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Rainer Arnold (SPD): "Den unbemannten Flugzeugen gehört die Zukunft" / Paul Schäfer (LINKE): "Bewaffnete Drohnen stehen für eine unheilvolle Automatisierung der Kriegsführung"

Die Drohnen-Debatte im Deutschen Bundestag (Zu Protokoll gegeben Reden)


Am 28. Februar 2013 debattierte der Bundestag über einen Antrag der Linksfraktion gegen die Anschaffung von Kampfdrohnen durch die Bundeswehr. (Der Antrag ist hier dokumentiert.) Genauer gesagt: Es fand keine Debatte statt, sondern die für den Tagesordnungspunkt vorgesehenen Rede wurden nur zu Protokoll gegeben. Es handelt sich um die folgenden Redemanuskripte:

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013

Vizepräsidentin Petra Pau:

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Keine Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr

– Drucksache 17/12437 –

Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen.

Florian Hahn (CDU/CSU):

Um eines gleich zu Beginn klarzustellen: Es steht momentan weder eine Beschaffung von unbewaffneten noch von bewaffneten Drohnen an. Die Diskussion darum, wie wir sie jetzt führen, ist noch gar nicht relevant. Die SPD hätte das Thema zugunsten ihres Wahlkampfes am liebsten sogar ganz ausgeklammert. Nicht zuletzt deshalb halte ich es auch für gut und wichtig, dass wir nun heute darüber debattieren. Gerade für die Linke besteht jedoch offensichtlich großer Erklärungsbedarf. Dies erklärt auch, warum sie die Realität komplett verkennt und von Killerwaffen spricht, die zukünftig von den Soldaten vom Sofa aus mal eben gezündet werden. Ich zitiere Frau Höger: „Zwischendurch wird vielleicht ein Computerspiel gespielt oder das Baby gewickelt.“ Das ist eine Unverschämtheit unseren Soldaten gegenüber. Lassen Sie uns doch besonders bei diesem sensiblen Thema sachlich und ehrlich bleiben.

Die Vorteile des Einsatzes von bewaffneten Drohnen überwiegen die Argumente der Zweifler und Zukunftsverweigerer. Derzeit haben wir unbewaffnete Drohnen im Einsatz, die der Aufklärung bei den Einsätzen unserer Soldaten dienen. Sie können drohende Gefahren frühzeitig erkennen und schützen somit die Truppe im Einsatz.

Skizzieren wir nun dieses Szenario ein wenig weiter: Bei einem Einsatz gerät eine Einheit in einen Hinterhalt von Terroristen. Sie sind eingekesselt und können nicht mehr entfliehen. Eine Flucht ließe sich nur unter großer Gefahr bewerkstelligen. Durch die eingesetzte unbewaffnete Drohne können mehrere terroristische Gruppen in der Umgebung aufgeklärt werden. Daraufhin wird bemannte und bewaffnete Luftunterstützung angefordert. Dadurch wird erstens ein weiterer Soldat der Gefahr eines Abschusses ausgesetzt. Zweitens vergehen viele wichtige Minuten zwischen dem Start und der Ankunft des Kampfflugzeugs im Einsatzgebiet. Minuten, die über Leben und Tod entscheiden können.

Dieses Szenario verdeutlicht den Sinn und Zweck der Anschaffung bewaffneter Drohnen. Sie dienen der Sicherheit unserer Soldaten am Boden und in der Luft. Eine Drohne hat viel längere Stehzeiten, als ein Kampfflugzeug jemals haben kann. Somit können auch langfristige Einsätze durchgängig mit bewaffneter Luftunterstützung abgesichert werden. Durch die optimale Kombination aus Aufklärung und Waffenwirkung erhöhen wir den Schutz unserer Soldaten signifikant.

Die Kritik, dass durch den Einsatz von bewaffneten Drohnen eine zu große emotionale Distanz des Soldaten zum Kampfgeschehen entsteht, halte ich nicht nur für falsch, sondern für überaus zynisch und verantwortungslos. Für falsch halte ich sie, weil auch der Pilot eines Flugzeuges dem Menschen nicht in die Augen sieht, bevor er die Rakete abschießt. Bei nahezu jeder indirekten Waffe, nicht nur bei einer Drohne, ist ein Monitor zwischengeschaltet. Der Marinesoldat, der einen Torpedo abschießt, der Schütze, der eine Interkontinentalrakete oder eine Patriot-Rakete abfeuert – alle schauen auf einen Monitor. Von daher hat jede indirekte moderne Waffe eine technische Überbrückungsmöglichkeit für denjenigen, der sie auslöst.

