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Erstaunliches Desinteresse

Die Vereinten Nationen diskutieren wieder einmal ein Verbot von Uranwaffen. Westliche Staaten wiegeln ab

Von Karin Leukefeld *

Im Hauptausschuss für Abrüstung und Internationale Sicherheit der UN-Generalversammlung wurde am vorigen Dienstag erneut über eine Resolution zum Verbot von Uranwaffen abgestimmt. Den Delegierten lag ein Bericht von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vor, in dem die »Auswirkungen des Einsatzes von Waffen und Munition mit abgereichertem Uran« erörtert werden (A/69/151). Darin äußern sich verschiedene Staaten über die Folgen von Uranwaffen in ihren Ländern. Außerdem enthält der Bericht Stellungnahmen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und des UN-Umweltprogramms (UNEP).

Die Resolution wurde mit 143 Stimmen angenommen. Dagegen stimmten Frankreich, Israel, Großbritannien und die USA; 26 Staaten, darunter auch Deutschland, enthielten sich der Stimme.

Seit 1996 befassen sich die UN-Delegierten sich mit dem Thema. Bei der letzten Abstimmung 2012 hatten noch 155 Staaten für die Resolution gestimmt. In dem neuen Text wurden die UN-Mitgliedsstaaten aufgefordert, Staaten zu unterstützen, deren Territorium durch den Einsatz von Uranwaffen verseucht wurde. Insbesondere solle geholfen werden, »verseuchte Gebiete zu identifizieren und zu sichern«. Mehr wissenschaftliche Untersuchungen sollen vorgenommen werden.

Laut UN-Pressemitteilung über die Debatte zu der Resolution wird der deutsche Vertreter Michael Biontino mit den Worten zitiert, dass man in dem Präambeltext eine Stellungnahme der IAEA vermisse. Diese besage, dass abgereichertes Uran (engl. Depleted Uranium, DU) ohnehin in der Umwelt vorkomme und allgemein keine radiologische Gefahr für die Bevölkerung darstelle. Deutschland sei der Auffassung, dass man mehr Forschung brauche. Er bedauere, dass der vorgelegte Resolutionsentwurf eine Unterstützung nicht zulasse.

Die deutsche Sektion der Internationalen Kampagne zum Verbot von Uranwaffen (ICBUW) kritisierte die Enthaltung der Bundesregierung bei der Abstimmung scharf. Sie sei »weder akzeptabel noch vernünftig«, erklärte Professor Manfred Mohr. Die Stimmenthaltung stehe »in scharfem Kontrast zu früherem Abstimmungsverhalten«. ICBUW Deutschland werde »alles unternehmen«, die deutsche Position in dieser Frage wieder zu »normalisieren«, so Mohr.

Kritik an der »paradoxen Erbsenzählerei« Deutschlands kam auch vom Koordinator der Internationalen ICBUW-Kampagne, Doug Weir. »Sie wollen mehr Untersuchungen und verhindern eine Resolution, die genau das fordert«, sagte er. Staaten, die DU einsetzten, müssten für die Folgen juristisch verantwortlich gemacht werden können. Das Desinteresse der internationalen Gemeinschaft an dem Leid der betroffenen Bevölkerung sei »erstaunlich«.

Ohne die Übergabe von Daten, wo und wieviel DU-Munition eingesetzt wurde, können solche Forderungen nicht umgesetzt werden. Insbesondere die USA weigern sich hartnäckig, Zahlen und Daten über eingesetzte Uranmunition im Irak in den Kriegen 1991 und 2003 offenzulegen. Auch zu den Waffen, die von den US- und irakischen Streitkräften 2004 bei der Belagerung der westirakischen Stadt Falludscha eingesetzt wurden, verweigert Washington jede Angabe.

