkräfte bei Kerem Shalom wurden zwei israelische Soldaten getötet. Der junge Feldwebel Gilad Shalit, damals 19 Jahre alt, wurde verletzt und entführt.

2. Seit über vier Jahren hält die Hamas Gilad Shalit gefangen. Der Deutsche Bundestag verurteilt die Entführung mit großem Nachdruck. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz muss sofort Zugang zu Gilad Shalit bekommen und seine medizinische Versorgung sicherstellen können. Die Hamas verhindert das bisher. Außerdem unterbindet die Hamas entgegen der dritten Genfer Konvention von 1949 jegliche Kommunikation mit seiner Familie. Das letzte Lebenszeichen von Gilad Shalit ist ein im Oktober 2009 veröffentlichtes Video vom 14. September 2009. Angehörige und Freunde bangen weiter um sein Leben.

3. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Resolutionen Nr. 1359 vom 24. Juni 2010 des Repräsentantenhauses und Nr. 571 vom 28. Juni 2010 des Senats des Kongresses der Vereinigten Staaten und die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. März 2010, die die Freilassung von Gilad Shalit fordern. Gilad Shalit muss umgehend zu seiner Familie zurückkehren dürfen.

4. Der Deutsche Bundestag unterstützt alle Vermittlungsversuche und vertrauensbildenden Maßnahmen, die zu Gilad Shalits Freilassung führen können.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, sich weiterhin gemeinsam mit ihren Partnern mit größtem Nachdruck für die Freilassung Gilad Shalits einzusetzen.


Antrag Fraktion DIE LINKE

BT-Drucksache 17/3431

Durch einen humanitären Akt Frieden befördern – Gilad Shalit freilassen

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

Der israelische Soldat Gilad Shalit ist seit vier Jahren gefangen. Während dieser Zeit hatten weder kompetentes medizinisches Personal noch das Internationale Rote Kreuz Zugang zu Gilad Shalit. Das internationale Recht, die dritte Genfer Konvention von 1949 sieht vor, dass Kriegsgefangenen, wie anderen Gefangenen auch, ein Recht auf menschliche Behandlung haben. Sie haben ein Recht auf medizinische Betreuung und regelmäßigen Kontakt zu ihren Familien.

Der Zusammenhang zwischen der israelischen Besatzungspolitik und der Gefangennahme des israelischen Soldaten Gilad Shalit liegt auf der Hand. Gerade dieser Zusammenhang bestärkt die Rechte Gilad Shalits aus der dritten Genfer Konvention. Sie müssen ihm umgehend gewährt werden. Der Deutsche Bundestag fordert die Freilassung des gefangenen israelischen Soldaten Gilad Shalit, auch als ein notwendiges humanitäres Zeichen.

Der Deutsche Bundestag appelliert an die Hamas, die Menschenrechte zu ach- ten und dem Internationalen Roten Kreuz sofort Zugang zu Gilad Shalit zu gewähren. Eine Betreuung durch kompetentes medizinisches Personal soll umgehend sichergestellt werden. Gilad Shalit muss darüber hinaus regelmäßiger Kontakt zu seiner Familie gewährt werden.

Der Deutschen Bundestag wünscht, dass die Freilassung von Gilad Shalit auch als humanitäres Zeichen für die Freilassung palästinensischer politischer Häftlinge aufgenommen wird. Eine Vielzahl von Abgeordneten des Palästinensischen Legislativrates wie zum Beispiel Marwan Barghuti ist in Israel inhaftiert. Bundestagsabgeordnete betreuen innerhalb des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ inhaftierte palästinensische Kolleginnen und Kolle- gen. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages hoffen, dass sich die Freilassung von Gilad Shalit und die Freilassung palästinensischer politischer Häftlinge vertrauensbildend für die Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern auswirken.

Quelle: Deutscher Bundestag, www.bundestag.de




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