Den Vorwurf der emotionalen Distanz nur auf den Einsatz von Drohnen zu beziehen, ist somit sehr eingeschränkt und kurzsichtig. Was den Vorwurf aber gänzlich absurd macht, ist die Tatsache, dass auch bei herkömmlichen Flugzeugen der Pilot ohnehin nicht über den Abschuss einer Rakete entscheidet, sondern der befehlshabende Einsatzführer am Boden. Der Pilot liefert lediglich die Waffenwirkung, die meist von den Bodentruppen angefordert wird. In Afghanistan muss sogar jeder Schießbefehl vom Hauptquartier freigegeben werden. So unterscheiden sich unbemannte bewaffnete Luftfahrzeuge in ihrer Wirkung nicht von bemannten. Das soll nun aber nicht heißen, dass die Zurechenbarkeit des Abschusses nicht möglich ist. Auch diesen Vorwurf habe ich einige Male gehört, und ich halte ihn für abstrus. Am Schluss der Befehlskette entscheidet ein Mensch, eine Rakete abzuschießen, und nicht ein Roboter oder eine Maschine. Es ist nur eben nicht der Pilot.

Bis hierhin kann ich die haltlose Kritik der Linken an der Anschaffung bewaffneter Drohnen noch mit Unwissenheit und mangelndem Interesse an der Materie erklären. Was mich bei dieser Diskussion jedoch so wütend macht, ist der unverhohlene Zynismus und die Verantwortungslosigkeit gegenüber unseren Soldaten, die bei den Argumenten mitschwingen.

Ich möchte Ihnen deshalb die Frage stellen: Wieso sollten wir unsere Soldaten unnötig in Lebensgefahr bringen? Weil es nicht fair ist, dass sie dank unserer technischen Möglichkeiten ein kleineres Risiko eingehen als ihre terroristischen Gegner? Wollen wir unseren Soldaten vorwerfen, sie würden leichtfertig töten, wenn sie sich nicht direkt im Kampfgeschehen befinden? Sollen wir in Zukunft auf die Panzerung von Fahrzeugen verzichten, weil sie das Risiko für unsere Soldaten zu klein hält?

Die Einsätze belasten unsere Soldaten enorm. Es ist doch nicht nachteilig, wenn sie weniger in direkte Kampfhandlungen verwickelt werden. Außerdem kann man eine derart essenzielle Entscheidung wie den Abschuss einer Rakete besser und ausgewogener treffen, wenn man sich nicht direkt in der Kampfhandlung befindet. Angst ist nämlich nie ein guter Ratgeber. Wir dürfen außerdem auch nicht vergessen, dass es sich bei unseren Gegnern um Terroristen handelt, deren Hemmschwelle ohnehin ungemein niedriger ist als die unserer Soldaten.

Zuletzt möchte ich noch auf den Vorwurf eingehen, mit Drohnen werde gezielt getötet. Ja was denn sonst? In welcher Welt leben sie, meine Damen und Herren von den Linken? Wollen Sie mit großflächigen Bombardements in Afghanistan die Zivilbevölkerung auslöschen, nur damit Sie danach behaupten können, unsere Soldaten würden nicht gezielt töten? Wer nicht will, dass wir Unbeteiligte gefährden, der muss Waffensysteme entwickeln und einsetzen, die nicht flächig, sondern gezielt wirken. Natürlich verlangen wir von unseren Soldaten, dass sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit agieren.

Damit sind wir auch schon bei dem weiteren Kritikpunkt, bewaffnete Drohnen seien völkerrechtlich problematisch. Drohnen unterscheiden sich zunächst rechtlich in keiner Weise von anderen fliegenden Plattformen. Ob Sie eine Rakete am Boden oder von einer Drohne aus abfeuern, unterliegt den gleichen Regeln. Natürlich ist es so, das zeigt auch die Realität, dass jedes Waffensystem auch völkerrechtswidrig eingesetzt werden kann, auch eine Drohne. Sie sollten jedoch nicht von der Einsatzart und der Einsatzmethode anderer Staaten auf das Einsatzmittel selbst schließen. Es ist ausschlaggebend, für welchen Zweck und mit welcher Legitimierung wir eine Drohne nutzen. Grundlage für jeden deutschen Einsatz sind die Einsatzregeln und letztlich unser Grundgesetz. Und daran halten wir uns.