Insofern waren die Neinstimmen von Frankreich, Israel, Großbritannien und den USA keine Überraschung. Im Zusammenhang mit dem jüngst neu erklärten »Krieg gegen den Terror« (des »Islamischen Staats im Irak und in der Levante«, ISIL) im Irak und in Syrien planen die US-Streitkräfte offenbar, erneut Waffensysteme für abgereichertes Uran einzusetzen.

Irak, Österreich, Irland, Costa Rica, Kuba, Indonesien und Mexiko hatten sich in der Debatte deutlich für die Resolution ausgesprochen und aus eigener Erfahrung eine Reihe wichtiger Fakten eingebracht. Norwegen hatte kürzlich erst eine aktuelle Studie von ICBUW und der niederländischen Organisation Pax zu der Frage »Maligne Effekte – Abgereichertes Uran als genotoxisches Karzinogen« gefördert.

Uran wird wegen seiner hohen Dichte zur Verbesserung der Durchschlagskraft von panzer- und bunkerbrechenden Waffen verwendet. Beim Aufprall dieser Munition auf ein Ziel entsteht unter hohen Temperaturen ein sehr feines Uranoxidaerosol in Nanopartikelgröße, das sich in der Umwelt verteilt, in den menschlichen Organismus gelangen und die DNA verändern kann.

In der ersten Dezemberwoche wird sich die UN-Generalversammlung abschließend mit der Resolution befassen. 2012 war die Vorgängerresolution mit 155 Stimmen angenommen worden.

* Aus: junge Welt, Montag, 3. November 2014



Die deutschen Sektionen der Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) und der Internationalen Kampagne gegen Uranwaffen (ICBUW) fordern in einer Petition die Bundesregierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages »nachdrücklich« auf, den Einsatz von Uranwaffen weltweit zu ächten.
Berlin solle »Herstellung, Beschaffung, Lagerung, Besitz, Finanzierung, Verkauf, Verbreitung und Transport von Uranwaffen« in Deutschland verbieten und bei den in Deutschland stationierten NATO-Truppen »darauf drängen, Einsatz, Lagerung und Transport von Uranwaffen zu unterlassen«. Im Rahmen der Vereinten Nationen (UN) solle die Bundesregierung sich für die Ächtung dieser Waffen einsetzen, und Staaten, deren Territorium durch den Einsatz von Uranwaffen kontaminiert wurde, sollten bei der Säuberung und bei der Versorgung der Opfer unterstützt werden.

Seit 1991 wurde Uranmunition unter anderem im Irak, Kosovo, in Serbien, Bosnien und Afghanistan großflächig eingesetzt, argumentieren die Verfasser der Petition. Die Zivilbevölkerung, aber auch eingesetzte Armeeangehörige seien durch die Waffen gefährdet und gesundheitlich schwer geschädigt. »Uranmunition kann (…) Nierenversagen, Lungenkrebs und Leukämie sowie schwere Fehlbildungen bei Neugeborenen verursachen«, heißt es in dem Text. Noch lange nach dem Ende von Kampfhandlungen seien Mensch und Umwelt bedroht, denn die Giftigkeit des Schwermetalls Uran und seine Radioaktivität wirkten lange nach.

Beide Organisationen haben »für die gesellschaftliche Debatte um den Einsatz einer umstrittenen Waffe« bereits 2012 eine ausführliche Studie über »Die gesundheitlichen Folgen von Uranmunition« vorgelegt. Darin werden detailliert die Folgen des Einsatzes von Uranmunition in den Kriegen auf dem Balkan und im Irak (1991 und 2003) untersucht. Erörtert werden einschlägige UN-Resolutionen aus den Jahren 2007, 2008, 2010 und 2012 und die Haltung verschiedener Staaten. Als 2001 über mögliche Gesundheitsschädigungen von Bundeswehr-Soldaten auf dem Balkan öffentlich debattiert wurde, sagte der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD): »Ein Gramm abgereichertes Uran strahlt ebenso stark wie zehn Liter Badewasser aus Badgastein.« (kl)

Hier Petition unterzeichnen! [externer Link]




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