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Nicht nur Harmonie bei Polens "Rückkehr in die europäische Familie"

Im Wortlaut: Abschlusserklärung des Deutsch-französisch-polnischen Gipfeltreffens in Wroclaw

Der Irakkrieg hat auch die europäischen Länder entzweit. Begonnen hatte es mit der provokativen Erklärung von acht Staats- und Regierungschefs vom 30. Februar 2003, die den USA ihre Solidarität bei einem Krieg gegen Irak ausdrückten. Und wer geglaubt hatte, nach dem Ende des Kriegs würde der Riss schnell wieder gekittet, sieht sich eines Besseren belehrt: Zunächst schlugen Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg mit einer Initiative zu einer gemeinsamen EU-Militärpolitik zurück (siehe die Gemeinsame Erklärung der Regierungschefs vom 29. April 2003) und dann ließ die Bundesregierung den polnischen Verteidigungsminister abblitzen, der vorgeschlagen hatte, das deutsch-dänisch-polnische Corps könne doch Sicherungsaufgaben im Irak übernehmen (siehe Irak-Chronik vom 6. Mai).
Am 9. Mai 2003 nun trafen sich die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und Polens (das sog. "Weimarer Dreieck") zu einem Gipfel in Wroclaw (Breslau). Sie waren, wie die gemeinsame Abschlusserklärung zeigt, sichtlich um Harmonie bemüht. Doch hinter den Kulissen dürfte Klartext geredet worden sein. So wies nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau der französische Präsident die angemaßte weltpolitische Rolle Polens als Juniorpartner der USA brüsk zurück: "Bei aller Achtung vor Polen: Wir brauchen keine Brücke zwischen den USA und Europa." (Zit. n. FR, 10.05.2003)
Im Folgenden die Abschlusserklärung des Gipfels im Wortlaut.


GIPFEL IN BRESLAU

PRESSEKOMMUNIQUÉ ZUR ZUKUNFT DER ZUSAMMENARBEIT IM RAHMEN DES WEIMARER DREIECKS


Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland sowie die Präsidenten der Republik Polen und der Französischen Republik haben auf Einladung von Präsident Aleksander Kwasniewski am 9. Mai 2003 in Breslau ihr Gipfeltreffen im Rahmen des Weimarer Dreiecks abgehalten.

An diesem Tag, der gleichzeitig Europatag ist, wollten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Staatspräsident Jacques Chirac Polen, seiner Regierung und seinem Volk zu ihrer Entschlossenheit gratulieren, mit der sie den Weg hin zur Union zurückgelegt haben, ihnen bekunden, wie sehr ihre Rückkehr in die europäische Familie nach all den geschichtlichen Trennungen erwartet wird und ihr Vertrauen in die Wahl des polnischen Volkes beim Referendum über die Ratifikation des Beitrittsvertrags am 7. und 8. Juni 2003 zum Ausdruck bringen.

Der Bundeskanzler und die Präsidenten bekräftigten ihr Bekenntnis zum Weimarer Dreieck, dessen Auftrag weiterhin darin besteht, "die Netze der Kooperation immer dichter zu knüpfen, die die Völker und Staaten (...) auf allen Ebenen und in der ganzen Breite des Lebens miteinander verbinden". Das Weimarer Dreieck kann als Forum des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen drei gleichen Partnern eine Impulse gebende, gestaltende Kraft im Dienst der erweiterten Union werden. Im Hinblick darauf haben Frankreich und Deutschland beschlossen, Polen in ihre Überlegungen zur Weiterentwicklung der gemeinsamen Politiken, insbesondere der gemeinsamen Agrarpolitik, der Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und der Verkehrspolitik, einzubeziehen.

Der Bundeskanzler und die Präsidenten kamen überein, die Abstimmung zwischen den drei Ländern über die Entwicklung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik durch die Abhaltung regelmäßiger dreiseitiger Konsultationen zu intensivieren. Diese Konsultationen zielen darauf ab, sowohl die Entwicklung der zivilen und militärischen Fähigkeiten im Rahmen der ESVP zu beschleunigen als auch die strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der NATO zu verstärken. In diesem Zusammenhang unterrichteten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Präsident Jacques Chirac Präsident Aleksander Kwasniewski über die Vorschläge des Treffens der Staats- und Regierungschefs am 29. April 2003 in Brüssel, die im Kreis aller gegenwärtigen und künftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiter beraten werden. Der Bundeskanzler und die Präsidenten beschlossen ferner, eine enge Zusammenarbeit bei der im Rahmen des Konvents betriebenen Reform der europäischen Institutionen, vor allem hinsichtlich der institutionellen Architektur und der GASP, zu entwickeln. Diese gemeinsame Arbeit soll fortgesetzt und intensiviert werden.

Sie führten einen eingehenden Meinungsaustausch über die Perspektiven einer Verstärkung der partnerschaftlichen Beziehungen zu Russland sowie zu den anderen "neuen Nachbarn" der erweiterten Union, insbesondere der Ukraine, und verständigten sich auf eine Fortsetzung dieses Austauschs.

Der Bundeskanzler und die beiden Präsidenten begrüßten den seit der Gründung des Weimarer Dreiecks entstandenen engen Dialog der Außenminister und der Verteidigungsminister, den erfreulichen Rhythmus der Abstimmung zwischen den Finanzministern und die Aussicht auf ein erstes Treffen der Minister für Arbeit und Soziales und der Europaminister. Sie ermutigten zu einer Ausweitung des Aktionsradius des Dreiecks auf weitere Bereiche wie Verkehr und Inneres, zu einer stärkeren Verankerung des Dreiecks in der Zivilgesellschaft durch eine Intensivierung der dezentralen Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften der drei Länder sowie zum Austausch zwischen Jugendlichen und Studenten. In diesem Zusammenhang haben sie beschlossen, Möglichkeiten für eine Dreier­kooperation der Universitäten durch ihre Regierungen prüfen zu lassen, insbesondere in Bezug auf die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Schließlich riefen sie dazu auf, den Dialog zwischen den Parlamentariern der drei Länder auszubauen.

Quelle: Homepage der Bundesregierung (www.bundesregierung.de)


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