Ich denke, meine Darlegung der Argumente für die Anschaffung bewaffneter Drohnen haben Sie teilweise und in anderer Form auch schon von unserem Minister gehört. Ich kann mich da nur wiederholen: Die Zukunft der Fliegerei wird in den nächsten 50 Jahren auch von der unbemannten Luftfahrt geprägt sein. Der Krieg der Zukunft wird vermehrt durch bewaffnete Drohnen geführt werden. Wir können es uns nicht leisten, als Anlehnungsmacht im europäischen Gefüge auf die Drohnentechnologie zu verzichten. Deshalb ist es mir ein Anliegen, dass wir unsere deutschen und europäischen Kompetenzen für die zukunftsweisende Forschung und Entwicklung in diesem Bereich nutzen. Es liegt an uns, ob wir uns fortschrittspessimistisch und technologiefeindlich gegen alles Neue verwehren oder ob wir neue Technologien als Chance für unsere Zukunft und für die Sicherheit unseres Landes begreifen.

Rainer Arnold (SPD):

Den unbemannten Flugzeugen – zivil und militärisch – gehört die Zukunft: Sie sind verhältnismäßig preiswert, brauchen weder fliegendes Personal noch teuren Eigenschutz. Die Vorteile von Drohnen sind unbestritten, gerade im Bereich der Aufklärung haben sie einen besonders großen Nutzen. Auf der ILA in Berlin konnten Besucher unlängst Drohnen verschiedenster Größe und Bauart gleich in zweistelliger Zahl betrachten. Wer hier vonseiten der Industrie nicht mithält, ist aus dem Rennen.

Das heißt aber nicht, dass die Politik deshalb unter Zugzwang steht. Das Vorhaben der Bundesregierung, jetzt bewaffnete Drohnen zu beschaffen, macht politisch überhaupt keinen Sinn. Die Bundeswehr hat weder eine Fähigkeitslücke noch verfügt die Luftwaffe über ein Konzept, in welchen Szenarien Drohnen notwendig sind und wie sie eingesetzt werden sollen. Es gibt derzeit in Europa nicht einmal Regularien, wie Drohnen in den Luftraum integriert werden können. Deshalb gilt gerade hier der Satz: Eile mit Weile.

Bevor über solche Systeme entschieden wird, brauchen wir eine gesellschaftspolitische Debatte darüber, ob, wann und wie wir bewaffnete Drohnen einsetzen wollen. Hier stehen völkerrechtliche und ethische Fragen im Vordergrund. Die illegalen Drohnenangriffe der USA in Jemen und Pakistan verdeutlichen, wie notwendig es ist, solche Einsätze einzugrenzen, ob im Völkerrecht oder durch Instrumente der Rüstungskontrolle.

Bewaffnete Drohnen sind eben keine unbemannten Flugzeuge, sie sind mehr. Sie sind der Einstieg in eine vollautomatisierte Kriegsführung. Wir müssen uns doch fragen, ob Parlamente und Regierungen ohne das Risiko, die eigenen Soldaten zu gefährden, nicht schneller über Auslandseinsätze entscheiden. Werden militärische Befehlshaber nicht rascher einen tödlichen Einsatz anordnen nach dem Motto „kill before capture“, verändert sich nicht auch die Kriegsführung der Militärs?

Die Gefahr, dass am Ende dieser technologischen Entwicklung automatisierte Systeme stehen, die vom Schreibtisch aus auf bestimmte Merkmale hin programmiert und eingesetzt werden, sehe ich mit großer Besorgnis. Zu dieser Debatte gehört deshalb eine klare völkerrechtliche Ächtung von vollautomatisierten Systemen. Wenn die Bundesregierung glaubt, sich diese Fragen nicht stellen zu müssen, ermuntert sie uns Sozialdemokraten, hier ganz genau draufzuschauen.

Sollte sich am Ende dieser Debatte erweisen, dass bewaffnete oder waffenfähige Drohnen einen wichtigen und angemessenen Beitrag zu einer umfassenden Sicherheits- und Verteidigungspolitik darstellen, kann immer noch eine gezielte Entwicklungskooperation zwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschland eingeleitet werden. Ein Kauf von der Stange auf dem amerikanischen Markt würde den Weg für eine mögliche europäische Lösung erschweren, wenn nicht gar verbauen. So lange kann die Bundeswehr ohne Schwierigkeiten die bislang geleasten Aufklärungssysteme Heron weiterverwenden. Weil Frankreich über die gleichen Systeme verfügt, ist eine europäische Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich bei der Entwicklung von Drohnen auch später immer noch möglich. Das würde auch industriepolitisch Sinn machen. Was die Fraktion Die Linke allerdings zu diesem Thema beiträgt, ist fern aller Wirklichkeit. Wenn ich den Kopf in den Sand stecke, lösen sich Probleme nicht von selbst.

