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Klares Zeichen in Straßburg

Europaparlament stimmt für Einführung der Finanztransaktionssteuer

Von Ina Beyer *

Mit breiter Mehrheit hat das Europäische Parlament am Dienstag in Straßburg für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS) gestimmt. Damit kommt neue Bewegung in die Debatte um die gesetzliche Abgabe auf Finanztransaktionen.

Das Abstimmungsergebnis war eindeutig: 529 EU-Parlamentarier stimmten für die Einführung der Steuer, 127 dagegen. Nun ist die EU-Kommission gefragt. Diese müsse jetzt möglichst rasch und ohne weitere Verzögerungen etwa durch neue Studien einen entsprechenden Gesetzesentwurf für die FTS ausarbeiten, hieß es bei den Befürwortern.

Die Initiative ist politisch wichtig, hat aber keine rechtliche Auswirkung. Die Abstimmung im Parlament sollte deshalb dazu beitragen, den Druck auf die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zu erhöhen, die umstrittene Steuer endlich einzuführen. Bei Steuerfragen haben innerhalb der Union die Nationalstaaten das letzte Wort, und damit die Finanzminister. »Die Finanzminister müssen jetzt endlich Nägel mit Köpfen machen«, forderte der österreichische Abgeordnete und Fraktionsvize der Europäischen Volkspartei Othmar Karas.

Bei der FTS würde auf jede Finanztransaktion eine Abgabe in Höhe von mehreren Hundertstel-Prozent erhoben. Dies soll dazu beitragen, hochspekulative Geschäfte an den Finanzmärkten einzudämmen und letztere dadurch zu stabilisieren. Trotzdem das Instrument seit der Hochzeit der Finanzkrise 2008 breit diskutiert wurde, tat sich bislang wenig.

In den vergangenen Wochen forderten europaweite 500 000 UnterzeichnerInnen einer Online-Petition die EU-Parlamentarier auf, dem Bericht der Abgeordneten Anna Podimata von der Allianz der progressiven Sozialdemokraten zuzustimmen, der am Dienstag vor der Abstimmung diskutiert wurde. Neben dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac, das die Einführung der FTS zu seinen Gründungsforderungen gemacht hatte, riefen dazu auch weitere zivilgesellschaftliche Organisationen in ganz Europa auf.

Attac begrüßte das Abstimmungsergebnis. »Das lange Bohren dicker Bretter hat sich gelohnt. Das ist ein echter Durchbruch«, sagte gestern Detlev von Larcher, Mitglied im Attac-Koordinierungskreis. Auch der linke EU-Abgeordnete Jürgen Klute hob die Bedeutung der Positionierung hervor. Das »klare Zeichen« aus Straßburg zeige unter anderem auch, dass die EU-Parlamentarier die fiskalpolitische Erfassung der Finanzbranche »als logischen und unverzichtbaren Teil jeder wirksamen Re-Regulierungsbemühung der Politik« auffassten.

Unterdessen bahnt sich in der deutschen schwarz-gelben Bundesregierung neuer Streit um die Steuer an. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in der vergangenen Woche angekündigt, man wolle gemeinsam mit Österreich die FTS auf der Tagesordnung halten und dafür werben, dass sie von allen Euro-Ländern akzeptiert werde.

Die FDP ist weiter strikt gegen die Steuer. Nur wenn alle 27 EU-Mitgliedstaaten der Einführung zustimmen, will sie mitziehen. Dies droht jedoch am Widerstand Schwedens und Großbritanniens zu scheitern.

Die Steuer könnte EU-weit jährlich Einnahmen von 200 Milliarden Euro bringen. Ungeklärt ist bislang auch, was mit dem Geld passieren soll. Während etwa Attac fordert, die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen damit zu finanzieren, fordern andere Stimmen, das Geld in die Kassen der krisengebeutelten EU-Staaten fließen zu lassen.

Zahlen & Fakten

Bislang ist in keinem Land die Finanztransaktionssteuer eingeführt worden. Politisch umstritten ist sie unter anderem auch deshalb, weil ihre Gegner davon ausgehen, dass die einseitige Einführung der Steuer an nur einzelnen Finanzplätzen diese ins Hintertreffen geraten lassen könnte. Befürchtet wird, dass Händler auf abgabenfreie Märkte ausweichen könnten. Andererseits kritisieren die Befürworter der Steuer, dass der Verweis auf die möglichen Gefahren von den Gegnern vor allem deshalb vorgeschoben wird, um die Steuer möglichst weiter hinauszögern zu können. IB



* Aus: Neues Deutschland, 9. März 2011


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