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Die neue EU-Verfassung ist da

Auf dem EU-Gipfel wurden noch einige Änderungen vorgenommen - Außen- und Sicherheitspolitik im Wesentlichen bestätigt

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) haben am 18. Juni 2004 den Kompromissvorschlag der irischen EU-Ratspräsidentschaft zum Verfassungsentwurf angenommen. Die Bundesregierung schreibt dazu auf ihrer Website (www.bundesregierung.de) u.a.:

Dies sei eine historische Entscheidung, betonte Bundeskanzler Gerhard Schröder bei einer anschließenden Pressekonferenz in Brüssel. Europa sei mit dieser Zäsur einiger und politisch führbarer geworden, so der Kanzler. Damit könne Europa seine gewachsene politische und wirtschaftliche Rolle in der Welt stärker wahrnehmen.

Die Verabschiedung der Verfassung bedeute zugleich ein wichtiges Signal für die Einigungsfähigkeit der EU, sagte Schröder. Deutschland habe immer auf Fortschritte bei der Integration gedrängt. Um sie voranzubringen, war Kompromissbereitschaft erforderlich. Schröder begrüßte ausdrücklich, dass es gelungen ist, das Prinzip der Doppelten Mehrheit bei Abstimmungen im EU-Ministerrat einzuführen.
(...) Auf Vorschlag des irischen EU-Ratspräsidenten Bertie Ahern haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf folgende Kompromisse geeinigt:
  • Im Ministerrat werden Beschlüsse in Zukunft nach dem Prinzip der Doppelten Mehrheit angenommen: Eine qualifizierte Mehrheit liegt vor, wenn 55 Prozent der Länder zustimmen, die gemeinsam 65 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung repräsentieren. Um eine Entscheidung zu verhindern, bedarf es mindestens vier Staaten (so genannte Sperrminorität).
  • Bis 2014 soll jedes Land einen Kommissar stellen. Danach wird die Zahl auf zwei Drittel der Mitgliedsstaaten beschränkt.
  • Die Anzahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament wird auf 750 begrenzt, wobei die kleineren Länder nicht weniger als sechs und die großen nicht mehr als 96 Abgeordnete entsenden. Deutschland verfügt gegenwärtig über 99 Sitze im Europäischen Parlament.
  • Beim Stabilitäts- und Wachstumspakt hat man sich darauf geeinigt, dass auf Vorschlag der EU-Kommission der Rat der EU ein übermäßiges Defizit in einem Land feststellt. Die Einleitung des Defizitverfahrens soll dann auf Empfehlung der EU-Kommission eine qualifizierte Mehrheit der Länder beschließen, die über drei Fünftel der gesamten EU-Bevölkerung verfügt.
  • Einen direkten Gottesbezug wird es in der Verfassung nicht geben. Vielmehr hat man sich auf einen allgemeinen Verweis auf die religiösen und kulturellen Traditionen Europas geeinigt.
Die Verfassung stelle eine Grundlage für ein Europa dar, das weiter zusammenwachse, sagte Schröder. Die jetzige Generation habe die unglaubliche Chance, dieses "gute alte Europa" zu einem Ort dauerhaften Friedens und dauerhaften Wohlergehens seiner Menschen zu machen. Jeder wäre fahrlässig gewesen, wenn er diese Chance wegen Kompromissunfähigkeit hätte verstreichen lassen, betonte Schröder.


Einige Änderungen erfuhren auch die Passagen über die Außen- und Sicherheitspolitik der EU. So wurde beispielsweise Art. 40 Ziff. 1 gekürzt: Die sog. Petersberg-Aufgaben wurden herausgenommen, sie tauchen aber in Art. 210 Ziff 1 wieder vollständig auf. Alle wesentlichen "Knackpunkte" der EU-Militarisierung bleiben auch in der neuen Fassung erhalten.



Nachtrag August 2004:
Im August wurde der Text noch einmal überarbeitet ("konsolidiert", wie es so schön heißt. Dabei änderten sich z.B. auch die Nummern wichtiger Artikel. Aus dem Art. 40 wurde jetzt Art. 41.




Die neueste - konsolidierte - Version der EU-Verfassung ist als pdf-Datei hier herunterzuladen:

Verfassungsentwurf 2004



Zum Vergleich:
Verfassungsentwurf 2003


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