Rainer Erdel (FDP):

Es ist nicht ganz drei Wochen her, da haben Sie, liebe Kollegen von der Linken, das Thema Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten sogenannten Drohnen in einer aktuellen Stunde im Bundestag diskutieren lassen. Alle Fraktionen haben die Möglichkeit genutzt, ihre jeweiligen Positionen auszutauschen. Mehrfach wurde betont, dass die Debatte über den Einsatz von bewaffneten unbemannten Luftfahrzeugen noch am Anfang steht. Ich bin daher sehr verwundert, dass Sie mit Ihrem Antrag die Debatte bereits beenden wollen, bevor wir sie überhaupt richtig angefangen hat. Unsere Position als FDP ist klar: Wir wollen und werden uns der Debatte nicht verschließen, weil wir davon überzeugt sind, dass sie im Sinne unserer Parlamentsarmee genau hier im Bundestag geführt werden muss.

Wir sind aber auch der Meinung, dass die Debatte über die Beschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr auch auf der richtigen Grundlage geführt werden sollte. Diese Grundlage kann nur in einer klaren sicherheitspolitischen Begründung des Verteidigungsministeriums zur Beschaffung und Nutzung solcher Systeme bestehen.

Fakt ist, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Linken: Unbemannte Systeme stellen einen wesentlichen Technologiesprung in der Luftfahrt dar. Dabei ist es unwesentlich, ob es sich um eine kleine Drohne oder ein unbemanntes Luftfahrzeug von der Größe eines A319 handelt. Unabhängig von einem militärischen Einsatz sind unbemannte Luftfahrzeuge in der Lage, eine langandauernde und großräumige Überwachung sicherzustellen und dabei sehr detaillierte Informationen zu liefern. Bereits heute werden unbemannte Systeme bei großen Menschenansammlungen in Deutschland genutzt, um tragische Ereignisse wie etwa bei der Loveparade in Duisburg vermeiden zu helfen. Auch bei der Meereserkundung und speziell der Verschmutzungskontrolle der Meere werden unbemannte Systeme bereits genutzt. Die Technologie bietet eben gerade durch den Verzicht auf lebenserhaltende Systeme im Flugzeug kostengünstige Chancen. Die Bedienung sowie die zeitnahe Auswertung der Daten vom Bodenpersonal ist besser zu gestalten, als dies vom fliegenden Personal zu leisten ist.

Aus diesen Erkenntnissen heraus bietet sich eine militärische Nutzung an. Im Einsatz werden die unterschiedlichen Ausführungen von unbemannten Luftfahrzeugen bereits genutzt. Ob Aladin oder Heron 1: Alle Systeme haben ihre Leistungsfähigkeit und ihren Mehrwert für die Bundeswehr bewiesen. Und es stellt sich natürlich die Frage, ob nicht dort, wo heute bemannte Flugzeuge, wie zum Beispiel bei der Unterstützung aus der Luft, künftig unbemannte Systeme zum Einsatz kommen können.

Ihren Ansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, vom Drohneneinsatz der US-Streitkräfte als auch des US-Geheimdienstes auf den Einsatz der Bundeswehr mit solchen Systemen zu schließen, kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Sie schreiben zum Beispiel in Ihrem Antrag, dass unbemannte Luftfahrzeuge konzipiert seien, um über neutralem Gebiet eingesetzt zu werden. Alleine die Tatsache, dass diese Systeme im Einsatz sind, bedeutet doch nicht, dass sie sich in einem rechtsfreien Raum bewegen. Sie unterliegen den Rules of Engagement.

Auch führen Sie das Thema „gezielte Tötungen“ ins Feld. Auch hier wird offenbar angenommen, dass sich die Bundeswehr ebenso wie die US-Streitkräfte verhalten würde, wenn sie in den Besitz solcher Systeme käme. Ich frage mich, woher Sie diese Gewissheit nehmen. Bereits heute können präzise Schläge durch die Bundeswehr ausgeführt werden. Dies geschieht immer auf der Basis unseres Grundgesetzes und deshalb sind Einsätze wie Sie sie unterstellen, auch heute durch den Bundestag nicht mandatierbar. Ich frage mich daher: Warum fehlt Ihnen das Vertrauen in das Parlament? Ich bin der festen Überzeugung, dass das Thema unbemannte Luftfahrzeuge uns in Zukunft noch stärker als bisher beschäftigen wird. Gerade auch mit Blick auf die enormen zivilen Nutzungsmöglichkeiten sollten wir nicht den Fehler machen, uns hier Denkverbote zu verordnen.

