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Ehrung für Frauen, die im Alltag zur Verständigung der Menschen und Völker beitragen

Aachener Friedenspreis 2004 geht an Eren Keskin (Istanbul/Türkei) und die Petersburger "Soldatenmütter"

Der Aachener Friedenspreis 2004 wird an die türkische Rechtsanwältin Eren Keskin und an die Petersburger Soldatenmütter. Otmar Steinbicker, Vorsitzender des Aachener Friedenspreis e.V. am Freitag vor der Presse in Aachen bekannt. Die Preisverleihung findet am 1. September in Aachen statt.

Die 45jährige Eren Keskin erhält den Aachener Friedenspreis 2004 für ihren mutigen Einsatz für die Menschenrechte. Mit öffentlichen Äußerungen zur türkischen Politik in Menschenrechtsbelangen und zum innerstaatlichen Frieden sowie ihrem besonderen Engagement für verfolgte Frauen hat sie sich selbst stark Gefährdungen ausgesetzt.

Eren Keskin arbeitet seit 1984 als Rechtsanwältin in Istanbul und ist seit der Gründung im Jahre 1986 aktives Mitglied des türkischen Menschenrechtsvereins IHD (Insan Haklari Dernegi), der mit 19.000 Mitgliedern größten Menschenrechtsorganisation der Türkei.

1997 gründete Eren Keskin zusammen mit anderen Rechtsanwältinnen das Projekt “Rechtliche Hilfe für Frauen, die von staatlichen Sicherheitskräften vergewaltigt oder auf andere Weise sexuell mißhandelt wurden”. Dieses Projekt leistet betroffenen Frauen kostenlosen Rechtsbeistand und unterstützt sie in ihren Klageverfahren gegen die Täter. Die meisten Frauen, die hier Hilfe suchen, sind Kurdinnen.

Anklagen, Verurteilungen (wegen unerlaubter Presseerklärungen), Haft und Morddrohungen gehören für Eren Keskin zum Alltag. Todesdrohungen gehen fast täglich in ihrem Büro ein. Mehrfach wurde sie zu Haftstrafen verurteilt, weil sie in Presseveröffentlichungen den Begriff „Kurdistan“ verwandte, was ihr von türkischen Gerichten als „Separatismus“ ausgelegt wurde. Im Jahre 2002 wurde ihr für ein Jahr die Zulassung als Rechtsanwältin entzogen. Mittlerweile darf Eren Keskin wieder als Rechtsanwältin arbeiten, aber weitere Verfahren drohen.

Die 1991 gegründete „Gesellschaftliche Rechtsschutzorganisation Soldatenmütter von Sankt Petersburg“ erhält den Aachener Friedenspreis 2004 für ihren mutiges Engagement für mehr als 100.000 russische Kriegsdienstverweigerer und Deserteure sowie für ihren Widerstand gegen den schmutzigen Krieg in Tschetschenien.

1991 gründeten zehn Petersburger Bürgerrechtler die „Gesellschaftliche Rechtsschutzorganisation Soldatenmütter von Sankt Petersburg“. Die Petersburger Organisation hat bisher über 150.000 Personen beraten. Mehr als 100.000 Wehrpflichtige konnten mit ihrer Hilfe das gesetzlich verbriefte Recht, nicht zu dienen, durchsetzen, und mehr als 5.000 Deserteure wurden dank ihrer Unterstützung vorzeitig aus der Armee entlassen. Ihre Arbeit gewinnt ihre Bedeutung vor allem vor dem Hintergrund zahlloser Menschenrechtsverletzungen in den russischen Streitkräften. Eine hohe Zahl junger Soldaten kommt Jahr für Jahr während des Wehrdienstes durch Prügel, Totschlag, Folter, Selbstmord und Amoklauf von Kameraden zu Tode. Rund 1.200 Tote waren es nach offiziellen Angaben allein im Jahre 2002.

Rund 1.000 Personen lassen sich jeden Monat von den Petersburger Soldatenmüttern beraten: Angehörige, Wehrpflichtige und auch Wehrdienstleistende, die ihr Einheiten verlassen haben, weil sie die Quälereien nicht mehr aushielten. Allein 2002 sind 6 000 Soldaten desertiert.

Eigenverantwortung und Zivilcourage, die Abschaffung der Zwangseinberufung und der Aufbau einer zivilen Gesellschaft, das sind die Prinzipien und Ziele, denen sich die Petersburgerinnen verpflichtet haben. Dabei haben die Soldatenmütter nicht nur ihre Söhne im Blick. „Wir bitten Tschetschenien um Vergebung, weil auch wir schuld daran sind, was die Armee und der Geheimdienst dem kleinen tschetschenischen Volk antun“, erklärte Ella Poljakowa, eine der beiden Vorsitzenden der Organisation.

Quelle: Homepage des Aachener Friedenspreises: http://www.aachener-friedenspreis.de/



Vgl. auch unsere Berichte zu den Preisverleihungen 2001, 2002 und 2003.




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