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FRONTEX - Europas Grenzwächter-Armee

Von René Heilig *

»Wir schicken keine Menschen auf hoher See zurück", empört sich Michal Parzyszek. Er ist Sprecher der Europäischen Grenzagentur - kurz FRONTEX genannt. »Wer in Not ist und Flüchtling ist, hat einen Anspruch auf Aufnahme, und wer auf hoher See ist, wird nicht zurückgeschickt, sondern es gelten die Regeln der Genfer Konvention.« Das sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), als er von Report Mainz zu Abfangmanövern im Rahmen der FRONTEX-Operation »Hera 2008« gefragt wurde. Davon, dass allein bei dieser Operation, die parallel zur Operation »Nautilus 2008« lief, 5969 Menschen auf See abgefangen und nach Afrika zurückgeschickt worden sind, wisse er nichts.

Es mag sein, dass ihm solche Details nicht auf den Tisch kommen. Doch dass Deutschland die »Festung Europa« im vordersten Graben gegen die Ärmsten der Armen »verteidigt«, kann gerade ihm nicht entgangen sein. Offiziell scheint der deutsche Beitrag für FRONTEX gering: Vier Hubschrauber, zwei Boote in Nordund Ostsee, ein paar Experten und ein abrufbares Sofort-Team von 50 Bundespolizeibeamten. Realistischer wird es, wenn man sich den Außengrenzenfonds 2007 bis 2013 der EU anschaut. 1,82 Milliarden Euro sind vorgesehen. 1,543 Milliarden Euro werden den Mitgliedstaaten »entsprechend der Belastung jedes Staates durch die Kontrolle der Außengrenzen und die Visumpolitik« zugeteilt. 60 Millionen Euro fließen direkt zu FRONTEX, um »besondere Maßnahmen an strategischen Punkten der Außengrenzen auf der Grundlage einer von der FRONTEX-Agentur durchgeführten Risikoanalyse« zu garantieren.

Deutschland lässt sich nicht »lumpen«. 84 Millionen Euro »für den weiteren schrittweisen Aufbau des gemeinsamen integrierten Grenzschutzsystems« kommen aus Berlin. Die Bundesrepublik arbeitet Vorschriften aus, vernetzt Computersysteme. Das Geld wird auch verwandt zum Ankauf von Ausrüstung, »mit der die Sicherheit der EU-Außengrenzen verbessert werden soll«. Genannt werden in EU-Dokumenten unter anderem Spezialgeräte für den Einsatz in Hubschraubern und biometrische Lesegeräte zur Erkennung gefälschter Dokumente.

Der Außengrenzenfonds ist nur eines von vier Finanzinstrumenten des Programms »Solidarität und Steuerung der Migrationsströme«, mit dem eine »angemessene Lastenteilung unter den Mitgliedstaaten bei der Einführung des integrierten Grenzschutzsystems und der Umsetzung der gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik« angestrebt wird.

Nach Angaben der UNO versuchten im vergangenen Jahr 67 000 Menschen, Europa auf dem Seeweg zu erreichen. Wie viele Menschen den Versuch mit ihrem Leben bezahlen, ist unbekannt.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Oktober 2009


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