Die bisherigen Erfahrungen mit dem Einsatz unbewaffneter Drohnen in Afghanistan sind darüber hinaus überaus positiv. Sie bieten unseren Soldatinnen und Soldaten letzten Endes ein deutliches Plus an Sicherheit. Gerade bei der militärischen Nutzung muss aber klar sein, was wir mit bewaffneten Systemen im Einsatz machen wollen. Hier muss eine klare sicherheitspolitische Begründung stehen, die letztendlich auch mit dem humanitären Völkerrecht im Einklang stehen muss.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):

Um es gleich vorwegzunehmen: Drohnen sind nicht per se Teufelszeug. Das behauptet hier auch keiner. Und natürlich ist in erster Linie der Mensch bzw. die Regierung verantwortlich, die den Einsatz von bewaffneten Drohnen befiehlt.

Aber tun wir doch auch nicht so, als ob Technologie und insbesondere Waffentechnologie immer nur neutral ist. Unsere Auffassung ist, dass bewaffnete Drohnen als neue Waffentechnologie in ähnlicher Weise wie Atomwaffen, Landminen oder Streumunition nur nachteilige Konsequenzen haben werden. Zudem ändert sich der Blick der politischen und militärischen Führung auf den Waffeneinsatz. Drohnen schaffen neue, vermeintlich attraktive Optionen für den Einsatz von Gewalt und senken damit die Hemmschwelle. Die Bundesregierung sollte deswegen auf die Beschaffung solcher Waffensysteme verzichten.

Nach einem Jahrzehnt Kampfdrohnen im Einsatz – vor allem der US-Drohnen in Afghanistan, Pakistan oder Jemen – sieht man doch ganz klar, wohin die Reise geht: Kampfdrohnen braucht man nicht zur Landesverteidigung, auch nicht zur Grenzsicherung. Nein, bewaffnete Drohnen machen vor allem Sinn für offensive klandestine Operationen in Drittstaaten, das heißt also in der Regel unter Verletzung der Souveränität des Staates. Wichtiger noch: Bewaffnete Drohnen verleiten die Streitkräfte zu einer Form von Menschenjagd, die immense zivile Opfer in Kauf nimmt und sich oft genug außerhalb des Rechts abspielt.

Akkurate Zahlen sind leider nicht bekannt – die Geheimhaltung macht einen Strich durch die Rechnung. Außerdem machen es sich USA und NATO leicht, indem sie pauschal jede männliche Person im kampffähigen Alter den Terroristen oder Aufständischen zurechnen.

Die pakistanische Regierung geht davon aus, dass in den vergangenen vier Jahren 22 al-Qaida-Kommandeure und 800 Zivilisten durch Drohnenangriffe in ihrem Land getötet wurden. Das Bureau of Investigative Journalism kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen 2 500 und 3 300 Menschen in Pakistan seit 2004 durch Drohnen getötet worden sind, davon zwischen 470 und 880 Zivilisten, inklusive 176 Kinder. Hinzu kommen noch mehr als tausend Verletzte.

Jetzt kann man zynisch mit den Schultern zucken und sagen: So ist das eben im Krieg und bei der Bekämpfung des Terrorismus. Damit liegt man aber falsch: Zum einen herrscht weder in Pakistan, Jemen oder Somalia völkerrechtlich gesehen Krieg. Zum anderen gilt Terrorismus hoffentlich auch noch bei den anderen Fraktionen hier im Bundestag als krimineller Akt, der vor Gericht zu ahnden ist und nicht per ferngesteuerter Rakete.

Das Problem liegt doch auf der Hand: „Gelegenheit macht Diebe“ gilt eben auch für die Militärs. Im Kern dominiert bei den USA, aber auch den anderen NATO-Staaten die Einstellung „Wir tun es, weil wir es können“. Aus militärischer Sicht scheint sich eine Automatisierung der Kriegsführung zu rechnen: Die Waffensysteme kosten weniger, man kann Personal einsparen, und es ist sicherer für die eigene Armee.

