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Börsennotierte Rüstungsunternehmen im Aufwind

Strucks angebliches "Schlachtfest" lässt die Aktienkurse steigen

Von Anne Rieger*

Strucks "Schlachtfest" (www.stern.de) der Bundeswehr ließ den Aktienkurs von EADS am Tage der Verkündung um 3,5 Prozent steigen (www.ftd.de). Mit Headlines wie "Struck rüstet die Bundeswehr ab" (Financial Times Deutschland) und "Sparen, streichen, schließen" (Stern), ließ Struck seine "Weiterentwicklung der Bundeswehr" (www.bundeswehr.de) als angebliches Sparprogramm verkünden. Wie anders auch könnte er den von Praxisgebühr, Arbeitslosengeld- und Rentenkürzung betroffenen Menschen seinen Deal mit den Rüstungskonzernen nahe bringen.

Die profitierenden Rüstungskonzerne sind da wenig zurückhaltend: "Die Entscheidung aus Berlin ist eine große Bestätigung unseres Auftragsbuches", erläutert ein Sprecher des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS den Kern der Struck`schen Entscheidung (www.reuters.de). Ebenso beurteilt der Rüstungskonzern Rheinmetall Strucks "vorgestellte Spar-Pläne grundsätzlich positiv" (www.reuters.de). Bei der Kieler Howaldswerke Deutsche-Werft AG (HDW) sagte ein Sprecher: "Uns hat die Ankündigung sehr gefreut, dass Struck weitere U-Boote des Typs 212 alpha bestellen will." Die Aktien der meisten börsennotierten Rüstungsunternehmen legten in einem freundlichen Gesamtmarkt zu (www.reuters.de).

Aktionäre und Konzernbosse der Rüstungsindustrie reiben sich die Hände, Konzernsprecher schwärmen von "größerer Planungssicherheit". Ausdrücklich hatte der Minister erklärt, an den Plänen zur Beschaffung von 410 Schützenpanzern des neuen Typs "Puma" festzuhalten. Der "Puma" wird derzeit von Rheinmetall zusammen mit dem Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann entwickelt und ist dem Rheinmetall-Sprecher zufolge das größte laufende Entwicklungsprogramm in der Rüstungssparte von Rheinmetall. Den Bestellwert der "Puma" bezifferte er auf rund zwei Milliarden Euro. Eine Sprecherin von Krauss-Maffei Wegmann wies darauf hin, dass die von Struck genannte Stückzahl von 410 exakt den früheren Vereinbarungen entspreche. Festhalten will Struck auch an der geplanten Beschaffung von 180 Eurofightern und am Kauf von 60 Transportflugzeugen des Typs Airbus A400. An beiden Projekten ist EADS beteiligt.

Struck selbst stellte klar, was von den angeblichen Kürzungen zu halten ist: "Entgegen den veröffentlichten Meldungen vom Wochenende handelt es sich bei all dienen Umstrukturierungen nicht um Ersparnisse, sondern es geht um die Ausrichtung der Bundeswehrplanung auf die neue Struktur ... Dies führt in den nächsten Jahren zu rein planerischen Kürzungen der Betragsgröße von bis zu 26. Mrd. €" (Hervorhebung A.R.). Wie anders auch wäre es möglich, sein Angriffskonzept der Bundeswehr materiell zu unterlegen: "Mögliches Einsatzgebiet für die Bundeswehr ist die ganze Welt", ließ er uns Steuerzahler wissen. 14 000 Mann/Frau sollen künfitg dauerhaft in Auslandseinsätze entsandt werden können, doppelt so viele wie gegenwärtig. Zudem sind 35 000 Soldaten für "friedeneerzwingende " Einsätze geplant - für Kriegseinsätze also in der "ganzen Welt".

Kein Euro wird eingespart im sogenannten Verteidigungshaushalt - unserer Steuergelder werden nur umverteilt: Weniger für die Kommunen - 100 Standorte werden geschlossen, weniger für die Zivilbeschäftigten und SoldatInnen, sie werden von 282.000 auf 250.000 im Jahr 2010 verringert, 10 000 LKWs weniger - dafür mehr für die großen Rüstungskonzerne: 180 Eurofighter für 24 Mrd. €, 60 Kriegstruppentransporter Airbus A400 M für 8,3 Mrd. €, 410 Schützenpanzer Puma für 2 Mrd. € von Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegemann, 125 Transporthubschrauber NH-90 von EADS, Agusta und Fokker usw.. "Aus einer Wunschliste ist eine Vorhabenliste geworden", nennt Struck seinen Nebelvorhang, den er in aller Öffentlichkeit vor sein "Reformprojekt" Bundeswehr zieht.

Dass die Reduzierung der Bundeswehr um 35 000 Soldaten nur der äußere Schein des Bundeswehrreform ist, hatte schon die FAZ am 12.1.04 offen gelegt. Die Streichungen bei der Bundeswehr in Höhe von bis zu 25 Mrd. € "sollen mehr Geld für andere Projekte einer 'Bundeswehr im Einsatz' bringen". Dass entspricht den im Mai vergangenen Jahres erlassenen Verteidigungspolitischen Richtlinien. Dort heisst es: "Deshalb ist eine Umschichtung innerhalb des Verteidigungshaushalts zugunsten von Investitionen notwendig." Aber dabei wird es nicht bleiben. Ab 2007 wird der Verteidigungshaushalt Jahr für Jahr um weitere 800 Mio € aus unsern Steuergeldern erhöht - zugunsten von Rüstungskonzernen und ihren Aktionären - es sei denn, wir verhindern es..

* Anne Rieger, Stuttgart, ist IG-Metall-Bevöllmächtigte in Waiblingen, VVN-BdA-Landessprecherin Baden-Württemberg und eine der Sprecherinnen des Bundesausschusses Friedensratschlag.

Vgl. zu diesem Thema außerdem:
Friedensbewegung: "Struck übt sich im Tarnen und Täuschen"
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag zur neuen Bundeswehrkonzeption von Verteidigungsminister Peter Struck (14. Januar 2004)
"Wegmarken für den neuen Kurs"
Ausführungen des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Peter Struck zur Konzeption und Weiterentwicklung der Bundeswehr (13. Januar 2004)



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