Das ist eine Milchmädchenrechnung – und das wissen Sie. Diese geht nur auf, solange die Asymmetrie bestehen bleibt. Hier die USA, die NATO und ihre Verbündeten, die alles können und dürfen, dort die Aufständischen und anderen Streitkräfte, die mit ein paar Raketenwerfern und Gewehren zurückschießen. Es wird ein böses Erwachen geben, wenn andere Staaten anfangen, bewaffnete Drohnen nach dem gleichen Muster einzusetzen wie die USA und die NATO-Staaten.

Andere Staaten sind schon dabei, aufzurüsten und mehr in Drohnentechnologie zu investieren. Das führt zu einer gefährlichen Aufrüstungsspirale vor der Haustür. Das mag gut für die Rüstungsindustrie sein; es ist aber schlecht für die Menschen. Und dabei sollte nicht vergessen werden, dass Drohnen auch Massenvernichtungswaffen transportieren können.

Auf sämtliche dieser Risiken hat im Übrigen auch der Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2011 hingewiesen. Leider haben wohl weder die Regierungsfraktionen noch das BMVg den Bericht gelesen. Das sollte nachgeholt werden.

Bewaffnete Drohnen stehen für eine unheilvolle Automatisierung der Kriegsführung. Verteidigungsminister de Maiziére kann noch so oft betonen, dass immer ein Mensch die Entscheidungen treffen wird: Allein die steigende Informationsflut und die Leistungsfähigkeit der Computer wird zur Verselbstständigung der Drohnen führen. Im Englischen bereits so griffig als „man in the loop“, „man on the loop“, „man out of the loop“ bezeichnet. Am Ende steht der Waffeneinsatz aufgrund einer automatischen Computerauswertung von Bewegungsprofilen. Klingt bekannt, klingt nach moderner Variante der Selbstschussanlage an der Mauer. Für mich klingt das erschreckend. Ungeachtet dessen hat Verteidigungsminister de Maiziére klargestellt, dass die Bundeswehr jetzt auch hier mitspielen will.

Deutsche Firmen stehen schon in den Startlöchern. Rheinmetall, Diehl und EADS haben entsprechende Vereinbarungen mit ausländischen Drohnenherstellern getroffen. Mit Hunderten von Millionen Euro soll mitgerüstet werden, egal ob man für die Sicherheit Deutschlands diese Drohnen braucht oder nicht. Denn auch dem Verteidigungsminister sind außer Sicherung von Geiselbefreiungen oder Patrouillen in besetzen Gebieten keine sinnvollen Szenarien eingefallen.

Unsere Position als Linke ist klar: Statt mitzurüsten, ist es an der Zeit, über Rüstungskontrolle, Abrüstung und vertrauensbildende Maßnahmen nachzudenken. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, jetzt ein klares Zeichen zu setzen und auf die Beschaffung von Kampfdrohnen zu verzichten.

Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Bislang nutzt die Bundeswehr Drohnen ausschließlich zu Aufklärungszwecken. Der Verteidigungsminister hat jedoch angekündigt, bald über die Beschaffung waffenfähiger Drohnen entscheiden zu wollen. Dabei zeichnet sich klar ab, in welche Richtung diese Entscheidung gehen soll. Wiederholt hat Minister de Maizière erklärt, dass er bewaffnete Drohnen für ethisch neutral hält und ihr Einsatz nur Vorteile bringe. Über die Risiken, die mit diesem neuen Waffensystem verbunden sind, verliert er kein Wort, ebenso wenig wie über die Möglichkeiten und den Bedarf an internationalen Regeln, obwohl diese dringend geboten wären. Ein lapidarer Verweis auf bestehendes Völkerrecht entschuldigt diese Ignoranz keinesfalls.

Vor der Beschaffung eines neuen bewaffneten Systems muss genau geprüft werden, ob dieses wirklich erforderlich ist und welche Folgen sein Besitz und möglicher Einsatz nach sich ziehen. Die gegenwärtige Praxis zeigt: Der zunehmende Einsatz ferngesteuerter Waffensysteme hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Kriegsführung, fordert zahlreiche zivile Opfer und führt zu einer Entgrenzung der Kriege.

Die USA verüben mithilfe bewaffneter Drohnen „gezielte Tötungen“ außerhalb von bewaffneten Konflikten, die – und das muss man doch auch mal klipp und klar sagen – völkerrechtswidrig sind! Gleichzeitig fördert der zunehmende Einsatz von Kampfdrohnen die Eskalation bewaffneter Konflikte und treibt die Rekrutierung neuer Kämpfer in terroristischen Netzwerken voran.

Die von den USA durchgeführten Drohneneinsätze in Pakistan, in Somalia und im Jemen machen deutlich, wie schnell die Hemmschwelle zur Anwendung bewaffneter militärischer Gewalt bei den politischen Entscheidungsträgern sinkt, wenn die eigenen Streitkräfte dabei kein Risiko eingehen müssen. Vor dem 11. September 2001 erklärte die damalige US-Administration die von Israel durchgeführten gezielten Tötungen mit bewaffneten Drohnen noch für illegitim. Heute steigt die Zahl der völkerrechtswidrigen Drohnenangriffe unter US-Präsident Obama rasant an.

Deutschland sollte sich für eine Beendigung dieser gezielten Tötungen einsetzen. Wo Völkerrecht gebrochen wird, erwarte ich klare Worte und nicht Stillschweigen von dieser Bundesregierung!

Diese höchst bedenkliche und gefährliche Entwicklung in den USA muss uns zum Nachdenken über die grundsätzliche Frage bewegen, welchen Einfluss die Verfügbarkeit bestimmter Waffensysteme und Fähigkeiten auch auf die politischen Entscheidungen über den Einsatz militärischer Mittel haben kann. Denn bewaffnete Drohnen werden de facto eben nicht wie gewöhnliche Waffensysteme eingesetzt, sondern immer wieder wird bei ihrem Einsatz gegen geltendes Völkerrecht verstoßen. Diese Realität kann man nicht ausblenden!

Dem völkerrechtswidrigen Einsatz von bewaffneten Drohnen muss endlich entgegengewirkt werden. Die klaffenden Lücken in der Rüstungskontrolle müssen geschlossen werden. Anstatt sich in eine riskante Spirale des Wettrüstens zu begeben und schwammige Lippenbekenntnisse zur Rüstungskontrollpolitik zu machen, erwarte ich von der Bundesregierung klare Initiativen auf internationaler Ebene.

So müssen wir auch verbindliche Regeln finden, die die Gefahr einer Proliferation unbemannter waffenfähiger Systeme an Staaten oder substaatliche Akteure eindämmen. Und wir müssen dem Problem begegnen, dass die technische Entwicklung zu immer komplexeren Systemen führt, bei denen mehr und mehr Entscheidungsprozesse auf Basis von Programmierungen ablaufen, in die der Mensch nicht mehr involviert ist. Stimmen aus den USA zeigen, dass die Entwicklung dort genau in diese Richtung gehen soll. Aber damit wird es zunehmend schwieriger, Verantwortlichkeiten beim Verstoß gegen geltendes humanitäres Völkerrecht zuzurechnen und schließlich auch zu ahnden. Hier tun sich also völlig neue Risiken auf, wie mühsam errungene Regeln zur Einhegung der Kriegsführung ausgehebelt werden können. Das kann und darf in niemandes Interesse sein.

Deshalb setzten wir uns dafür ein, auf Ebene der Vereinten Nationen Regeln und Restriktionen für den Einsatz von bewaffneten unbemannten Systemen zu setzen, um die Aufrüstung einzudämmen und einer Zunahme bewaffneter Gewalt vorzubeugen. Der Einsatz bewaffneter unbemannter Systeme muss international so reguliert werden, dass das Gebot des Schutzes der Bevölkerung, das Unterscheidungsgebot und das Verhältnismäßigkeitsgebot in vollem Umfang erfüllt sind – das gilt ganz besonders für weitere technologische Entwicklungen.

Diese schwarz-gelbe Bundesregierung hat nur unkritisch den eigenen Beschaffungswunsch im Blick und verschließt ihre Augen vor den gravierenden Verletzungen von wichtigen völkerrechtlichen Normen, die nur durch die neue Technologie von unbemannten bewaffneten Systemen in diesem Ausmaß möglich geworden sind. Das finde ich unerträglich!

Meine Damen und Herren von der Koalition, eine solche Politik, die vor allem von einer Logik des Wettrüstens getrieben ist und die gravierenden negativen Folgen des Einsatzes bewaffneter Drohnen ausblendet, tragen wir Grüne nicht mit.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/12437 an den Verteidigungsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Quelle: Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 225. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013, S. 28124 - 28129 (Plenarprotokoll 17/225).
Im Internet: dip21.bundestag.de/dip21/btp/17/17225.pdf



"Kampfdrohnen werden für die Landesverteidigung der Bundesrepublik Deutschland nicht benötigt"

Dokumentiert: Antrag der Linksfraktion im Deutschen Bundestag

Am 28. Februar 2013 debattierte der Bundestag über einen Antrag der Linksfraktion gegen die Anschaffung von Kampfdrohnen durch die Bundeswehr. Das Protokoll der Debatte ist oben nachzulesen: Im Folgenden dokumentieren wir den Antrag der LINKEN.


Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, 21. 02. 2013 (Drucksache 17/12437):

Antrag

der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dagdelen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Keine Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Kampfdrohnen werden für die Landesverteidigung der Bundesrepublik Deutschland nicht benötigt. Trotzdem erwägt das Bundesministerium der Verteidigung derzeit die Beschaffung von bewaffneten Drohnen. Der Bundes- minister Dr. Thomas de Maizière hat bereits angekündigt, im Frühjahr 2013 darüber entscheiden zu wollen.

2. Kampfdrohnen sind gegenwärtig vor allem für militärische Operationen kon- zipiert, die in feindlichen oder neutralen Gebieten erfolgen und deren Ziele nicht fremde Streitkräfte sind, sondern Einzelpersonen bzw. kleine Gruppen. Der Einsatz der Kampfdrohnen während des Angriffs auf den Irak 2003 und während der US-Besetzung des Iraks bis 2011 sowie der Einsatz im Rahmen des US-geführten Krieges gegen den Terrorismus, insbesondere in Afghanis- tan und Pakistan, zunehmend aber auch in anderen Weltregionen, belegen die ethischen und rechtlichen Probleme, die mit dem Einsatz einer solchen Waffe verbunden sind: „gezielte Tötungen“, Töten auf Verdacht, Angst und Ein- schüchterung der Bevölkerung ganzer Regionen. Bei den Drohneneinsätzen werden regelmäßig Zivilisten getötet. Über die Opferzahlen gibt es unter- schiedliche Angaben, sie stimmen aber in der Größenordnung überein: Allein für Pakistan gehen die meisten Studien von mehreren Hundert getöteten Zivilisten aus. Im Zuge des sogenannten Kriegs gegen den Terror sind Kampfdrohnen zudem ein Symbol für die Missachtung staatlicher Souverä- nität im globalen Süden geworden. Da es sich meist um verdeckte Missionen von US-Geheimdiensten handelt, haben die Regierungen in den Einsatzlän- dern keinen Einfluss auf die Art und Weise, wie Kampfdrohnen auf ihrem Territorium operieren.

3. Kampfdrohnen stehen nicht nur für eine weitgehende Aushebelung völker- rechtlicher Standards in den Konfliktgebieten, sondern auch für eine erheb- liche Lücke in der Rüstungskontrolle. Obwohl Drohnen ähnliche Eigenschaf- ten haben können wie Marschflugkörper und neben konventionellen Waffen auch Massenvernichtungswaffen transportieren können, fehlt es bislang an effektiven Kontrollmechanismen für dieses Trägersystem. Es droht ein riskantes Wettrüsten, das die Gefahren der Proliferation an andere Staaten und an substaatliche Akteure beinhaltet. Der Besitz von Kampfdrohnen kann die Hemmschwelle für technologisch fortgeschrittene Staaten, Krieg zu führen, gefährlich herabsetzen und beschleunigt gleichzeitig die Motivation der jeweiligen Gegenseite, Drohnensysteme zu erwerben. Eine solche Rüstungs- spirale beinhaltet auch die Gefahr, dass sich die bereits absehbaren Tenden- zen der Automation und Autonomisierung solcher Systeme rasant fortsetzen und damit auch zur Automatisierung einer militärischen Eskalation führen können.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
  1. auf die Beschaffung und die Nutzung von bewaffneten unbemannten fliegen- den Systemen (Drohnen) durch die Bundeswehr zu verzichten;
  2. Forschung, Entwicklung, Produktion und Ex- und Import von bewaffneten unbemannten fliegenden Systemen (Drohnen) zu verbieten;
  3. sich auf internationaler Ebene für eine Konvention zur umfassenden Ächtung solcher Waffensysteme einzusetzen und als ersten Schritt dahin wirksame Rüstungskontrollvereinbarungen auf dem Gebiet der Drohnentechnologie und der entsprechenden Technologietransfers zu befördern.
Berlin, den 21. Februar 2013
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Quelle: Deutscher Bundestag, Drucksache 17/12437; www.bundestag.de


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